Die geistige Botschaft unserer alten Märchen

Beowulf-Sage

Deutsche Überarbeitung nach dem Text von Wilhelm Wägner und anderen Quellen mit vielen Abbildungen, sowie nach dem altenglischen Urtext

Ausgabe:


Inhaltsverzeichnis

Nibelungensage und Nibelungenlied
Hugdietrichsage
Dietrichsage
Hageling- und Gudrunsage
Beowulf-Sage (nach Wilhelm Wägner)

Der Grendel-Kampf
Die Meerwölfin
Der Königsweg
Der Drachenkampf
Beowulf-Sage (Urtext)
König Scyld der Dänen
1. Die gehörnte Hirschhalle Heorot
2. Grendels Angriff
3. Beowulfs Dienstbereitschaft
4. Beowulfs Herkunft
5. Wulfgar empfängt Beowulf in der Halle
6. Beowulfs Auftritt und Ansprache vor dem König
7. Die Antwort des Königs
8. Unferth und der Wettkampf mit Breka
9. Ausgang des Wettkampfes und Begrüßung durch Wealhtheow
10. Gelöbnis zur Nacht im Hirschsaal
11. Der nächtliche Kampf beginnt
12. Der Sieg über Grendel und das Siegeszeichen
13. Ein neuer Morgen und die Geschichte von Siegmund
14. Danksagung
15. Gabenspende für Beowulf
16. Gaben für das Gefolge und Geschichte von Hildburg und Finn
17. Geschichte von Hengest über Erbe und Ehre
18. Die Gabenspende der Königin
19. Grendels Mutter greift an
20. Äschere und das Moor
21. Der Moor-Weg und Unferths Schwert Hrunting
22. Im Wasserreich der Meer-Wölfin
23. Grendels Haupt
24. Beowulf übergibt die Trophäen und Hrodgars Rede
25. Weitere Betrachtungen des Königs
26. Der Friedensbund zwischen Goten und Dänen
27. Heimkehr ins Gotenland und die Geschichte von Thryth und Offa
28. Übergabe der Schätze und die Geschichte von Freawaru
29. Beowulf berichtet vom Kampf
30. Die Gaben für König Hygelak und Königin Hygd
31. Der versteckte Drachenschatz
32. Der Feuerdrache verwüstet das Königreich
33. Der Weg zum Drachen und die Geschichte von Hredel
34. Die Geschichte von Hygelak und Beginn des Drachenkampfes
35. Wiglafs Beistand
36. Der Drache fällt
37. Beowulf stirbt
38. Wiglaf tadelt seine Gesellen
39. Der Bote des Kampfes und die Geschichte von Ongentheow
40. Die Geschichte der Brüder Eofor und Wulf
41. Wiglafs Trauer und das Heben des Goldschatzes
42. Leichenfeuer und Bestattung
Quellenverzeichnis


Beowulf-Sage

Einst sandte den Sohn der selige Odin,
Auf schimmerndem Schild schwimmend, zur Erde.
Unkundig des Gottes, die Menschenkinder
Empfingen doch festlich den freundlichen Knaben,
Den wilden Wellen ihn rasch entwindend.

Sie nannten den Namenlosen Scyld („Schild“).
Er wuchs und wurde ein mächtiger Held,
Ein König und Recke im Dänenland,
Inmitten der Meere, mit Ruhm und Macht.
Ihm gaben die Götter Kinder und Enkel,
Beow und Healfdene, dem Ahnherrn gleichend,
Verherrlichte Herrscher, auf dem Hochsitz thronend,
Auch sein Urenkelsohn, wie die Sonne leuchtend:

Hrodgar, der Kühne, kundig des Schwertes,
In blutigen Schlachten schlug er das Raubvolk
Zur Freude des friedlichen Volkes, das emsig,
Des Pfluges pflegend, fördert das Ährengold.
Der herrliche Herrscher erbaute die Halle,
Die festlich geschmückte, darin wir feiern
Den kraftvollen Krieger, gekrönt mit Ehren,
Den Völkergebieter, des Landes Schatz.

So sang ein Spielmann zur Harfe in König Hrodgars großer Halle, die man die gehörnte oder Hirschhalle nannte, weil ihre Zinnen gleich dem Geweih des Edelhirsches emporragten. Der König hatte sie von der den Raubfahrern abgenommenen Beute erbaut, nachdem er dieselben durch ruhmvolle Siege überwunden und völlig vertilgt hatte. Da saß der edle Scylding (Nachkomme von Scyld) mit seinen Helden beim frohen Mahl, und emsig füllte der Schenke die Hörner mit süßem Met und südländischem Wein, bis die leuchtenden Sterne zum Schlafen einluden. Aber nicht alle Recken hatten außerhalb Herberge gefunden, deswegen waren in dem geräumigen Saal Lager bereitet, wo müde Gäste der nächtlichen Ruhe pflegten. Dreißig kampfberühmte Helden fanden hier gut Gemach und träumten friedliche Träume nach den erfochtenen Siegen. Doch als am Morgen die Burgleute in die Halle eintraten, fanden sie die edlen Gäste nicht mehr, wohl aber Spuren von Kampf, Blutflecken, die Lagerstätten zerrauft und andere Zeichen nächtlicher Störung.

König Hrodgar, der Sohn von Healfdene, wurde von dem schreckhaften Spuk benachrichtigt und kam selbst, um nach den werten Freunden zu suchen. Er folgte den Spuren von der Halle weiter, denn da sah man in die weiche Erde eingedrückt riesige Fußstapfen, die zu einem unheimlichen, unergründlichen Moor führten. So wurde er alsbald der Sache kundig, denn in dem Moor wohnte der Unhold Grendel, der vor Zeiten viele Untaten verübte, aber durch einen zauberkundigen Mann gebannt worden war. Das Ungetüm hatte, wie es schien, den Bann gelöst und die nächtliche Greul angerichtet. Als das Unglück ruchbar wurde, erboten sich zehn Helden, des Nachts in der Halle zu wachen und den Unhold, wenn er neuen Einbruch wage, zu bekämpfen. Aber sie konnten sich entweder des Schlafes nicht erwehren, oder sie waren dem Feind nicht gewachsen. Am Morgen fand man im Saal dieselbe Verwüstung wie zuvor, die Männer aber waren in den Moorsumpf fortgeschleppt. Das Dänenvolk der Scyldinge ist jedoch unerschrocken und weicht vor keinem Schrecknis zurück. Daher waren abermals zwölf Recken, unter ihnen der Spielmann bereit, das Abenteuer zu bestehen.

In voller Rüstung, die Schwerter in den Händen, streckten sie sich auf die Ruhebetten. Nur der Sänger kauerte vorsichtig in einem Winkel, um wachsam zu bleiben. Um Mitternacht kam es heran, schlürfenden Schrittes, schmatzend, wie der Wurm, der den Raub wittert. Der Spielmann sah und hörte, aber Entsetzen fasste ihn, so dass er schier besinnungslos zu Boden sank. Als man ihn am Morgen zum Bewusstsein brachte, wollte er keinem Menschen sagen, was er gesehen und gehört hatte. Er nahm seine Waffen und seine Harfe, deutete auf die blutbespritzten Lager und schritt fort, ohne Gruß und Abschied nach dem Strand, wo er ein segelfertiges Schiff bestieg, das ins Land der Goten steuerte. Die kühnen Recken aber waren, gleich den früheren, erwürgt und nach dem Moorsumpf geschleppt.

Im Land der Goten herrschte Hygelak, ein siegreicher König, und unter seinen Helden war sein Neffe Beowulf, der Sohn Ecgtheows, der noch großen Ruhm erreichen sollte. Als der Harfner ankam, fand er die Goten in Kriegsnot, und das hatte sich so begeben: Die drei Söhne des Königs Hredel, Herebald, Hädkyn und Hygelak, mit denen Beowulf nach seines Vaters frühem Tod erzogen worden war, herrschten im Reich der Goten. Hädkyn, ein trefflicher Bogenschütze, übte sich täglich in der edlen Kunst. Einst schoss er nach der Scheibe, doch sein gewaltiger Pfeil fuhr durch das dünne Holz und traf den vorüberwandelnden Herebald ins Herz. Groß war die Wehklage des unglücklichen Schützen um den Bruder, und das ganze Volk beweinte mit ihm den Tod des Helden. Zur selben Zeit fielen schwedische Raubfahrer verwüstend in das Land, grimmige Horden, die keine Schonung kannten. Der gramvolle Hädkyn fuhr mit Heeresmacht gegen die Räuber. Er suchte den Tod in der Schlacht, aber fand ihn nicht, sondern kehrte mit Beute und Siegesruhm zurück. Die Raubfahrt zu rächen, beschloss er einen Kriegszug gegen die Schweden. Beowulf riet ab, weil, wie er sagte, in der Winterzeit die Krieger im feindlichen Land keine Unterkunft finden würden. Doch als man ihn deshalb der Feigheit bezichtigte, war er mit seinen Dienstmannen in der Heerversammlung und im Kampf stets allen voran. Er verrichtete unglaubliche Taten, so dass man meinte, er habe die Kraft von dreißig Männern. Indessen kam es, wie er gesagt hatte: Mühsal und Mangel schwächten die Krieger, und in der Schlacht fiel König Hädkyn samt vielem Volk. Den Überrest führten Beowulf und der kühne Breka, feindliche Scharen zurückschlagend, glücklich nach der Heimat.

Der Schwedenkönig Ongentheow verfolgte mit zahlreichem Heervolk und vielen Schiffen den geschlagenen Feind, und bei ihm war Däghrefn, ein unbezwinglicher Held, an der Spitze der wilden Hugen. König Hygelak, der nach dem traurigen Ende seiner Brüder allein der Herrschaft im Gotenreich waltete, besiegte und erschlug den König der Schweden. Doch Däghrefn beharrte im Kampf, schlug die gotische Flotte, landete bald da, bald dort mit seinen Raubscharen, ohne dass man seinen Verheerungen Einhalt tun konnte. So war der Landesnot kein Ende abzusehen.

Am Strand stand mit seinen Helden König Hygelak. Gegenüber lagen vor Anker die feindlichen Schiffe, trotzend den Goten, die nicht mehr den Kampf auf dem Meer wagen konnten, weil ihre gerüsteten Drachenschiffe verbrannt oder genommen waren. Am Vordersteven seines Drachenschiffs stand Däghrefn, höhnische Worte herüberrufend. Hell glänzte sein Stahlgewand, und auf seinem Schild leuchtete in rotem Gold ein Wurm mit blutrotem Rachen.

Das alles sah der Spielmann Hrodgars, und er wunderte sich, dass das streitbare Gotenvolk so wehrlos dem Feind preisgegeben war. Da schritt der stattliche Held Beowulf, gewappnet und mit dem Schwert umgürtet, an die ragenden Felsen des Ufers vor, schaute hinüber nach den Schiffen, als ob er die Entfernung mit den Augen messe, und sprang dann plötzlich hinunter in die wilde, kochende Brandung, die alsbald über ihm zusammenschlug. Die Wellen zogen ihre Kreise, der kühne Schwimmer war verschwunden, vielleicht die Beute eines Ungetüms der Tiefe. Harmvoll blickten die Goten über die wogende Salzflut, und siehe, da tauchte der Held hart an Bord von Däghrefns Drachenschiff wieder empor, erklomm das Verdeck und schwang sein scharfes Schwert, dass die herzudrängenden Hugen unter seinen furchtbaren Streichen in Menge fielen. Er öffnete sich einen blutigen Weg nach dem Vorderdeck, wo der Hugenfürst ihm begegnete. Die Schwerter blitzten, die Streiche klirrten auf Schild, Helm und Brünne von beiden Seiten, aber die Klingen bissen nicht ein, denn die Kämpfer trugen Streitgewänder, die einst Wieland, der trefflichste Schmied, gefertigt hatte. Da schleuderte Beowulf die unnütze Waffe weit ins Meer, unterlief seinen Gegner, fasste ihn mit gewaltiger Faust und riss ihn mit sich über Bord in die stürmische Flut. Die Hugen sandten ihm, als er wieder auftauchte, einen Hagel von Geschossen nach, aber Speere und Pfeile glitten wie Graupelkörner von seiner guten Rüstung ab. Er schleppte zugleich den erwürgten Däghrefn mit sich und auch sein Schwert, das er in der Tiefe wiedergefunden hatte. Mit Jubelruf begrüßten die Goten ihren Helden, als er mit seiner Beute den Strand erreichte. Die Schweden und Hugen dagegen lichteten alsbald die Anker und steuerten entmutigt ohne ihren König und ihren ruhmvollen Helden der Heimat zu.

