Die geistige Botschaft unserer alten Märchen

Der kluge Knecht

Märchentext der Gebrüder Grimm [1857]
Interpretation von Undine & Jens in Grün [2019]

Wie glücklich ist der Herr, und wie wohl steht es mit seinem Hause, wenn er einen klugen Knecht hat, der auf seine Worte zwar hört, aber nicht danach tut und lieber seiner eigenen Weisheit folgt. Ein solcher kluger Hans ward einmal von seinem Herrn ausgeschickt, eine verlorene Kuh zu suchen. Er blieb lange aus, und der Herr dachte: »Der treue Hans, er läßt sich in seinem Dienste doch keine Mühe verdrießen.« Als er aber gar nicht wiederkommen wollte, befürchtete der Herr, es möchte ihm etwas zugestoßen sein, machte sich selbst auf und wollte sich nach ihm umsehen. Er mußte lange suchen, endlich erblickte er den Knecht, der im weitem Feld auf- und ablief. »Nun, lieber Hans,« sagte der Herr, als er ihn eingeholt hatte, »hast du die Kuh gefunden, nach der ich dich ausgeschickt habe?« - »Nein, Herr,« antwortete er, »die Kuh habe ich nicht gefunden, aber auch nicht gesucht.« - »Was hast du denn gesucht, Hans?« - »Etwas Besseres, und das habe ich auch glücklich gefunden.« - »Was ist das, Hans?« - »Drei Amseln,« antwortete der Knecht. »Und wo sind sie?« fragte der Herr. »Eine sehe ich, die andere höre ich, und die dritte jage ich,« antwortete der kluge Knecht.

Nehmt euch daran ein Beispiel, bekümmert euch nicht um euern Herrn und seine Befehle, tut lieber, was euch einfällt, und wozu ihr Lust habt, dann werdet ihr ebenso weise handeln wie der kluge Hans.

Der Kern dieses Märchens wurde bereits von Martin Luther (1483-1546) zur Interpretation eines Bibel-Psalms verwendet und scheint demnach noch weit davor entstanden zu sein. Wir möchten es verwenden, um ein Problem etwas näher zu beleuchten, das vor allem bezüglich der Bibel oft diskutiert wurde und wird, und das nicht nur im Rahmen der evangelischen Reformation. Es ist die große Frage, wie weit darf man heilige Texte wie die Bibel interpretieren, die offiziell als Worte des Herrn bzw. Gottes gelten? Wie weit darf man sich dabei von der amtlichen Meinung entfernen? Manche sagen sogar, man darf hier gar nichts interpretieren und muß jedes Wort wörtlich nehmen. Also ohne zu denken. Doch wie soll das funktionieren? Jedes gehörte oder gelesene Wort, das Ohren oder Augen in uns hereintragen, kann man doch nur so interpretieren, wie man die entsprechenden Begriffe gelernt und geprägt hat und selber versteht. Dessen sollten wir uns bewußt sein, denn in dieser Hinsicht tragen wir eine gewisse Verantwortung für das, was wir denken und tun. Natürlich lernen wir hier von unserer Umgebung und orientieren uns zwangsläufig an der Meinung anderer. So prägen sich viele Bergriffe bereits in der Kindheit tief in uns ein. Auch das gesellschaftliche Schulsystem und die öffentlichen Medien geben sich große Mühe, damit die Menschen relativ einheitliche Begriffe haben, und wir nicht im Babel-Chaos versinken. Oder wie Goethe in [Faust I] von Mephisto sagen läßt:

Mein teurer Freund, ich rat Euch drum
Zuerst Collegium Logicum.
Da wird der Geist Euch wohl dressiert,
In spanische Stiefeln eingeschnürt,
Daß er bedächtiger so fortan
Hinschleiche die Gedankenbahn,
Und nicht etwa, die Kreuz und Quer,
Irrlichteliere hin und her.

Das ist sicherlich gut und nützlich für eine Gesellschaft, hat aber auch Schattenseiten. Denn im Alter, wenn sich die Weisheit entwickeln möchte, ist es oft sehr schwer, solche erstarrten Begriffe wieder beweglich zu machen. Doch gerade diese geistige Beweglichkeit sollte unser größter Reichtum sein, der uns vom Tier unterscheiden und aus der zwanghaften Herrschaft der Natur befreien kann. Denn geistige Beweglichkeit ist die Voraussetzung für wahre Freiheit. Ohne geistige Beweglichkeit, sind wir geistig gebunden und können nur in engen Bahnen denken. Diesbezüglich macht es wenig Sinn, eine Wahrheit in definitiven Ansichten oder bestimmten Standpunkten zu suchen, auch wenn manche Leute sogar behaupten, sie vertreten die authentische Meinung eines Jesus oder Buddha. Besser ist es wohl, diese harten Nüsse aufzuknacken und zum Kern vorzudringen. Das ist der Weg, wenn man die Botschaft erfahren möchte, die hinter den Worten versteckt ist. Und das funktioniert sicherlich nicht ohne geistige Beweglichkeit.

Gott gibt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht auf. [altes Sprichwort]

Wie glücklich ist der Herr, wenn er einen klugen Knecht hat, der auf seine Worte hört...

Vermutlich bezieht sich hier unser Märchen vor allem auf die Bibel, sozusagen der Herr und sein Wort, auf das wir als Knechte im menschlichen Körper, der dem Tempel Gottes gleicht, hören sollten. Praktisch sind wir als „Lebewesen“ alle in die Natur gesandt, um etwas Bestimmtes zu suchen. Das könnte zunächst die Kuh sein, die uns die weltlichen Wünsche erfüllen soll und gewissen Reichtum und Glück im Leben verspricht. Dieses Symbol stammt natürlich aus einer längst vergangenen Zeit. Man findet es noch im Alten Testament in Form der goldenen Kuh oder auch in den heiligen Kühen der altindischen Geschichten, als die Menschen noch als Bauern und Viehzüchter lebten. Vor der Zeit von Ackerbau und Viehzucht wurden eher die Bäume verehrt, die viele Früchte geben konnten. Und heute sind es vor allem tote Dinge wie Maschinen, die uns Reichtum und Glück im Leben versprechen. Aber auch früher wußte man schon, daß dieses weltliche Glück nur schwer festzuhalten ist:

Gott gibt wohl die Kuh, aber nicht den Strick dazu. [altes Sprichwort]

Betrachtet man den Knecht als Symbol für unser Ichbewußtsein, das sich auf den weltlichen Verstand stützt, dann macht es vielleicht Sinn, nach dem weltlichen Glück zu greifen. Doch sieht man darin die höhere Vernunft des Menschen, könnte man die Kuh nur als Anreiz sehen, um sich überhaupt erstmal auf den Weg zu machen und nach einem dauerhaften und daher besseren Glück zu suchen.

Etwas Besseres, und das habe ich auch glücklich gefunden, nämlich drei Amseln …

So erinnern uns die drei Amseln an die drei Raben aus dem Märchen vom treuen Johannes und könnten auch hier Boten bzw. Wege symbolisieren, die das enthüllen, was für unseren weltlichen Verstand im Dunklen liegt. Denn Vögel können sich von der Erde in die Luft erheben, also symbolisch gesehen von der materiellen in die geistige Sphäre.

Eine sehe ich, die andere höre ich, und die dritte jage ich.

Diese Antwort des Dieners könnte sich damit auf die drei wesentlichen Erkenntnisprinzipien beziehen, nämlich das Sehen bezüglich der Welt der Formen, das Hören bezüglich der Welt der Begriffe und das Handeln bezüglich der Welt der Taten. Auf dem spirituellen Weg spricht man zum Beispiel vom Sehen einer höheren Wahrheit, vom Hören des göttlichen Wortes und vom Suchen nach Erkenntnis und Erlösung. Ähnliche Prinzipien findet man auch in der Bibel, nur in etwas anderer Reihenfolge:

Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. [Bibel, Matthäus 7.7]

Als er aber gar nicht wiederkommen wollte, befürchtete der Herr, es möchte ihm etwas zugestoßen sein, machte sich selbst auf und wollte sich nach ihm umsehen.