Beim Siegesmahl feierte der Spielmann mit Lied und Harfenklang die Taten der Helden vergangener und gegenwärtiger Zeit. Er sang, wie Siegmund, der kühne Wölsung in allen Landen Abenteuer bestand, das wilde Riesenvolk siegreich bekämpfte, aber auch mörderische Gräueltaten verübte, die niemand ganz erfuhr als nur sein Neffe Fitela, der in aller Not sein Geselle war, und wie er schließlich allein, ohne des Neffen Hilfe, durch die Gnade des Schicksals den schrecklichen Drachen erschlug, dessen Goldhort gewann und mit der glitzernden Fracht sein Schiff belud (was ihm später zum Verhängnis wurde). Danach griff er mächtiger in die Saiten und sang gewaltig, dass die Halle erdröhnte, zum Preis des kühnen Helden, der schwimmend allein das feindliche Drachenschiff enterte, und forderte ihn auf, den grässlichen Moorgeist Grendel zu bekämpfen, der allnächtlich die Halle der Scyldinge verheere und das Blut der Helden mit gierigem Rachen schlürfe. Beowulfs Ruhm, sprach er, werde, wenn er diesen Kampf siegreich bestehe, den Ruhm des Wölsungen noch weit überstrahlen, und solche Tat werde von den spätesten Geschlechtern als die kühnste gepriesen werden.

Der Grendel-Kampf

„Obwohl die Scyldinge mit den Goten schon oft das Schwertspiel versuchten“, sprach Beowulf, „so will ich doch ihr Helfer sein und das Nachtgespenst Grendel bekämpfen. Denn wertvoller als der schimmernde Goldhort dünkt dem Helden das Preislied der Sänger, das durch alle Zeiten klingt.“ Da erhob sich Breka, ein tüchtiger Recke, der gemeinsam mit Beowulf aufgewachsen war, aber nun neidig über dessen Ruhm sprach: „Großes hat mein Heergeselle vollbracht. Doch wähne ich mit besserem Geschick die stürmische Meeresflut und die Ungeheuer der Tiefe zu bekämpfen. Wenn nun die Fürsten der Goten Richter sein wollen, dann versuchen wir uns beide in diesem Wagespiel. Ein Tag und eine Nacht soll der Wettkampf dauern. Wer überlebt und dann zuerst den Strand gewinnt, dem werde der Preis des Sieges zu teil.“ - „Ja, dem reiche ich selbst die Goldkette, die ich hier umgeschlungen habe“, fügte König Hygelak hinzu, auf seinen Halsschmuck deutend.

Der Morgen, als der Wettkampf beginnen sollte, ging blutrot auf. Die sturmbewegte eisige Flut ächzte, stöhnte und heulte, als begehre sie ein Menschenopfer. Da standen die kühnen Schwimmer gepanzert und die Schwerter in den Händen am Ufer und sprangen, als das Horn das Zeichen gab, in die wogende See. Bald bedeckt von der Schaumflut, bald auf dem Rücken der Wellen schwammen sie weiter und immer weiter und verschwanden in der Ferne. Sie hielten sich nahe zusammen, um im Kampf mit dem Seegetier einander Beistand zu leisten. Aber bald wurden sie durch den Wogenschwall getrennt und von der Strömung nach verschiedenen Seiten gerissen. Breka fand ruhigeres Gewässer und schwamm durch die Wellen weiter, bis es Zeit zur Umkehr war. Beowulf geriet in noch wilderes Wasser zwischen Klippen und Bänke, wo Polypen, Seedrachen und gräuliche Nixen auf Beute lauerten, die Schrecken der Seefahrer. Riesige Arme streckten sich nach ihm aus, aber er erschlug sie mit seinem Schwert. Ungetüme wälzten sich über ihn, um ihn zu ersticken, aber er bohrte ihnen den Stahl durch die Schuppenhaut. Ein Nix umklammerte ihn und wollte ihn fort in seine Höhle ziehen, aber er stieß ihm die scharfe Klinge tief ins Herz und schleppte ihn an den grünen Borsten mit sich. So erreichte er wieder das offene Meer und strebte, da die Sonne unterging, rückwärts dem heimischen Strand zu. Der Sturm war vorüber, die Tagbestrahlerin beleuchtete die verwegenen Schwimmer, die gleichzeitig nach dem Ufer steuerten. Breka erreichte es zuerst. Er blickte frohlockend auf den Mitkämpfer, der nach kurzer Frist gleichfalls landete. Doch er, der König und das Volk sahen mit Staunen, wie der Held den gräulichen Nix nachschleppte und ausgestreckt auf den Sand legte. Die Fürsten umstanden die Missgestalt und maßen verwundert die riesigen Glieder. „Nimm hin die goldene Kette!“, sprach der König zu Breka: „Du hast sie durch schwere Arbeit gewonnen. Aber mein kühner Neffe hat Größeres vollbracht, indem er die Untiere der Tiefe bekämpfte und den erlegten Nix hierher vor unser Angesicht führte. Ihm reiche ich mein gutes Schwert Nägling mit dem Goldgriff und goldenen Runen geziert, das Erbstück meines Vaters, die Waffe von König Hredel, dass er es in allen Kämpfen mit Ehren führe.“

Hochgeehrt war Beowulf bei seinem Gotenvolk, doch begehrte er den Königssaal der Scyldinge von dem Unhold Grendel zu befreien. Darum ging er bald nach diesen Taten mit dem Spielmann zum Schiff, und sie steuerten ins Land der Dänen, zum Burghof des Königs Hrodgar. Vierzehn edle Goten, ruhmreich, wie er selbst, hatten mit ihm das Schiff bestiegen und standen, als das Fahrzeug das Land erreichte, um ihn her versammelt. Der Strandwächter jagte hoch zu Ross auf die Fremdlinge zu. Er bewunderte die glänzend gerüsteten Recken, ihre kraftvollen Gestalten, ihre kühne Haltung und forschte, wer sie seien und in welcher Absicht sie das Land der Scyldinge beträten. Als er die Geschichte vernahm, hieß er sie guten Mutes nach der Burg fahren, wo sie der König als werte Gäste empfangen werde. Hrodgar saß auf dem Hochsitz im Hirschsaal, wo keine Lagerstätten mehr zur Ruhe einluden. Er ging den Fremdlingen, die angemeldet waren, freundlich entgegen und wies ihnen Sitze an, dass sie teilnähmen am Gelage der Helden. Auch der Spielmann war eingetreten. Er besang Beowulfs Taten und verkündete wie ein Prophet die Besiegung des Moorunholdes durch die unbezwingliche Faust des mächtigen Helden. Dieses Lob verdross Hunford, einen der Hofmänner, und er sprach mit neidvollem Hohn, der gerühmte Gotenheld habe doch die Goldkette nicht gewonnen. Beowulf sollte sich wohl bedenken, ehe er den Kampf mit Grendel versuche, denn er könne wohl ein eisiges Bett im Moorsumpf finden. Da rief der Held zornig, er habe statt der Goldkette ein gutes Schwert gewonnen, das scharf genug sei, eine Lästerzunge abzuschneiden. König Hrodgar gebot dem Hofmann zu schweigen, aber dem Goten verhieß er, wenn er siegreich den Kampf bestehe, königliche Belohnung und einen dauernden Friedensbund zwischen ihren beiden Völkern.

Als die Nacht anbrach und der Herrscher sich mit seinen Mannen entfernt hatte, wurden von Dienstleuten Betten und Lager für die zurückbleibenden Gäste hergerichtet. Beowulf, voll Mut und Vertrauen auf seine Kraft, legte Helm und Rüstung ab und übergab auch den dienstbaren Gesellen das Schwert. „Nicht mit dem Schwert will ich ihm sein Leben rauben, obwohl ich es könnte. Mit meiner Faust gedenke ich des Unholds Meister zu werden, der ja gleichfalls ungewappnet ist.“ So sprach der Held, indem er sich auf die weichen Polster streckte. Um Mitternacht stieg nach seiner Gewohnheit der Moorgeist aus dem Sumpf empor. Er witterte leckeren Fraß und stampfte nebelumhüllt über die Heide und weiter in die Königshalle. Er grinste vor Freude über die fette Beute und fletschte die Zähne, die gleich Eberhauern aus dem weiten Maul hervorragten, während die borstigen Hände mit stahlharten Adlerkrallen bewaffnet waren. Die Recken lagen alle wie gebannt im Schlaf. Nur Beowulf, den Zauber bezwingend, blinzte mit den Augen verstohlen nach dem grauenvollen Nachtmahr, der hoch aufgerichtet zu sinnen schien, auf wen er sich zuerst stürzen wolle. Jetzt war seine Wahl getroffen, und einer der Schläfer röchelte unter seinen Krallen, womit ihm der Höllenspuk Haut, Fleisch und Eingeweide vom Hals bis zum Gürtel zerriss, während er zugleich gierig sein Blut schlürfte und schließlich den ganzen Leib verschlang. Darauf wandte sich der Unhold zu Beowulf, aber des Helden Hand umklammerte dessen ausgestreckten Arm, wie die Zange einen Eisennagel, dass Grendel ein dumpfes Schmerzgebrüll ausstieß. Noch nie hatte er von einem Menschen im Erdenrund eine solche Kraft gespürt, als würden dreißig Männer gleichzeitig zupacken. Angst stieg in ihm auf, und er wollte davor fliehen, zurück in das dunkle Moor, doch Beowulf packte nur umso fester zu. Nun begann der entsetzliche Ringkampf, davon die ganze Halle erbebte und der Einsturz drohte. Die Schläfer erwachten, zogen ihre Schwerter, aber die Klingen prallten von der Schuppenhaut zurück wie von einem Felsen, und die Recken versuchten, sich in den Winkeln zu bergen, um von den Kämpfern nicht zertreten zu werden. Das Ungetüm erkannte die Meisterschaft des Gegners und strebte nur noch, sich von seinen kraftvollen Armen loszureißen und schleunigst zu entkommen. Es gelang ihm mit einem verzweifelten Ruck, doch sein umklammerter Arm, aus dem Schultergelenk gerissen, blieb in der Hand des Siegers. Nicht mehr der Recken, sondern des Unholds Blut bezeichnete nun den Weg nach dem Moor, den er fliehend genommen hatte.

Der Gotenheld hielt in der Rechten das schreckliche Pfand des Sieges, den blutigen Riesenarm mit der unwiderstehlichen Greifhand und ihren eisernen Krallen, die kein Schwert zerschneiden konnte. Der glühende Morgenschein umstrahlte ihn wie mit einer Glorie, und seine umstehenden Gefährten begrüßten ihn schier wie einen Gott. Er aber heftete das Zeichen seiner wunderkühnen Tat über das Portal des Saales. Darauf dankte er dem waltenden Allvater, der ihm die Kraft verliehen hatte, den grässlichen Spuk zu bezwingen, und betend knieten neben ihm die Genossen, preisend die Güte und Hilfe der göttlichen Mächte.

Als sich die Recken erhoben, sahen sie den König und seine Hofmänner versammelt, die bald auf sie, bald auf den ausgestreckten Arm Grendels blickten und begierig waren, zu vernehmen, was sich in der Nacht begeben hatte. Da wurde von dem grauenvollen Kampf berichtet. Lange staunte der greise Hrodgar (Rüdiger) über das, was er vernahm. Dann gebot er seinem Neffen Hrodulf (Rudolf), die Gaben zu bringen, die er dem siegreichen Kämpfer verhießen hatte. Es währte nicht lange, so kehrte der tüchtige Recke an der Spitze vieler Dienstmänner mit den königlichen Geschenken zurück, nämlich ein herrliches Banner aus goldgewirktem Stoff, das berühmte Schatz-Schwert des Königs, Schild und Rüstung aus goldenen und silbernen Ringen, einen strahlenden Helm mit einem wertvollen Karfunkel, einen reichen Goldschatz, der den toten Gesellen aufwog, und acht treffliche Rosse mit goldverziertem Zaumzeug, von denen das achte einen kostbaren und kunstvoll gefertigten Sattel trug, auf dem der Herrscher selbst in viele siegreiche Kämpfe zu reiten pflegte. „Nimm hin, kühner Held“, sprach der König, „und nutze gut, was ich dir nebst dem Dank meines Volkes freudig für deine Hilfe spende. Bleibe mein und meiner Söhne Freund, sowie ich dich in Treue meinen Kindern gleich erachte.“ Als Beowulf seinen Dank für die Geschenke ausgesprochen hatte, befahl der Herrscher, die hochgehörnte Halle zu reinigen und zum festlichen Mahl herzurichten.

Während dies geschah, trat noch Hunford hinzu. „Edler Held“, sprach er, „ich habe dich mit höhnender Rede gekränkt, weil ich deiner Heldenkraft unkundig war, mit der sich kein anderer vergleichen darf. Nun aber vergönne mir, dass ich den königlichen Gaben noch mein Schwert Hrunting hinzufüge, das Werk eines Waffenschmiedes aus uralten Zeiten, im Kampfblut gehärtet und mit eingeätzten Schlangen verziert. Es wird dir im Krieg niemals versagen, denn weder Schild noch Stahlhelm widersteht seiner Schneide.“ Die versöhnten Männer gingen in den Königssaal, wo das Mahl bereitet war.

Nachdem sich die frohen Gäste an den köstlichen Speisen gelabt hatten, begann das Gelage. Der Spielmann sang ein Heldenlied von Hnäf, dem mächtigen Scylding, Healfdenes Held, der ruhmreiche Dänenfürst, der im Lande von Finn sterben sollte. Seine Schwester Hildburg hatte er weitsichtig mit König Finn verheiratet, um Frieden zwischen beiden Völkern zu sichern. Sie gebar ihm einen Sohn, der zu einem jungen Helden heranwuchs. Doch in Finns-Herzen wuchs der Neid auf seinen ruhmreichen Schwager und damit auch der Hass. Da lud er den Dänenfürsten hinterlistig zu einer Feierlichkeit ein. Hnäf erschien mit seinem Gefolge von sechzig edlen Recken, und sie feierten in der gehörnten Halle von Finns Burg, wo sie auch übernachten wollten. Gegen Mitternacht griffen plötzlich Feinde in funkelnder Rüstung an, die Wölfe heulten, die Raben kreischten, und der Vollmond verbarg sich hinter dunklen Wolken, denn der grimmige Hass nahte sich. Kein fliegender Drachen, kein Feuerbrand vom Blitzschlag, sondern das Hass-Feuer zum Donnerklang der Speere, die auf Schilde trommelten. „Erwachet, edle Kämpfer!“, hallte der Ruf des Scyldings durch die Halle, und die sechzig Helden rüsteten sich unverzüglich zum Kampf. Sie sicherten die Tore der Halle und kämpften tapfer gegen die Angreifer, allen voran Hnäf selbst und sein treuester Geselle Hengest. Der Kampf dauerte fünf lange Tage. Finns Krieger waren bald alle besiegt, darunter auch der Sohn von Finn und Hildburg, der jugendliche Held. Doch noch größer wurde der Jammer, als auch Hildburgs Bruder im tödlichen Kampf fiel, Hnäf selbst, der ruhmreiche Dänenfürst, von Finn erschlagen, nachdem er vom langen Kampf ermüdet war, mit gespaltenem Helm, zerbrochenem Schild und zerstörter Rüstung. Finn hatte sein Ziel erreicht und erkannte wohl, dass er gegen Hengest und seine restlichen Helden nicht mehr gewinnen konnte, denn überall häuften sich die Leichen seiner eigenen Krieger, und auch seine Kraft schwand dahin. Um sich selbst und sein trauriges Häuflein zu retten, bot er einen Friedensvertrag an, der dann auch mit vielen Geschenken und feierlichen Eiden beschlossen wurde. So legte sich der schreckliche Streit, die Verwundeten wurden gepflegt und die Toten bestattet. Die Leiche von Hnäf, dem ruhmreichen Scylding, wurde auf einen mächtigen Holzstapel gebettet, geschmückt mit der blutigen Rüstung, dem Schild mit dem goldenen Eber-Wappen und seinen mächtigen Waffen. An seine rechte Seite legte Hildburg ihren toten Sohn, so dass Hnäf zusammen mit seinem jungen Neffen verbrannt wurde. Klagelieder wurden gesungen, und der Rauch des Feuers trug den unsäglichen Jammer Hildburgs über ihren getöteten Sohn und Bruder hinauf in den Himmel. Beide Völker verloren die besten Blüten ihrer Kraft.

Ein trauriger Herbst ging zur Neige, die eisige Winterzeit brach an. Hengest verweilte den grimmigen Winter über in Finns Burg, das Schiff war im Meer eingefroren, seine Gedanken strebten nach der Heimat, doch im Inneren hielt ihn die Rache zurück. Als die eisige Winterzeit zu Ende ging, wurde ihm sein mächtiges Schwert Hunlafing bewusst. Er zog es auf der Scheide, erinnerte sich an den tödlichen Hinterhalt, hörte die Anklage der Toten, und das Schicksal holte König Finn in seiner eigenen Burg ein. Die Macht des Schwertes traf ihn unwiderstehlich, und die gehörnte Halle färbte sich rot vom feindlichen Blut. Finn fiel, Hildburg wurde auf das Schiff gebracht, und dazu der Goldschatz mit den Edelsteinen, der in Finns Burg zu finden war. Und so kehrte er mit der edlen Frau in seine Heimat zurück.

Danach besang der Spielmann im Heldenlied, wie Beowulf den Moorunhold ohne Waffen bezwungen, wie er schlimmere Feinde, den Hass und die Rache, gebändigt hatte, die bisher die Brudervölker zu blutigen Fehden entflammt hätten. „Du bist der Friedensbringer“, schloss der Sänger, „von dem einst die Wala den Vätern verkündigte.“ Die Königin Wealhtheow aber füllte die Hörner mit schäumendem Met. Sie kam auch zu Beowulf, reichte ihm einen vollen Becher von lauterem Gold und hieß ihn denselben zum Gedächtnis der Geberin behalten, desgleichen zwei goldene Armreifen, Ringe und einen glänzenden Halsschmuck, so unwiderstehlich schön wie der Brising-Schatz (von Freya, der Liebesgöttin), um den schon mancher Kampf geführt wurde. „Trage diese Kleinodien uns zu Lieb und Ehren, dir aber zum Heil und Sieg in allen Kämpfen eines langen Lebens.“ Damit schied die hohe Frau von dem tüchtigen Helden, nachdem er ihr seinen Dank für ihre Güte ausgesprochen hatte. Nun kreiste die fröhliche Rede, und die Hörner wurden fleißig geleert, bis der Abend zur Ruhe einlud. Eine Anzahl von Gästen begehrte Herberge in der Halle, da man den einarmigen Grendel nicht mehr fürchtete.

Während nun der Herrscher mit seinen Verwandten und Fürsten und dem kühnen Beowulf nach der Burg schritt, wurden Betten und Polster im Saal ausgebreitet, damit die zurückbleibenden Recken gut Gemach haben möchten. — Es kam indessen anders, als man hoffte.

Die Meerwölfin

Aus dem Abgrund des Meeres erhob sich ein Wogenschwall himmelan, und daraus trat ein riesenhaftes Weib hervor, grau von Angesicht und Gewand, wie die sturmbewegte Flut. Ihre Augen glühten wie lodernde Brände, ihr borstiges Haar starrte wie Stacheln des Igels nach allen Seiten, ihre langen knochigen Arme reckten sich aus, als wolle sie einen Raub fassen. Sie winkte, und da schwamm ein Wal herbei, der sie auf seinen Rücken nahm und nach der Küste trug. Sie schritt an dem Moorsumpf vorüber nach der Königshalle und schlich leise in den Saal. Mordgierig fasste sie einen der Schläfer und zerriss und zerstückelte seine Glieder. Sein Jammergeschrei weckte die übrigen Recken, die glaubten, es sei der Moorunhold, und sich zu verbergen suchten. Als sie aber erkannten, dass es ein Weib war, schämten sie sich ihrer Furcht und schwangen die Schwerter. Hageldicht fielen die Streiche, aber die Unholdin blieb unverletzt, durch Zauber geschützt. Sie blickte grimmig umher, doch machten ihr die von allen Seiten blitzenden Klingen Furcht. Mit ihren langen Fangarmen ergriff sie noch einen Kämpfer mitten aus der Menge, schwang ihn hoch empor, wie etwa der Angler einen zappelnden Fisch, und zog sich dann unter dem Geklirr der Schwerter zurück, indem sie noch Grendels Arm als Trophäe mit sich nahm. Die Recken, die nicht zu folgen wagten, hörten nur noch das Stöhnen ihres Heergesellen und das Schmatzen des Weibes, die sein Blut schlürfte.

Groß war am Morgen die Wehklage des Volkes und seines Herrschers, als man von dem neuen Frevel hörte und erkannte, dass ein anderes Ungetüm nicht nur die gehörnte Halle, sondern auch Burgen und Höfe bedrohe. Harmvoll gedachte Hrodgar seines treuen Dienstmannes Äschere, den die Unholdin erwürgt und fortgeschleppt hatte. Es war der beste seiner Berater, der Runenkenner, der in jedem Kampf an seiner Seite war, wenn es ums Leben ging, und die schicksalhaften Zeichen deuten konnte. Da sprach Beowulf: „Das tat Grendels Mutter, die nicht ablassen wird, Rache zu üben, solange sie lebt. So will ich sie aufsuchen in ihrer Behausung, sei es auch im Abgrund des Meeres, und den Kampf mit ihr versuchen. Geschieht es, dass ich das Leben lasse, dann sei du die Stütze meines Stammes. Sende die Schätze, die mir deine und der Königin Güte verliehen hat, an meinen Lehnsherrn und Oheim Hygelak, der Goten Herrscher, dass er sich daran erfreue, wenn er meines Dienstes entbehren muss.“ So sprach der Held und machte sich mit seinen gotischen Heergesellen auf, die Spur der Meerwölfin zu verfolgen.

Riesige Fußstapfen und Blut bezeichneten den Weg, den sie genommen hatte. Er führte längs dem Moorsumpf hin, dann über steile Felsen und schroffe Abhänge nach dem dunklen Bergwald, wo die Wölfe hausten, und weiter, bis sich die windzerzausten Bäume auf jähem Vorgebirge über die salzige Meeresflut neigten. Unten brauste die schäumende Brandung über Klippen und schlug donnernd an die Steinwände. Grausige Ungeheuer wanden sich durch die wilde Strömung, und etliche dieser Wundertiere sperrten die Rachen nach den Wanderern auf, als wollten sie dieselben verschlingen. Hier verlor sich die Spur, aber das auf einer Klippenspitze hängende Haupt Äscheres verriet, dass die Unholdin hierher ihren Weg genommen hatte. Der kühne Held, entschlossen, sie in ihrem eigenen Element aufzusuchen, nahm Abschied von den Freunden, die ihn vergebens von dem verzweifelten Unternehmen abmahnten. „Harret meiner zwei Tage und Nächte. Kehre ich dann nicht zurück, so bin ich sieglos und eine Beute der Meerwölfin. Aber das steht bei den Göttern, denen ich vertraue.“ So sprach der Held, riss sich von den weinenden Freunden los und stürzte, gehüllt in seine gute Rüstung und mit Hunfords Schwert bewehrt, in die tobende Flut.

Er schwamm weit hinaus, bis er unter sich in der Tiefe einen Lichtschein wahrnahm. „Hier“, dachte er, „ist ihre Wohnung. Mögen die Himmlischen meiner walten!“ Er tauchte unter und schwamm lange hinunter in den Abgrund. Wohl schnappte manches Ungeheuer mit gierigem Rachen nach dem kühnen Schwimmer, aber ihn schützte die unzerstörbare Rüstung und der Helm mit dem Karfunkel. Plötzlich aber fühlte er sich wie von schrecklichen Krallen gefasst und mit unwiderstehlicher Gewalt fortgerissen.