Darüber hinaus wird im Märchen auch beschrieben, daß der Herr, sozusagen der Geist Gottes, uns nicht nur auf die Suche in die Welt schickt, sondern sich auf diesem Weg auch um uns kümmert und mit uns spricht. Wichtig ist, daß wir aktiv werden, und das nicht nur auf körperlicher Ebene. Ein ähnliches Thema wird in der Bibel auch im Gleichnis von den drei Knechten mit den anvertrauten Talenten behandelt:

Das Himmelreich gleicht einem Mann, der auf Reisen ging. Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Talente (Geld, Gut bzw. Vermögen), dem anderen zwei, dem dritten eins, jedem nach seiner Kraft, und er reiste sogleich ab. Da ging der hin, welcher die fünf Talente empfangen hatte, handelte mit ihnen und gewann fünf weitere Talente. Und ebenso der, welcher die zwei Talente empfangen hatte, auch er gewann zwei weitere. Aber der, welcher das eine empfangen hatte, ging hin, grub die Erde auf und verbarg das Geld seines Herrn. Nach langer Zeit aber kommt der Herr dieser Knechte und hält Abrechnung mit ihnen. Und es trat der hinzu, der die fünf Talente empfangen hatte, brachte noch fünf weitere Talente herzu und sprach: Herr, du hast mir fünf Talente übergeben; siehe, ich habe mit ihnen fünf weitere Talente gewonnen. Da sagte sein Herr zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht! Du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über vieles setzen; geh ein zur Freude deines Herrn! Und es trat auch der hinzu, der die zwei Talente empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Talente übergeben; siehe, ich habe mit ihnen zwei andere Talente gewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht! Du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über vieles setzen; geh ein zur Freude deines Herrn! Da trat auch der hinzu, der das eine Talent empfangen hatte, und sprach: Herr, ich kannte dich, daß du ein harter Mann bist. Du erntest, wo du nicht gesät, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg dein Talent in der Erde. Siehe, da hast du das Deine! Aber sein Herr antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wußtest du, daß ich ernte, wo ich nicht gesät, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe? Dann hättest du mein Geld den Wechslern bringen sollen, so hätte ich bei meinem Kommen das Meine mit Zinsen zurückerhalten. Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn wer hat, dem wird gegeben werden, damit er Überfluß hat; von dem aber, der nicht hat, wird auch das genommen werden, was er hat. Und den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird das Heulen und Zähneknirschen sein. [Schlachter Bibel, Matthäus 25.14]

Auch hier geht es darum, die eigenen Fähigkeiten zu nutzen und mit dem anvertrauten Vermögen aktiv zu arbeiten, um es zu vermehren, und nicht nur passiv zu bleiben und sich vor eigener Initiative zu fürchten. Der ängstliche Knecht, der kein Risiko eingehen und das anvertraute Gut nur festhalten will, wird dagegen hart bestraft, denn er handelt offensichtlich nicht im Sinne seines Herrn. Leider wird in diesem Gleichnis nicht erwähnt, was einem Knecht geschehen wäre, der das anvertraute Gut durch sein Handeln verloren hätte. Doch eine ähnliche Frage wurde in der indischen Bhagavad-Gita gestellt und beantwortet: „Was geschieht mit dem, der trotz Fleiß und Vertrauen sich in diesem Yoga nicht bezähmen kann und in seiner großen Hingabe erfolglos bleibt? ... Weder hier noch später geht so ein Mensch verloren. Denn niemand, der heilsam handelt, geht ins Verderben... [MHB 6.30]“

Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten verwendete auch der berühmte christliche Mystiker Meister Eckhart (1260-1328) in seinen Predigten und sprach auf sehr tiefgründige Weise:

»Guter, getreuer Knecht! Weil du getreu gewesen bist über Kleines, darum will ich dich setzen über all mein Gut.« Wohlan, nun achtet darauf, was (denn) das »Kleine« sei, über das dieser Mensch getreu gewesen ist. Alles, was Gott geschaffen hat im Himmel und auf Erden, was nicht er selbst ist, das ist klein vor ihm. Über alles dies ist dieser gute Knecht getreu gewesen. Wieso dem so sei, das will ich euch dartun. Gott hat diesen Knecht gesetzt zwischen Zeit und Ewigkeit. Keinem (von beiden) war er übereignet, sondern er war frei in der Vernunft und im Willen und auch allen Dingen gegenüber. Mit seiner Vernunft durchschritt er alle Dinge, die Gott geschaffen hat; mit seinem Willen ließ er ab von allen Dingen und auch von sich selbst und von alledem, was Gott geschaffen hat, was nicht Gott selbst ist. Mit seiner Vernunft nahm er sie auf und gab Gott dafür Lob und Ehre und überantwortete sie Gott in seine unergründliche Natur und dazu sich selbst, sofern er geschaffen ist. Dort ließ er sich selbst und alle Dinge, so daß er weder sich selbst noch irgendein geschaffenes Ding mit seinem geschaffenen Willen je (wieder) berührte. Wahrhaftig! wer in solcher Weise getreu wäre, in dem hätte Gott so unaussprechlich große Freude, daß, wenn man ihm diese Freude nähme, man ihm sein Leben und sein Sein und seine Gottheit gänzlich nähme.
Ich sage aber noch mehr - erschrecket nicht! denn diese Freude ist euch nahe und ist in euch! - Es ist keiner von euch so grobsinnig noch so klein an Fassungskraft noch so weit davon entfernt, daß er diese Freude nicht mit Freude und mit Erkenntnis so, wie sie wahrheitsgemäß ist, in sich finden könnte, noch ehe ihr heute aus dieser Kirche kommt, ja, noch ehe ich heute meine Predigt beendige; er kann‘s ebenso gewiß in sich finden, erleben und haben, wie Gott Gott ist und ich Mensch bin! Des seid gewiß, denn es ist wahr, und die Wahrheit sagt es selbst...  [Eckhart, Predigt 27, S275]

Damit zeigt Meister Eckhart bereits, wie tief man mit geistiger Beweglichkeit über nur einen einzigen Satz nachdenken und den ganzen Weg der Erkenntnis vom Sehen und Hören bis zum Erreichen der Glückseligkeit gehen kann, wie er auch in unserem Märchen angedeutet wird. In ähnlicher Weise könnte man wohl über das ganze Gleichnis von den anvertrauten Talenten ein längeres Buch schreiben. Denn die Symbolik des Knechtes, dem der Herr sein Vermögen anvertraut und ihn dann frei handeln läßt, ist wirklich ein weites Feld zum Nachdenken. Ein Knecht ist nicht der Eigentümer, und trotzdem sollte er im Sinne des Herrn handeln, ohne das anvertraute Gut und den Gewinn als sein Eigentum zu betrachten. Dieses selbstlose Handeln ohne Anhaftung mit der nötigen Weisheit ist nicht umsonst der Kern aller großen Religionen.

Nehmt euch daran ein Beispiel, bekümmert euch nicht um euern Herrn und seine Befehle...

Mit diesem letzten Satz des Märchens sollte man vorsichtig sein, denn hier scheiden sich die Geister. Natürlich müssen wir uns keine Sorgen um unseren Herrn machen, sofern Gott damit gemeint ist. Er kann nichts verlieren, nicht einmal eine Kuh. Und die Gebote der Bibel, die man gern auch als Befehle auslegt, sollten sicherlich auch nicht zu blinden Dogmen werden, denen man bedenkenlos folgt. Besser wäre es, mit der Symbolik zu arbeiten und den Inhalt geistig zu verarbeiten. Denn bereits an dem Beispiel von Meister Eckhart kann man erahnen, was wir alles verlieren, wenn wir dieses reiche geistige Erbe nur äußerlich und wortwörtlich wie eine weltliche Kuh festhalten wollen. Gerade die Bibel ist ein dynamisches Werk mit vielen Ebenen, die man Schicht für Schicht bis zum Kern durchdringen kann. Und auch Meister Eckhart sprach bezüglich dieser Tiefgründigkeit:

Die Schrift lacht anfangs junge Kinder an und lockt das Kind an sich; am Ende aber, wenn man die Schrift ergründen will, spottet sie weiser Leute; und niemand ist so einfältigen Sinnes, daß er darin nicht fände, was ihm gemäß ist; und wiederum ist niemand so weise, daß, wenn er sie ergründen will, er sie nicht (jeweils noch) tiefer und mehr darin findet. Alles, was wir hier (in der Welt) hören können und alles, was man uns zu sagen vermag, das hat alles darin einen weiteren, verborgenen Sinn. Denn alles, was wir hier verstehen, das ist alles dem, was es in sich selbst ist, und dem, was es in Gott ist, so ungleich, als wenn es gar nicht wäre. [Eckhart, Predigt 24, S263]

Tut lieber, was euch einfällt, und wozu ihr Lust habt...