Die Meerwölfin schleppte ihn in eine dunkle Höhle, von der das Wasser ringsherum wie von dicken Mauern gebannt wurde. Sobald er Boden unter sich fand, richtete er sich auf und sah im Licht des Karfunkels das Riesenweib vor sich stehen. Sie hatte ihn mit ihren langen Fangarmen in den Abgrund gezogen und hielt ihn noch immer umklammert, nicht in Liebesumarmung, sondern willens, ihn niederzuwerfen. Er rang sich los und führte einen gewaltigen Streich nach ihrem Haupt, aber das Schwert Hrunting versagte, es biss nicht in die steinharte Hornhaut der Meerwölfin. Schon hatte sie ihn wieder mit ihren Armen umfasst, und er rang mit ihr, die unnütze Waffe wegwerfend, in entsetzlichem Kampf auf Tod und Leben. Die Wände zitterten, die Gewässer drohten hereinzubrechen. Beide Ringer stürzten zu Boden, doch brachte ihn die Riesin unter sich, drückte ihn nieder mit schwerer Last und zückte ein scharfes Messer, um es ihm ins Herz zu stoßen. Aber seine Rüstung verwehrte den Mordstahl und beschützte mit Gottes Hilfe das Leben. Beowulf arbeitete sich wieder empor und erblickte, als das Weib einen Augenblick zögerte, ein mächtiges Riesenschwert, das kein anderer Mann gebrauchen konnte. Diese Waffe ergriff und schwang der kraftvolle Kämpfer, und die blanke Klinge drang durch die Hornhaut und schlug der Wölfin das Haupt ab, dass sie alsbald regungslos niederfiel. Beowulf atmete tief, denn er fühlte sich von dem langen Kampf erschöpft, doch des Sieges froh, erholte er sich bald und sah sich in der Halle um. Sein Karfunkel leuchtete hell wie die Sonne unter dem Himmel. Da lag tot der einarmige Grendel, ausgestreckt auf einem Lager von Meerschilf. Weiter waren viele Schätze angehäuft, darunter goldglänzende Kleinodien und schimmernde Edelsteine, die wohl jenen Lichtschein verbreiteten, der ihm den Weg gezeigt hatte. Der Held verschmähte die Schätze, doch hieb mit dem Riesenschwert auch dem Moorunhold das ungeheure Haupt ab, um es als Zeichen seines Sieges mit sich aus dem unheimlichen Wasserreich zu führen. Er sah aber nicht ohne Staunen, wie das Blut des Ungetüms wieder hervorquoll, sich mit dem seiner Mutter vermischte und wie ein Bach aus der Höhle ins weite Meer floss. Zugleich verschwand der Riesenleib der Meerwölfin mit ihrer dunklen Höhle im Wasser. Auch die Klinge des Riesenschwertes schmolz vom giftigen Blut dahin und schwand, wie das Eis in der Wärme. Der Held behielt nur den goldenen Griff in der Hand. Dieser sowie Grendels Haupt waren die einzige Beute, die er auf dem Rückweg nach oben zu bewahren wusste.

Als die Goten an der klippenvollen Küste die Gewässer rot aufsteigen sahen, gerieten sie in große Sorge, denn sie wähnten ihren heldenkühnen Führer tot, und sein Blut sei es, welches die Fluten röte. Groß war daher ihre Freude, als sie den trefflichen Schwimmer erblickten, der das Wasser zerteilend, durch die Brandung sich Bahn zum Strand schaffte. Sie umarmten den lieben Freund und lauschten seiner Rede, wie er von den bestandenen Kämpfen berichtete. Der Abend war angebrochen, ein stiller, friedlicher Abend nach den Stürmen des Tages. Kein Lüftchen regte sich, selbst die wogende See ruhte jetzt, als sei auch sie in Schlummer versenkt. Die Männer trugen das schwere Haupt Grendels auf einer Speerstange und schritten auf bekannten Pfaden nach der Königshalle, die endlich von den Schrecknissen befreit war. Sie fanden dieselbe einsam und verlassen, aber Lagerstätten und Polster bereit, auf denen sie sich der gemächlichen Ruhe erfreuten.

Am Morgen traten die Goten aus der Halle heraus und zeigten dem herzuströmenden Volk das Haupt Grendels, das sie für alle sichtbar dort angebracht hatten, wo zuvor der Krallenarm Grendels hing. Nachdem der greise Herrscher in seiner Königsburg die Kunde von den Taten Beowulfs vernommen hatte, kam auch er in die Halle, bestaunte das Haupt Grendels, begrüßte und umarmte Beowulf und empfing von ihm den goldenen Griff. Sinnend beschaute der König das alte Erbstück, auf dem die Bilder des großen Kampfes eingraviert waren, wie alles begann und wie schließlich die Giganten von der Meeresflut verschlungen wurden, die übermütigen Gesellen, die sich vom Allvater entfremdet hatten und ihren Lohn empfingen, vom waltenden Gott in des Wassers Tiefe. Auch war auf dem strahlenden Gold mit Runen die Kunde verzeichnet, für wen diese mächtige Waffe ursprünglich geschaffen wurde, mit verschlungenen Drachenbildern dargestellt.

Als alle schwiegen, sprach König Hrodgar, der Erbe von Healfdene: „Heil dir, mächtiger Held! Als König, der Gesetz und Recht im Volk beschützt, und erfahrener Greis kann ich sagen: Es wurde nie ein größerer Held als Beowulf geboren! Dein Ruhm wird sich weit unter allen Völkern verbreiten. Möge deine Kraft und Weisheit niemals schwinden! Bleibe mir treu, wie ich dir treu bleibe. Sei immerfort ein Trost und Helfer deiner Getreuen. Du wirst niemals jenen gleichen, die von unstillbarer Begierde fortgerissen, durch Frevel Schätze ansammeln, die sie schließlich, wenn sie das unvermeidliche Schicksal dahinrafft, anderen Händen überlassen müssen. Du aber wirst die Güter, welche ich dir als gerechten Lohn für deine Taten verliehen habe und denen ich noch weitere hinzufüge, mit Weisheit gebrauchen, dass sie dir und deinem Volk Heil bringen.“ - „Groß ist deine Huld, erhabener Herrscher“, antwortete der Held, „was ich tat, geschah nicht um des vergänglichen Goldes willen, sondern um dich und dein Volk vom frevelhaften Ungetüm zu erlösen, damit ihr auch künftig ruhmreich bleibt. Deiner Geschenke aber soll sich mein Volk erfreuen, und falls du selbst oder dein Sohn in Kriegsnot geraten solltest, und die Götter mir die Kraft erhalten haben, dann werde ich euch mit meinen Mannen ein treuer Helfer sein. Dieser Bund sei aufgerichtet zwischen mir und dir und bestehe fest wie der Grund unserer Allmutter Erde.“ So sprachen die Männer und schritten zum festlichen Mahl. An der reichen Tafel saß unter den Helden auch Hunford. Beowulf gab ihm das Schwert Hrunting zurück und bedankte sich, dass er ihm diese mächtige Waffe geliehen hatte, und nannte die scharfe Klinge einen nützlichen Helfer im Getümmel des Kampfes, doch gegen Grendels Mutter blieb sie unwirksam. Hunford nickte nachdenklich, nahm das Schwert schweigend an und erhob den goldenen Becher auf den Ruhm Beowulfs. Am Abend begaben sich die Goten und der königliche Wirt mit seinen Fürsten furchtlos zur Ruhe in der gesicherten Halle, und kein Schrecknis störte ihren Schlaf.

Noch blieben die Gäste etliche Tage bei Hrodgar, dann rüsteten sie ihr Schiff und steuerten frohen Mutes der fernen Heimat zu. Der Kiel durchschnitt die Salzflut ohne Hindernis, günstiger Fahrtwind schwellte die Segel, und nach wenigen Tagen erblickten die Recken das Land der Väter. Der Strandwächter erkannte von ferne das Schiff und meldete dem König die Rückkehr der Helden. Als die Schätze ausgeladen waren, ließ Beowulf die acht goldgeschirrten Rosse sowie die empfangenen Schilde und Rüstungen samt dem kostbaren Halsschmuck, den ihm die Königin Wealhtheow gespendet hatte, nach der Königsburg bringen. Daselbst begrüßte Hygelak den edlen Neffen. Er vernahm mit Verwunderung die Geschichte von den Kämpfen mit den Unholden und pries die Götter, die solchen Mut und solche Kraft einem Sprößling des königlichen Hauses verliehen hatten. Beim Festmahl reichte Hygd, die Ehefrau von Hygelak und junge Königin, dem Besieger Grendels den schäumenden Goldpokal. So weitherzig sollte eine Herrscherin sein, und niemals neidig auf einen Helden, der tapferer als ihr Ehemann erscheint, um ihn mit tödlichen Blicken im Hass zu vernichten. Da spendete er der guten Königin den funkelnden Halsschmuck und dem guten König Schilde, Rüstung und Rosse, dergleichen im Land der Goten nicht zu finden waren. Wohl erfreute sich Hygelak der Geschenke, doch noch mehr des Ruhmes, den Beowulf erworben hatte, der als Jüngling im Schatten der Könige aufgewachsen war und öfters als Feigling und träger Tölpel getadelt wurde. Nun belieh er ihn mit Burgen und Dienstmannen, mit fürstlichen Würden und Ehren und übergab ihm das Königsschwert, womit er selbst einst den streitbaren Ongentheow gefällt hatte.

Der Königsweg

Manches Jahr floß friedlich im Strom der Zeit dahin. Der Bauer streute harmlos seine Saaten und erntete die nährende Frucht ohne Furcht vor feindlichem Überfall. Die Fürsten und Burgmannen pflegten das Weidwerk oder zogen in ferne Länder, wo Kampf und Abenteuer die Schwerter nicht in der Scheide rosten ließen.

Da geschah es, dass wieder schwedische Raubfahrer verwüstend einbrachen und Burgen und Höfe niederbrannten. Sie standen jetzt unter der Herrschaft von Ohthere, dem Sohn von Ongentheow, und auf schnellen Drachenschiffen entrannen sie der Züchtigung, die König Hygelak ihnen zugedacht hatte. Da beschloß der ergrimmte Herrscher, mit so vielen Schiffen und Mannschaft, wie gerade in Bereitschaft waren, in das Land der Schweden einzufallen, um für die Raubtaten Rache zu nehmen. Beowulf riet, die Fahrt aufzuschieben, bis man besser gerüstet sei, aber Hygelak, des Rates nicht achtend, gebot den Aufbruch. Die Landung an der feindlichen Küste geschah ohne Widerstand, und manche Burg wurde mit stürmender Hand genommen, mancher Hof und Weiler verheert. Aber die Schweden waren streitbare Leute, die im Kampf geübt waren, und jetzt galt es, ihre Heimat zu verteidigen. Da säumten sie nicht, sich zu rüsten. Ihr gesamter Heerbann trat unter die Waffen und rückte dem Feind entgegen. Es folgte eine mörderische Schlacht. Wohl kämpften die Goten mit unverzagtem Mut, wohl stand Hygelak mit seinen Getreuen unerschütterlich im Sturm der Speere und Schwerter und fällte die Feinde zur Rechten und Linken, aber die Schweden drangen todesmutig immer kühner vor. Endlich sank der König der Goten, von einer Schleuderwaffe getroffen. Sein Volk floh nach den Schiffen, nur Beowulf mit den Edelsten des Heeres hielt stand, entriss, obgleich aus tödlicher Wunde blutend, den Leib seines Herrn den feindlichen Händen und deckte den Rückzug nach den Schiffen. So kehrten die Goten, ihres Königs und vieler tapferer Männer beraubt, in ihr Vaterland zurück.

Die edle Königin Hygd, in tiefer Trauer um den erschlagenen Gatten, wusste dem verwaisten Volk keinen Rat. Erst als die Zeit ihr Leid milderte, gedachte sie ihrer Pflicht als Königin und Mutter. Unterdessen war das ganze Land in Aufruhr geraten, die Landherren befehdeten sich und übten ungestraft Frevel. Da entbot die königliche Witwe die Edelsten des Volkes zu sich und sprach in der Versammlung von dem üblen Zustand des Landes und wie ihr unmündiger Sohn Heardred nicht imstande sei, die eigenwilligen Landherren zu bändigen und auswärtigen Feinden zu wehren, wie dazu nur ein Mann im Reich die Kraft habe, und der sei kein anderer als der ruhmvolle Beowulf. Ein allgemeiner Jubelruf „Beowulf, König der Goten!“ folgte ihrer Rede. Der berufene Held trat vor die Versammelten und sprach: „Gotische Männer! Wähnt ihr, ich werde den Sohn meines Oheims und königlichen Freundes seiner Ehren und Rechte berauben? Das mögen die Götter, die Rächer allen Frevels, verhüten!“ Dann hob er den jungen Heardred auf seinen Schild und fuhr fort: „Hier ist unser König, und ich stehe ihm mit Rat und Schwert zur Seite, bis er mündig und selbst des Rates und Schwertes mächtig ist.“ So sprach der herrliche Held, und niemand wagte Widerspruch. Er aber tat nach seinen Worten. Im Namen seines Schützlings zwang er die gewalttätigen Landherren zum Gehorsam, feindselige Raubfahrer schlug er zu Wasser und zu Land mit der Schärfe des Schwertes und brachte dem Land die Segnungen des Friedens wieder. Unter seiner Leitung und unter der mütterlichen Pflege erwuchs der junge Heardred zum kräftigen Mann, der wohl befähigt war, mit Umsicht und fester Hand seines Volkes zu walten. Auch blieb ihm mit Rat und Tat der getreue Beowulf zur Seite. Offen und ohne Falsch, wie sein Führer, vertraute der König den Menschen, auch Fremdlingen, die er willig in seine gastliche Halle aufnahm.

Einstmals kamen Eanmund und Eadgils, die Söhne Ohtheres, des Herrschers der Schweden, als Flüchtlinge zu ihm. Sie hatten sich im Übermut gegen ihren greisen Vater aufgelehnt und waren deshalb von ihm vertrieben worden. Heardred empfing sie gütig, wie er es stets gewohnt war. Indessen mahnte er sie oftmals zur Versöhnung mit ihrem Erzeuger. Als er dies eines Tages mit ernsten Worten wiederholte, meinte Eanmund, ein heftiger und zornmütiger Mann, der Gotenkönig sei noch zu jung, um schlachtgewohnten Recken Rat zu erteilen. Heardred verwies ihm mit scharfen Worten diese Rede. Darüber erbittert, zückte der grimmige Mann das Schwert und traf seinen königlichen Gastgeber in dessen eigenem Haus zu Tode. Weohstan, der kühne Held, fällte sogleich zur Sühne für den König den Mörder. Aber Eadgils entfloh und gelangte nach dem balderfolgten Tod seines Vaters zur Herrschaft über Schweden.

Wiederum war das Gotenvolk ohne König. Das Allthing, die Versammlung der freien Männer, trat zusammen, den König zu wählen. Da war kein Zweifel, Beowulf, durch nahe Verwandtschaft mit dem erloschenen Königshaus und durch rühmliche Taten gleich würdig, wurde zum Oberhaupt gewählt und der Held weigerte sich nicht mehr, dem Willen der freien Männer Folge zu leisten. Hoch stand er in der Versammlung, die Krone auf dem Haupt, und gelobte, ein treuer Hüter des Volkes und seiner Güter zu sein.

Als sich die Kunde vom Tod des Königs verbreitete, fielen sogleich verwegene Raubfahrer von verschiedenen Seiten in das Land, doch büßten sie mit Gut und Leben für ihre Frevel. Beowulf war überall gegenwärtig, wo die Gefahr drängte. Oft hatte er nur eine Handvoll gerüsteter Kämpfer um sich versammelt, aber sein furchtbares Schwert ersetzte die Zahl und erfocht den Sieg. Die flüchtigen Raufbolde verfolgte er mit schnellen Schiffen auf dem Meer und ruhte nicht, bis er die arge Brut vertilgt hatte. Kaum war das Land gegen diese Seewölfe sichergestellt, so fiel Eadgils als König der Schweden mit großer Heeresmacht in das gotische Reich ein. Er wollte den Tod seines Bruders rächen, fand aber den Gegner wohlgerüstet. An der Spitze des Heerbannes begegnete ihm Beowulf. Die Schlacht war mörderisch, denn beide Völker kämpften unverzagt um Siegesruhm. Jedoch bestanden die Schweden nicht vor dem gewaltigen Helden der Goten: Die Blüte ihrer kühnen Recken und ihr König selbst fielen unter seinen Streichen, und nur schwache Trümmer ihrer Macht erreichten wieder den heimischen Boden, wohin sie die Nachricht von dem unwiderstehlichen König der Feinde trugen. Die Folge dieser Siege war ein dauernder Frieden, der nur selten durch kleine Fehden und Raubzüge gestört wurde. Da die räuberischen Eindringlinge stets schwere Züchtigung von der Hand des Helden erlitten, so wagten sie bald nicht mehr, das Land der Goten zu betreten.

Beowulf waltete nun seines Hüteramtes mit Weisheit und Gerechtigkeit. Kein Hilfeflehender ging ungetröstet von ihm, kein ungerechter Machthaber blieb ungestraft. So herrschte er im Frieden über ein glückliches Volk, das unter seinem Schutz fröhlich die Früchte seines Fleißes erntete. Wo er sich zeigte, begrüßte ihn die Menge jubelnd, und die Edlen neigten ehrfurchtsvoll die behelmten Häupter vor ihrem Schirmherrn. Wohl vierzig oder mehr Jahre währte diese gesegnete Zeit.

Der Drachenkampf

Der Held saß noch als Greis in voller Kraft auf dem Thron der Goten, da erfuhr auch Beowulf, dass kein menschliches Glück von Dauer sei. Es brach nämlich ein Feind ein, gegen den Waffen und Heere vergeblich schienen. Dies geschah so: Ein ungetreuer Knecht, der aus Furcht vor verdienter Züchtigung seinem Herrn entlaufen war, kam in eine wüste Felsengegend und erblickte dort eine schauerliche Höhle, in welcher ein ungeheurer Drache schlafend ausgestreckt lag. Aus der Tiefe des unheimlichen Schlundes leuchteten unermessliche Schätze von Gold, Silber und Edelgestein. Mit lüsternen Blicken betrachtete der Mann den Hort, indem er dachte, wenn er nur ein Stück von den Kostbarkeiten habe, dann werde er damit nicht nur die Gunst seines Herrn, sondern auch Befreiung von Leibeigenschaft erkaufen. Diese Erwägung überwand seine Furcht vor dem Untier. Er schlich leise in die Höhle und raubte eine goldene Met-Kanne, deren Deckel ein strahlender Karfunkel zierte. Er entkam damit glücklich und erlangte von seinem Herrn Gunst und Lösung. Aber keiner ahnte, welchen Schrecken sie dadurch über das Land brachten.

Der Drache, der Jahrhunderte hindurch über seinem Goldschatz geruht hatte, den gierige Krieger gehortet und in ihr dunkles Grab mitgenommen hatten, erwachte und witterte den Raub. Er fuhr, nach Rache begierig, des Nachts aus der finsteren Tiefe hervor, suchte witternd die Spur des Räubers, und als er sie nicht fand, brüllte er, dass die Erde bebte, und aus seinem Rachen strömten lodernde Flammen, davon ringsherum Felder und Höfe in Brand gerieten. Die Menschen, welche zu löschen versuchten, wurden seine Beute. Er zermalmte sie oder schleppte sie mit sich in die Höhle, bis der Morgen seinen Verwüstungen ein Ziel setzte. So tat er allnächtlich, und sogar die Burgen der Landherren und des Königs wurden ein Raub der Flammen. Das ganze Land schien dem Verderben verfallen. Wohl versuchten kühne Helden einzeln und in Menge, den Unhold zu bekämpfen, aber gegen den Feueratem halfen weder Schild noch Harnisch, alle fielen als Opfer ihres Mutes.

Der greise König hörte mit Schmerz den Jammerruf seines Volkes, und in seiner Seele reifte der Entschluss, selbst den Kampf mit dem Unhold zu versuchen. „Es ist für mein Volk, für den edlen Stamm der Goten“, sprach er, „da werden mir die Himmlischen hilfreich zur Seite stehen. Wehe dem Herrscher, der nicht, sei es auch mit Hingebung des vergänglichen Lebens, seines Hüteramtes in Treue waltet! Noch fühle ich Kraft in mir, wie in den Tagen der Jugend, als ich Grendel besiegte.“ So sprach der Held zu denen, welche ihm vom Kampf abraten wollten. Er verfuhr jedoch nicht unbedacht, sondern traf die zweckdienlichsten Vorkehrungen. Er ließ einen Schild von dreifachem Metall schmieden, groß genug, dass er den ganzen Mann deckte. Er legte Wielands Rüstung an und wählte zu Begleitern acht der kühnsten Recken, unter ihnen den unverzagten Weohstan, der einst Heardred gerächt hatte. Mit ihnen trat er den Gang nach der Drachenhöhle an. Auf dem Weg sprach er manches von den Taten seiner Jugendzeit und freute sich, dass er nun als Greis beim Abschluss seines Lebens zu einer großen Heldentat berufen sei. So kamen die Männer in die Nähe der Höhle, wo man das Schnaufen des Untiers hörte und die Glut seines Atems erblickte. Ringsum starrte wildes Gestein empor, aber aus der Höhle rauschte ein Bach, dessen Wasser vom Drachen-Feuer kochend heiß war.

Beowulf hieß seine Gesellen in einiger Entfernung harren und sprach: „Lasst mich diesen Kampf am Ziel meines Lebens ganz allein gewinnen. Ihr sollt sehen, wer von uns die tödlichen Wunden besser ertragen kann. Es ist nicht euer Abenteuer, noch liegt es in der Macht von anderen Menschen, außer in meiner eigenen. Ich muss durch meinen Mut das Gold gewinnen, sonst wird der tödliche Kampf euren König dahinraffen.“ Darauf schritt er zur Höhle und rief das Ungeheuer an. Mächtig, wie sonst in der Schlacht, tönte sein Ruf, vom Echo vielfach wiederholt. Der Drache, der im gewundenen Ring lag, streckte sich aus, als er die Menschenstimme hörte, und schoss gierig auf den Helden los. Dieser rettete sich vor dem vernichtenden Feueratem hinter seinem eisernen Schild und traf ihn dann mit schmetterndem Schlag mitten auf den Kopf. Aber die scharfe Schwertschneide von Nägling biss nicht ein, und so entbrannte ein entsetzlicher Kampf.

Die Streiter waren in Flammen und Rauch gehüllt, von dem Brüllen und Heulen des Drachen bebten die Felsen, während die Schwertschläge gleich den Schlägen eines Riesenhammers unaufhörlich krachten, als sollte das wilde Gestein zersprengt werden. Ein Luftzug trieb Flammen und Rauch seitwärts, so dass die Gesellen Beowulfs erkennen konnten, was vorging. Sie sahen, wie der Drache, sich aufbäumend mit klafterweit gähnendem Rachen auf den König niederschoss. Diesen Anblick ertrugen die Männer nicht, sieben von ihnen entwichen und suchten sich im Wald zu verstecken, um ihr Leben zu retten. Aber der achte, der kühne Weohstan, stürmte mit gezückter Waffe seinem bedrängten Herrn zu Hilfe. Sein Schild aus Lindenholz verbrannte, und er musste hinter dem eisernen des königlichen Kämpfers Schutz suchen.

Beide Helden schienen dem Unhold verfallen, denn er riss den Eisenschild herab und fasste den König mit den Zähnen, dass die Ringe des Halsbergs, obgleich von Wieland gefertigt, wie tönerne Scherben zerbrachen. In diesem Augenblick stürzte Weohstan hervor und stieß dem Untier die scharfe Klinge unter der Kinnlade tief in die Weiche des Halses, dass zwar seine Hand dabei verbrannte, aber der heiße Feuerschwall erlosch. Der Drache bäumte sich hoch auf und umschlang beide Kämpfer mit seinem Schweif. Wie er aber herabstürzend den Rachen aufriss, bohrte ihm Beowulf die Schwertspitze in den blutroten Schlund, dass sie auf der anderen Seite hervordrang. Die Sieger säumten nicht, mit Stößen und Hieben den grauenhaften Unhold vollends niederzustrecken. Dann ruhten sie, kampfmüde, von Gluthitze und Qualm fast erstickt, auf einer Felsplatte.