Dieses Ergründen ist ein langer Weg, und es geht sicherlich nicht ohne eigenen Fleiß, Lust, Einfälle und Intuition. Damit schärft man das berühmte Schwert der Erkenntnis bzw. Weisheit, um die Schlingengewächse unserer Illusionen abzuschlagen und die Sicht auf die Wahrheit freizulegen. Der Knackpunkt ist hier natürlich unser Ichbewußtsein. Sofern es sich zum gierigen Ego entwickelt, das die Bibel oder ähnliche Werke für egoistische Zwecke benutzt und interpretiert, um andere anzugreifen, Streit und Zwietracht zu säen, Dogmen aufzustellen oder persönlichen Vorteil zu gewinnen, geht das Ganze natürlich am Sinn vorbei und nach hinten los. Der selbstlose Weg ist wirklich sehr schmal, und man kann nicht allzuviel Gepäck mitnehmen, seien es Bücher, Ideologien, Parteifreunde, Weggefährten oder Feindbilder. Hier versagt offensichtlich das demokratische Prinzip, daß die äußerliche Mehrheit gewinnt, denn hier siegt die innere Einheit.

... dann werdet ihr ebenso weise handeln wie der kluge Hans.

So geht man diesen Weg normalerweise einsam und demütig wie ein besitzloser Wandermönch durch eine Tempeltür, die so niedrig ist, daß man sich tief verneigen muß:

„Gehet ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis abführt; und ihrer sind viele, die darauf wandeln. Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt; und wenige sind ihrer, die ihn finden. [Bibel, Matthäus 7.13]“

Zum Schluß möchten wir zum Vergleich noch die Version von Martin Luther anführen, der das Gleichnis unter der Überschrift „Auslegung des 101. Psalms vom Verhalten weltlicher Regenten besonders.“ aus der Sicht eines Kirchenführers mehr im sarkastischen und weltlichen Sinne benutzte, obwohl wir bei Luther eigentlich vermutet hätten, daß er dem Volk eine gewisse geistige Freiheit geben wollte. So schrieb er:

„Das unbeständige Quecksilber, wo man’s hinhaben will, da bleibt‘s nicht, was diese tun sollen, das können sie nicht tun, was sie aber erwählen, das müssen sie tun...

Also im Haushalten, wenn Knechte und Mägde tun, was sie gut dünkt, lassen aber anstehen, was man sie heißt, wollen dennoch wohl getan haben. Dieselben zieren ein Haus fein, und ist ganz ein nützlich holdselig Gesinde. Ja, wie der Knecht mit den drei Amseln, davon man sagt, wie sein Herr ihn aussendet, die verlorene Kuh zu suchen, und er so lange ausbleibt, daß sein Herr ihm nachläuft zu sehen, wo er bleibt. Als er fast nahe zu ihm kommt, fragt er den Knecht: »Hast du die Kuh gefunden?« - »Nein, sprach der Knecht, sondern ich habe ein Besseres gefunden.« - »Was hast du denn gefunden?« Der Knecht sprach: »Drei Amseln.« - »Wo hast du sie denn?« Der Knecht sprach: »Eine sehe ich, die andere höre ich, die dritte jage ich.« - Ist das nicht ein kluger fleißiger Knecht? Sollte ein Hausherr mit solchem Gesinde nicht reich werden?

Hier gehören jene her, von denen man sagt: Sie heben einen Löffel auf und zertreten eine Schüssel... (das heißt vermutlich: Dem Geringfügigen mehr Aufmerksamkeit schenken als dem Wichtigerem.) [Luther Ex S302]“

Also: Tut lieber, was euch einfällt, und wozu ihr Lust habt...

Hans-Peter Dürr, ein führender Physiker im Max-Planck-Institut sprach 1997 in einem Interview zum Thema der geistigen Beweglichkeit kurzgefaßt:
Die Natur spielt wie ein Kind mit einer gewissen Vorahnung... Wem nichts einfällt, der verhält sich wie Materie und ist ein Langweiler. Materie ist geronnener Geist, dem nichts mehr einfällt. Deshalb sollten wir die Materie nicht so wichtig nehmen, sondern den Menschen, dem in jedem Augenblick etwas Neues einfällt.:


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... Inhaltsverzeichnis aller Märchen-Interpretationen ...

[1857] Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen, 7. Auflage, Berlin 1857
[Eckhart] Meister Eckhart, Deutsche Predigten und Traktate, Diogenes 1979
[Bibel] Luther Bibel, 1912
[Faust I] Johann Wolfgang von Goethe, Faust Teil 1, Eine Tragödie, Tübingen 1808.
[MHB] www.mahabharata.pushpak.de
[Luther Ex] Dr. Martin Luther, Sämmtliche Werke: Exegetische deutsche Schriften : siebenter Band, Band 39, Heyder, 1846
[Schlachter Bibel] Schlachter Bibel 2000, Genfer Bibelgesellschaft
[2019] Text und Bilder von Undine & Jens / www.pushpak.de