Als sich die kühnen Männer erholt hatten und die Rüstungen lösten, sah Weohstan, wie unter dem zermalmten Halsberg seines Herrn Blutstropfen hervorquollen. Er wollte die kleine Ritze verbinden, aber Beowulf wehrte ihm. „Es ist vergeblich, guter Geselle“, sagte er, „die Wunde hat mir der Zahn des Drachen geschlagen. Schon fühle ich, wie das Gift in meine Adern gedrungen ist. Ich werde hier mein Leben lassen müssen. Aber ich gehe getrost zu meinen Ahnen, als der Letzte meines Stammes, da mir keine Gattin einen Sohn und Erben geschenkt hat. Ich kann auf die vergangene Zeit frohen Mutes zurückblicken: Keine Meintat, keine Ungerechtigkeit steht gegen mich auf. Ich habe Gerechtigkeit geübt, und durch Wohltat die langwierige Feindschaft mit den Scyldingen beendet. Ich habe mir ihren Dank erworben und sie zu Freunden gewonnen. Und nun habe ich um den Preis meines Lebens unser Volk von dem grimmigsten Feind errettet. Darum wird mein Andenken in Ehren bleiben. Du aber, treuer Weohstan, mein einziger Blutsfreund, gehe hin und verschaffe mir einen Trunk aus dem reinen Quell, der drüben am Berg rinnt, dass ich meine Zunge kühle. Dann hole aus dem Berg den Drachenschatz. Ich will ihn schauen, denn er ist die letzte Gabe, die ich unserem Volk erworben habe.“

Der schon ergraute Weohstan tat, was ihm sein König gebot. Er brachte den kühlenden Trunk und wusch auch die brennende Wunde. Darauf schleppte er den Schatz aus der Felshöhle, Kannen, Becher, köstliche Ringe und Spangen, alles von lauterem Gold, auch Schwerter und Rüstungen aus längst vergangener Zeit. Der sterbende Held betrachtete mit Wonne diese letzte Gabe, die er seinem Volk hinterließ. Dann sprach er zum Freund:

„Einen Hügel heiße die Helden mir erbauen,
Unfern vom Meer, sichtbar an der Brandung Felsen,
Zum Gedächtnis dem Volk das Denkmal rage,
Über der Walfischbucht hoch sich erhebe,
Dass die Seefahrer ihn schauen und sagen:
»Es ist Beowulfs Berg«, die ihre Schiffe führen
Von fern her durch die nebligen Fluten.“

Der herrliche König hatte vollendet, er ging zu seinen Ahnen. Lautlos, ohne Klage, stand Weohstan bei der teuren Leiche. War er doch selbst schon ein Greis und bereit, wenn die Himmlischen ihn beriefen, willig zu folgen, nachdem der teuerste Freund geschieden war. Noch verharrte er sinnend an der Stelle, da schlichen die verzagten Recken aus ihrem Versteck hinzu, weil sie gewahrten, dass der Streit zu Ende war. Sie wollten laute Wehklage erheben, aber Weohstan gebot ihnen Stille. Sie sollten lieber ihre Feigheit beweinen, sagte er, als ihn, der als Sieger gestorben sei. Sie sollten bis in die neunte Welt fliehen, denn im gotischen Land und soweit der Name des ruhmvollen Königs lebendig bleibt, würde man sie vertreiben, wenn man von ihrem verräterischen Wesen Kunde erhalte. Schamvoll entfernten sich die unseligen Männer. Sie verloren Habe und Land und entgingen der Strafe, nicht aber der Schmach, die ihnen bis ins Grab nachfolgte.

Ein Wehruf ging durch das ganze Land, als man vernahm, der allgeliebte Herrscher sei im Kampf mit dem Drachen gefallen. Doch erweckte ihn keine Klage aus dem Todesschlummer, und man musste nach seinem Gebot den Leichenbrand herrichten. Auf der Höhe über der Walfischbucht wurde der mächtige Holzstoß, geschmückt mit Schilden und blanken Rüstungen, aufgeschichtet. Ein goldenes Banner erhob sich über der Leiche und flatterte, vom Wind bewegt, noch lange, als schon die Flammen emporlodernd weit über Land und Meer leuchteten. Sie verkündigten dem umher versammelten Gotenvolk, dass die sterbliche Hülle des Königs nun Asche sei. Zwölf ruhmvolle Edelinge sammelten diesen teuren Überrest in einen Krug von reinem Gold und führten denselben in den aufgetürmten Hügel, den manche Träne benetzte. Darauf bestiegen die Goten ihre Rosse, umritten das Totenmal und klagten ihren Kummer. Um den König trauernd, erhoben sie ihren Hochgesang, den Helden zu preisen, wie sinnvolle Sitte und Gesetz es fordern: Dass man den Geliebten im Lied noch ehre und im Herzen ihn hege, wenn er hingeschieden ist. So beklagten die kühnen Kämpfer des Gotenlandes ihres Königs Hingang, seine Hausgenossen, den Mann voll Milde und hohen Mutes, wenn das Schwert er schwang im Grauen der Schlacht.

Als der Gesang vollendet war, wurde der unermessliche Schatz aus der Drachenhöhle in den Hügel gebracht, denn die Goten wollten das Gold nicht behalten, das mit dem Leben ihres Herrschers erkauft war. So ruhte es wieder im Schoß der Erde, wie vordem, als es der Unhold bewachte, unnütz den Menschen, wie’s immer gewesen. So war Beowulf der größte Held, der am höchsten von allen Herrschern der Erde stand, der Freigiebigste, Wohltätigste, Ruhmreichste und Beste aller Beschützer.

Beowulf-Sage (Urtext)

Hinweis: Diese Prosa-Übersetzung der Beowulf-Sage entstand nach dem altenglischen Urtext und verschiedenen deutschen und englischen Übersetzungen, vor allem der englischen von Benjamin Slade (2002). Für Interessierte haben wird dazu eine tabellarische Übersicht erstellt und am Ende der Absätze in Klammern die jeweilige Versnummer als Link zu dieser Tabelle eingefügt.

König Scyld der Dänen

Hört ihr Menschen! Wir berichten von den Dänenhelden aus vergangenen Zeiten und von Königen, die über Völker herrschten. Hört von ihrem Ruhm, ihrem Mut, und welche Heldentaten die Edlen vollbrachten! Hört von Scyld, dem Garbensohn, der mit gewaltiger Kraft alle Feinde von den Bänken der Met-Halle vertrieb und von ihnen gefürchtet wurde. (Scyld bedeutet „Schild“. Er wurde in einem reich beladenen Boot auf den Wellen des Meeres gefunden, vermutlich auf einem königlichen Schild in ein Strohbündel gebettet, und bekam daher seinen Namen.) Als hilfloses Findelkind nahm man ihn auf und gewann den Lohn dafür: Unter dem Wolkendach wuchs er heran, an Würde und Ehre reich, zum glorreichen Herrscher über sein Volk und alle Völker, die am Rande der Wal-Wasserstraße lebten und dem edlen König Tribut zollten. Bald wurde ihm ein Sprössling geboren, ein holder Jüngling, von Gott dem Land zum Trost gesandt, denn das Leid erbarmte ihn, das die Dänen so lange ohne einen starken König erduldet hatten. Dem Erben Scylds verlieh der lichtvolle Lebensspender blühenden Segen auf Erden, und der Ruhm von Beowulf verbreitete sich weit in den nördlichen Ländern. (Der Erbe von Scyld trägt den gleichen Namen wie der Held dieser Geschichte, und ist wohl auch vom gleichen Wesen, aber sie wurden in unterschiedlichen Stämmen geboren.) So wie er sollte sich ein Jüngling durch gute Taten und Freigebigkeit im Haus seines Vaters Ruhm verdienen, so dass ihm als Mann standhafte Gefährten willig dienen und auch folgen, wenn Krieg und Kampf drohen. Auf diese Weise kann der Edle durch Wohltat unter seinem Volk überall gedeihen. (25)

Auch für Scyld kam die Zeit, obwohl er noch unvermindert an Kraft war, in Gottes Hut einzugehen. Wie es der Held geboten hatte, als er der Rede noch mächtig war, trugen ihn die Getreuen zur Meeresbrandung, den toten Herrscher, der sie lange beschützt hatte. Dort lag im eisigen Meer das Schiff des Helden mit geschwungenem Bug segelfertig zur Fahrt bereit. Die Männer legten den geliebten König, den Spender goldener Ringe und Schätze, in den Rumpf des Bootes, gleich neben den Mast. An seine Seite wurden viele Reichtümer aus fernen Ländern, prächtige Gewänder, Geschmeide und viele andere Schätze gegeben. Nie hörte ich von einem Schiff, das so reich mit Waffen und Rüstungen, Schwertern und Schilden ausgestattet war. Die Heldenbrust schmückten strahlende Edelsteine, die mit ihm weit hinaus in das Reich der Wellen fahren sollten. So wurde er vom Volk der Dänen nicht weniger reich begabt, wie sie ihn damals als Findelkind allein in einem Boot auf den Wellen des Meeres gefunden hatten. Dann hissten sie über ihm das goldverzierte Segel wie ein goldenes Banner und übergaben das Schiff den Winden der stürmischen Flut, mit traurigen Herzen und tränenvollen Augen. Keiner der Weisen aus der Ratshalle und keiner der alterfahrenen Helden unter dem weiten Himmel konnte sagen, wohin diese Reise ging und wer diese Fracht empfing. (53)

1. Die gehörnte Hirschhalle Heorot

Nun beschützte Beowulf die Burgen der Scyldinge als geliebter König, lange Jahre und vom Dänen-Volk gefeiert, nachdem der Vater das irdische Leben verlassen hatte. Von ihm entspross der hehre Healfdene („Halb-Däne“), der kampferfahren noch hochbetagt die Scyldinge glücklich regierte. Dem mächtigen Helden und Volksgebieter wurden in Folge drei Söhne geboren, nämlich Heorogar, Hrodgar und der gute Halga (deutbar als „Speer des Kampfes“, „Speer der Ehre“ und „Heiliger“). Ich hörte auch, dass er eine Tochter namens Yrse hatte, die Onelas geliebte Königin wurde und den kriegerischen Scylfing (Schwede) im Bett umarmen sollte. (63)

Dem König Hrodgar wurde viel Glück und Ehre im Kampf beschert, so dass ihm seine Gefolgsmänner eifrig dienten und die Jugend zu einem mächtigen Heer für den König heranwuchs. Da fasste er den Wunsch, ein herrliches Hallengebäude zu erbauen, einen mächtigen Met-Saal, wie ihn die Menschenkinder schöner niemals gesehen hatten, um darin an Alt und Jung alle Gaben zu spenden, die ihm Gott verliehen hatte, bis auf die Erde und das Leben selbst (die er nicht geben konnte). Wie ich hörte, wurde dieses Werk von vielen Völkern in ganz Midgard (im „Mittelgarten“ der Menschenwelt) gefördert, um diese Halle des Volkes zu errichten. So gelang es dem König, das große Werk in kurzer Frist zu vollenden, die Beste aller Hallen. Er gab ihr den Namen Heorot („Hirsch“), und sein Wort wurde überall geachtet. Danach hielt er sein Versprechen und spendete in dieser Halle goldene Ringe und andere Reichtümer zum festlichen Mahl. (81)

Hoch über allem ragte die horngeschmückte Halle, und doch drohte das verzehrende Feuer von Neid und Hass. Nach nur kurzer Zeit wurde tödliche Feindschaft zwischen Schwiegersohn und Schwiegervater (Onela und Healfdene?) durch Neid und Hass entzündet. Denn ungeduldig ertrug der grimmige (Neid und Hass-) Dämon, der in dunkler Höhle hauste, seinen schweren Groll, als er jeden Tag in der großen Halle den frohen Jubel hörte. Voller Harmonie erklang dort die Harfe zum tiefsinnigen Gesang des Dichters. Er wusste vom Ursprung der Menschheit zu singen, wie der Allmächtige die Erde schuf, die schöne und erhabene Insel von Wasser umringt, wie der Siegreiche Sonne und Mond als Leuchten für die Landbewohner aufstellte, wie er auf dem Feld der Erde die Pflanzen sprießen ließ, so herrlich mit Blättern und Blüten geschmückt, und wie er allen Wesen, die sich regen und bewegen, den Atem des Lebens verlieh. So lebte das Volk des mächtigen Königs in Glück und Frieden, bis der Unhold aus der dunklen Höhle kam und grausame Taten verübte. Der grimmige Dämon wurde Grendel genannt, der im Grenzgebiet sein Unwesen trieb, im dunklen Moor hauste, im öden Sumpf der Erde, im Reich der gespenstischen Monster. Dort lebte der grimmige Dämon schon lange, seit ihn der Schöpfer in die Dunkelheit verbannt hatte. Damit rächte der ewige Herr an Kains Nachkommen den Brudermord an Abel (der aus Neid und Hass geschah). Diese Sünde brachte ihm kein Glück, denn seitdem jagt ihn der Herrscher aus der Gemeinschaft der Menschen. Daraus entstammen unsägliche Geschöpfe, wie Riesen, Zwerge und Geister der Unterwelt (Eoten, Elfen bzw. Alben und Orken), sowie mächtige Dämonen, die schon so lange Zeit gegen Gott kämpfen und dafür ihren Lohn von ihm empfangen. (114)

2. Grendels Angriff

Nun machte er sich um Mitternacht auf, die hohe Halle der Dänen heimzusuchen, wo sie nach dem Biertrunk gebettet ruhten. Im Inneren fand er die Schar der edlen Helden, vom Festmahl gesättigt und in tiefen Schlaf versunken. Kein Leiden bedrückte sie, noch irgendeine Sorge. Doch der zerstörerische Unhold, grimmig und gierig, säumte nicht länger. Wild und grausam ergriff er dreißig Helden auf ihrem Ruhebett und eilte voller Stolz auf seine Beute davon, um den reichen Raub nach Hause in seine dunkle Höhle zu schleppen. (125)

In der Morgendämmerung des erwachenden Tages erkannten die Menschen mit Grausen Grendels tödliche Zerstörungskraft. Da erscholl nun nach dem festlichen Abendmahl ein lautes Wehklagen als Morgengesang. Der mächtige Herrscher und edle König saß traurig da, voller Kummer und hilfloser Sorge über den Verlust der guten Helden. Er sah die Spuren des Feindes, des schrecklichen Störenfrieds. Zu furchtbar war dieser Schlag, schwer zu verwinden. Doch es gab keine Ruhepause. Schon die nächste Nacht brachte noch schlimmeren Mord, denn die Gewalt von Tod und Zerstörung war Grendels vertrautes Wesen, und er kannte keine Reue. Da war es verständlich, dass sich die Helden anderswo ein Ruhebett mit mehr Sicherheit in fester Burg suchten, denn der gewaltige Hass des nächtlichen Feindes gegen alle, die in dieser Halle verweilten, war zu offensichtlich. Der Held, der dem unschlagbaren Feind entkommen konnte, weilte lieber in seiner sicheren Burg (als gemeinsam mit König Hrodgar in der Hirschhalle Met zu trinken und hohe Feste zu feiern). So siegte der Dämon über Recht und Ordnung, als einzelner gegen alle, und die hohe Halle stand lange leer, ganze zwölf Winter hindurch. (147)

Der edle Scylding, der Beschützer und Freund, litt schwer unter der Last des Kummers und der hilflosen Sorge. Traurige Lieder verbreiteten unter den Menschenkindern die schreckliche Botschaft, dass Grendel immer weiter voller Hass im Herzen gegen König Hrodgar kämpfte, mit feindlichen Gewalttaten schon viele Jahre in ständiger Fehde. Keinen der Dänen wollte er verschonen, mit keinem Frieden schließen, und das Töten nicht beenden. Kein Gold konnte als Lösegeld dienen, um das Leben zu bewahren, kein Rat wurde gefunden, und niemand konnte auf irgendeine Entschädigung vom Mörder hoffen. Wie ein dunkler Todesschatten verfolgte der unschlagbare Dämon alle Kämpfer, alte und junge. Er lauerte und brütete Unheil in der endlosen Nacht, im nebligen Moor. Die Menschen wissen leider nicht, woher solche höllischen Gespenster kommen und wohin sie wandeln. So verübte dieser Feind der Menschheit als Einzelgänger viele Grausamkeiten und brachte bedrückendes Leiden. Er lauerte in der Hirschhalle, im reichgeschmückten Saal, während der dunklen Nächte. Nur dem königlichen Thron konnte er sich nicht nähern, von dem die reichen Gaben des Schöpfers gegeben wurden, und er wollte sich auch nicht nähern. (169)

So war der edle Scylding, der König und Beschützer seines Volker, tief im Herzen bekümmert (dass er mit Grendel keinen Frieden schließen konnte). Oft saßen die Mächtigen zusammen und berieten, wie der wütende Feind am besten zu besiegen wäre. Oft gelobten sie in heiligen Tempeln mit tiefster Verehrung heilsame Opfer darzubringen. Oft baten sie den Dämonen-Vernichter in ihrer großen Not um Hilfe. Das war ihr Glaube, der Heiden Hoffnung: Der Hölle gedachten sie tief im Herzen, aber die höchste Gottheit, den Allmächtigen und Richter der Taten, sahen sie nicht. So konnten sie auch den wahren König des Himmels nicht verehren. - Ach, wie elend ist der, der durch wütenden Hass seine Seele ins lodernde Feuer stößt und keine Erlösung erhoffen kann. Und wie gesegnet, wer nach dem Todestag zur Gottheit eingeht und in der Umarmung des Allvaters Frieden findet! (188)

3. Beowulfs Dienstbereitschaft

So wurde der König lange vom Kummer gequält, Healfdenes Sohn, denn keinem Helden gelang es, dem Unheil zu wehren. Zu schwer war die Not, zu mächtig das Leid, das sein Volk bedrückte, durch des Dämonen Verfolgung in nächtlicher Plage. Da hörte in seiner Heimat, im Lande der Goten, auch Beowulf, der treffliche Dienstmann von König Hygelak, die traurige Botschaft von Grendels Treiben. Er war damals einer der stärksten und kräftigsten unter den Menschen, ein mächtiger Edeling. Sogleich ließ er ein wellentüchtiges Segelschiff rüsten und sprach: „Mich treibt es, dem Weg der Schwäne (intuitiver schicksalhafter Ahnung) zu folgen und dem mächtigen Herrscher zu helfen, denn er braucht einen Helden.“ Nur wenig Widerstand begegnete ihm von den weisen Gefolgsleuten seines Königs, die ihn zwar liebten und nicht verlieren wollten, aber auch die Vorzeichen des Erfolges sahen, so dass sie schließlich zur Fahrt rieten. Dazu wählte er sich vom Volk der Goten die kühnsten Männer aus, die er finden konnte, und begab sich als seekundiger Held mit vierzehn Recken zum hölzernen Schiff am Ufer des Meeres, an der Grenze seines Landes. Schon bald schaukelte es auf den Wellen vor der steilen Küste, und die Kämpfer gingen wohlgerüstet an Board, wo das Meer brandend gegen den Sand kämpfte. Nachdem die blitzenden Waffen, Rüstungen und sonstiges Gepäck im Bauch des Schiffes verstaut waren, stießen die Männer ab, zur erwünschten Reise in einem wohlgerüsteten Fahrzeug. Schnell flog das Schiff wie ein Vogel durch die schaumgekrönten Wellen, vom Wind getrieben, so dass die Seemänner auf dem geschwungenen Bug schon am nächsten Tag fernes Land erblickten, leuchtende Klippen, hoch aufragende Felsen, vom Meer umwallt. Das Ziel der Reise war erreicht. Bald betraten die gotischen Helden das sandige Ufer und vertäuten das Schiff. Ihre Rüstungen klirrten, dieser kämpferische Schutz der Recken, und sie dankten Gott für die erfolgreiche Fahrt auf ruhiger See. (228)

Auf hohem Wall stand der Wächter der dänischen Scyldinge, der die klippenreiche Küste bewachte, und sah, wie man glänzende Schilde vom Schiff trug, mächtiges Rüstzeug und Waffen. Neugierig fragte er sich im Herzen, wer diese Helden waren. So ritt der Dienstmann von König Hrodgar auf seinem Streitross zum Strand hinunter. Drohend schwang er in starker Faust den Speer und fragte mit gewichtiger Stimme: „Wer seid ihr, gerüstete Recken mit blinkenden Waffen, die auf stolzem Schiff entlang der Wasserstraße über das Meer unser Ufer erreicht haben? Schon lange diene ich hier als Küstenwächter, damit uns keine Feinde auf Schiffen überraschen, die dem Dänen-Reich schaden wollen. Doch so offensichtlich habe ich hier noch keine Krieger mit Schilden aus Lindenholz landen sehen, als hätten euch meine Stammesgenossen als Freunde eingeladen. Ich habe auch noch nie so einen mächtigen Recken erblickt, wie er gerüstet in eurer Mitte steht. Dies ist wohl kein einfacher Dienstmann, der so würdig und edel erscheint, sofern sein Aussehen nicht lügt. Nun lasst mich eure Herkunft wissen, bevor ihr das Land der Dänen als Freunde friedlich betreten dürft. Hört meine Worte und antwortet schnell, woher ihr kommt, damit es keinen Streit gibt.“ (257)

4. Beowulfs Herkunft

Von den Fremden gab der Edelste Antwort, und als ihr Führer bot er den Reichtum der Rede an: „Wir sind eine Gruppe der Goten, König Hygelaks Herdgenossen. Mein Vater war bei den Völkern weithin als der edle Herrscher namens Ecgtheow („Diener der Schwertschneide“) bekannt. Viele Winter erlebte er, bis das Schicksal den Hochbetagten hinwegnahm. Alle Weisen im Erdenkreis erinnern sich gern an diesen Helden. So suchen auch wir den Sohn des Healfdene, deinen Brotherrn, in bester Absicht auf, diesen Beschützer des Volkes. Sei uns ein geneigter Führer! Wir wollen dem König der Dänen einen großen Dienst anbieten, was kein Geheimnis bleiben sollte. Du weißt sicherlich, ob die Geschichte wahr ist, die uns berichtet wurde, dass ein tödlicher Zerstörer im Reich der Scyldinge haust, ein heimtückischer Feind, der die dunkle Nacht arglistig zu schrecklichem Mord und Gemetzel nutzt. Ich kenne einen weitsichtigen Weg, wie der gute und weise Hrodgar diesen Dämon besiegen kann, damit die lange Not des schrecklichen Leidens ein Ende findet und die Wogen des Sorgenfeuers abkühlen. Sonst wird er die traurige Zeit des qualvollen Elends ertragen müssen, solange diese Beste aller Hallen hochaufgerichtet steht.“ (285)

Vom Ross herab antwortete der kampferfahrene Wächter: „Ein tüchtiger Schildkämpfer versteht, sowohl Worte als auch Taten mit weisem Urteil abzuwägen. So hörte ich, dass ihr Helden dem Herrn der Scyldinge wohlgesinnt seid. Daher folgt mir in Waffen und Rüstungen, ich weise euch den Weg. In der Zwischenzeit werde ich meinen Gesellen befehlen, euer Schiff am Strand treu gegen alle Feinde zu bewachen, das frischgeteerte, bis der geschwungene Holzrumpf den lieben Gast wieder über das wogende Meer zu den Goten ins heimatliche Land trägt. Denn wer edle Taten vollbringt, dem sei es gewährt, aus dem Feuer des Kampfes heil und sieggekrönt hervorzugehen.“ (300)

Nun brachen sie auf. Das tiefbauchige Schiff blieb zurück, vertäut mit starken Seilen und wohlverankert. Ebersymbole glänzten an ihren Helmen über dem Wangenschutz, aus Gold getrieben und im Feuer geläutert, wachten sie über den achtsamen Kampfgeist. So eilte der Trupp der Goten gemeinsam voran, bis sich die strahlende Halle vor ihren Augen erhob, die goldverzierte, in welcher der Herrscher thronte. Es war die Beste aller Hallen für die Erdenbewohner unter dem Himmelsdach. Fernhin leuchtete sie über viele Länder. Bald zeigte ihnen der wachsame Krieger die herrliche Versammlungshalle der großen Helden und gebot, auf geradem Weg weiterzugehen. Er selbst wandte sein Ross und sprach: „Ich muss nun zurückreiten. Möge euch der allmächtige Vater auf eurem Weg gnädig beschützen! Zum Seeufer will ich zurückkehren, um gegen räuberische Feinde Wache zu halten.“ (319)

5. Wulfgar empfängt Beowulf in der Halle

Der Weg, dem die Helden folgten, war mit bunten Steinen gepflastert. Die handgeschmiedeten Rüstungen glänzten, und hell klirrten ihre blitzenden Schwerter auf dem harten Stahl, als die Kämpfer in ihren Kampfgewändern zur Königshalle schritten. Dort lehnten die Männer ihre wehrhaften Schilde an die Hallenwand und eilten, müde von der Seefahrt, zur Bank unter dem Klang ihrer Rüstungen, diesem Kampfschmuck der Seemänner. Ihre glatten Speere aus Eschenholz mit den eisernen Spritzen stellten sie alle zusammen. So würdig waren die Seefahrer bewaffnet. (331)

Bald darauf fragte ein stolzer und wackerer Recke nach der Edlen Herkunft: „Woher bringt ihr die wehrhaften Schilde, die stahlglänzenden Rüstungen, die bergenden Helme und die vielen Speere? Ich bin Hrodgars Herold und Heerführer. Noch nie sah ich hier so viele Fremde mit so mutigen Gesichtern. Ich hoffe, dass euch edler Mut und Heldensinn hierher in Hrodgars Halle geführt hat, und keine Feindschaft.“ Darauf antwortete der kühne Führer der Goten, der wohlgerüstete, unter seinem Helm hervor: „Wir sind Tischgenossen von König Hygelak (deutbar als „Spiel des Verstandes“). Mein Name ist Beowulf („Bienen-Wolf“). Ich möchte dem Sohn des Healfdene, dem ruhmreichen König, die Absicht unserer Reise verkünden, falls es der mächtige Herrscher gewährt, dass wir den Edlen begrüßen dürfen.“ (347)

Und Wulfgar („Speer des Wolfes“), der Wendel-Fürst, dessen Mut, Tapferkeit und Klugheit weitbekannt war, sprach: „Ich werde den König der Dänen fragen, den Herrn der Scyldinge, ob der Geber der goldenen Ringe, die Bitte erfüllt. Ich werde dem edlen Herrscher eure Ankunft melden und eiligst mit der Antwort zurückkehren, die der Gütige zu geben geruht.“ Dann eilte er hin, wo Hrodgar saß, alt und ergraut inmitten der Adligen (Earls). Aufrecht stand er auf Schulterhöhe vor dem König der Dänen, denn er kannte die Sitten hier am Hofe. Und frei heraus sprach Wulfgar zum freundlichen König: „Von fernher sind Männer vom Volk der Goten über das Meer hierher gesegelt. Der Anführer der edlen Kämpfer nennt sich Beowulf mit Namen. Sie bitten, mit dir, mein König, sprechen zu dürfen. Bitte weigere dich nicht, gütiger Hrodgar, und gewähre ihnen eine Antwort. In ihrer Kampfausrüstung erscheinen sie würdig, von den Edlen geachtet zu werden, vor allem ihr mächtiger Führer, der die Helden hierhergeführt hat.“ (370)

6. Beowulfs Auftritt und Ansprache vor dem König

König Hrodgar, der Hüter der Scyldinge, sprach: „Ich kannte ihn schon, als er noch ein Jüngling war. Ecgtheow hieß sein alter Vater, dem der Gotenkönig Hredel seine einzige Tochter zur Ehefrau gab. Nun ist sein Sohn und Erbe als furchtloser Held hierhergekommen, um einen treuen Freund zu besuchen. Die Seefahrer, die den Goten vor einiger Zeit meine Dankesgeschenke brachten, berichteten mir, der berühmte Kämpfer habe die Kraft von dreißig starken Männern in seinen Händen. Ich hoffe, Gottes Güte und Gnade hat ihn zum Heil der Dänen hierher gesandt, damit er uns vom Schrecken Grendels befreie. Dafür werde ich den Mutigen mit reichen Schätzen belohnen. Nun beeile dich und lade die edle Schar in den Kreis unserer Verwandten ein. Sage ihnen, dass sie im Reich der Dänen herzlich willkommen sind.“

Darauf überbrachte Wulfgar, der Wendel-Fürst, die Botschaft aus dem Inneren (vom Thron der Halle): „Sagen lässt euch der siegberühmte König der Dänen, dass er eure edle Herkunft kennt, und er heißt die Kühngesinnten herzlich willkommen, die über die Wellen des Meeres gereist sind. Gestattet ist es euch, in Rüstung und unter Helmen König Hrodgar zu nahen. Doch lasst die Kampfschilde und hölzernen Speere hier warten, bis zum Schluss der Beredung.“ (398)

Der Mächtige erhob sich, und um ihn herum seine wackere Schar. Nur einer blieb als Hüter der Waffen zurück, wie der mächtige Führer gebot. Dann schritten die Recken unter der Führung des Herolds unter dem Dach von Heorot, der Hirschhalle, voran. Vom Helm bedeckt stand Beowulf in der Halle, die blanke Rüstung glänzte an ihm, das eiserne Kettenhemd, künstlich vom Schmied geflochten, und er sprach: „Heil dir, Hrodgar! Es grüßt dich Hygelaks Diener und Neffe, der schon als Jüngling viel Ruhm geerntet hat. Im Heimatland erreichte mich die schreckliche Botschaft von Grendels Treiben: Die Seefahrer erzählten, diese Beste der Hallen, das herrliche Gebäude, stehe nutzlos und leer für alle Helden, sobald abends die Sonne hinter dem Horizont verschwindet. Da rieten mir meine Recken, die mutigsten und weisesten, alsbald zu dir zu fahren, König Hrodgar, denn sie kennen meine Stärke. Sie haben es selbst gesehen, wie ich von Feindesblut bedeckt aus der Schlacht zurückkehrte, wo ich fünf gebunden hatte, übermächtige Riesen erschlug und in den nächtlichen Wellen unheilvolle Meeresungeheuer besiegte. So ertrug ich manche Gefahr, rächte das Unrecht, das gegen die Goten verübt wurde, und besiegte die Feinde, die Unheil brachten. Nun bin ich gekommen, um allein mit Grendel den Kampf zu wagen, dem dämonischen Riesen, und dessen Bedrohung zu vernichten. Ich bitte dich, edler Hüter der Scyldinge und König der Dänen: Verwehre mir nicht, der ich von weither kam, dass ich ganz allein mit meinen edlen Gefährten, den kühnen Kämpfern, deine Hirschhalle von dieser Bedrohung reinige, oh Beschützer der Helden und Freund des Volkes. Ich habe auch erfahren, dass der schreckliche Gegner in seiner Übermacht keine Waffen gebraucht. So werde auch ich, um meines Königs Ruhm zu vermehren und Hygelaks Herz zu erfreuen, dem Mörder ohne mein scharfes Schwert und den breiten, goldverzierten Schild begegnen. Allein mit der Kraft meiner Hände will ich mit dem Feind um das Leben ringen. Entweder wird er sterben oder ich, im Vertrauen auf den Ratschluss des Ewigen. Wenn Grendel in der goldenen Halle siegt, denn frisst er auch die mutigen Helden der Goten, wie er bisher die Helden der Dänen fraß. Dann musst du an meinem Kopf keine Totenwache halten, denn er trägt den blutbefleckten Leib fort, wenn mich der Tod dahinrafft. Der einsame Wanderer wird den rotgefärbten Leib begierig ins öde Moor schleppen und ohne Reue auffressen. Und du sparst die weitere Bewirtung des Gastes. Doch falle ich im Kampf, dann sende meinem König die Rüstung zurück, die mir die Brust schützte, den Besten der Harnische, von Hredel ererbt und Wielands Kunstwerk. So muss das Schicksal seinen Lauf nehmen.“ (455)

7. Die Antwort des Königs

König Hrodgar, der Hüter der Scyldinge, sprach: „Kampfbereit und wohlgesinnt hast du, mein guter Freund Beowulf, uns aufgesucht. Dein Vater (Ecgtheow) hatte einen großen Kampf begonnen, als er eigenhändig den Wülfing Heatholaf („Kriegs-Erbe“) erschlug und tötete. Seine Speergenossen konnten ihn vor den Schrecken der Rache nicht beschützen. Darum suchte er uns, das Volk der Dänen, über die Wellen des Meeres auf, die berühmten Scyldinge. Damals begann ich, das Dänenvolk zu regieren, als junger König in diesem weiten Reich, dem Schatzhaus der Helden. Mein älterer Bruder Heorogar (Heregar, „Speer des Kampfes“), der älteste Sohn von Healfdene, war gerade gestorben. Er war besser als ich (als „Speer der Ehre“). So versuchte ich dann, die Fehde mit einer Entschädigung zu schlichten und sandte den Wülfingen uralte Schätze über das Wasser hinüber. Dafür hat er (Ecgtheow) mir den Treueeid geschworen. (472)

Voller Sorge im Herzen spreche ich nun vor allen Menschen vom Unheil, das mir Grendel in hasserfüllter Feindschaft in der Hirschhalle durch seine nächtlichen Angriffe antat. Ich verlor schon so viele Helden, und keiner will noch in dieser hohen Halle verweilen. Ein grausames Schicksal ereilt sie durch Grendels Krallen. Gott könnte wohl den zerstörerischen Taten des hasserfüllten Feindes leicht Einhalt gebieten (doch er macht es nicht). Schon oft vermaßen sich die Kämpfer im Bierrausch beim wohlgefüllten Humpen, in der Bierhalle dem Angriff Grendels mit scharfen Klingen zu begegnen. Doch am Morgen, wenn ein neuer Tag begann, war die edle Met-Halle mit Blut gefärbt, die Bänke blutbespritzt und die ganze Halle blutbefleckt. Wieder hatte ich eine treue Schar an Helden verloren, vom grausamen Tod dahingerafft. — Nun setzt euch zum Festmahl und richtet eure Gedanken auf den glorreichen Sieg im Kampf, wie es euer Herz gebietet!“ Dann wurde für die edlen Goten in der Bierhalle die Bank bereitet, und die mutigen Kämpfer setzten sich nieder, diese mächtigen Helden. Ein Dienstmann erfüllte sein Amt, trug die reichverzierten Trinkbecher auf und schenkte den reinen und süßen Met ein. Ein Spielmann ließ von Zeit zu Zeit seine klare Stimme in der Halle erklingen, und Heldenfreude herrschte in der Versammlung der Goten und Dänen. (498)

8. Unferth und der Wettkampf mit Breka

Nun ergriff Unferth („Unfried“) das Wort, der Sohn von Ecglaf („Erbe der Schwertschneide“), der dem König der Dänen zu Füßen saß, und löste die Streit-Rune. Ihm war das Wagnis Beowulfs als tapferer Seefahrer verdrießlich, denn keinem Menschen in Midgard gönnte er reicheren Ruhm unter dem Himmel als für sich selber. Und so sprach er: „Bist du der Beowulf, der mit Breka („Breaker“) auf weiter See um die Wette schwamm, als ihr vermessen das Meer herausfordertet und voller Stolz auf eure Kraft ins tiefe Wasser tauchtet, um euer Leben zu wagen? Weder Freund noch Feind konnten euch von diesem gefährlichen Kampf abbringen, und keiner von euch gab nach. Mit der Kraft eurer Arme seid ihr hinaus in die raue Meeresströmung geschwommen, habt mit mächtigen Schlägen das wellenreiche Meer durchquert, die eisige Salzflut im Wintersturm. Sieben Nächte habt ihr im Reich des Wassers gekämpft. Doch der Sieg blieb ihm, denn seine Stärke war größer. In der Morgenstunde führte ihn die Strömung an das Ufer der Heatho-Reams („kriegerischen Romeriken“), und von dort suchte er sein geliebtes Heimatland auf, im Land der Brondings, seine schöne Festung, wo er Volk, Haus und Schatz besaß. So erlangte Breka, der Sohn von Beanstan („Bohnenstein“), seinen Ruhm im Triumpf über dich. Daher befürchte ich eine noch üblere Niederlage für dich, wenn du es wagst, während der Nacht Grendels Krallen zu begegnen, auch wenn du manch anderen Kampf und erbitterten Streit überstanden hast.“ (528)

Darauf antwortete Beowulf, der Sohn von Ecgtheow: „Höre, Unferth, mein Freund! Viel hast du im Bierrausch von Breka und seinem Sieg gesprochen. Doch ich kann dir wahrhaft sagen, dass ich damals auf den Meereswellen stärker und beständiger war als jeder andere Mann. Um zum Manne zu werden, hatten wir uns damals als Jünglinge zusammengefunden und geschworen, draußen auf dem Meer unser Leben zu wagen. So geschah es. Wir schwammen mit blankem Schwert in fester Faust, um uns vor den Angriffen der Wale zu schützen. Breka wagte es in den Wellen nicht, sich weit von mir zu entfernen, und ich wollte ihn nicht verlassen. So blieben wir fünf Nächte lang zusammen auf See, bis uns die Strömung der Meereswellen auseinandertrieb, in eisiger Winterkälte, nebliger Nacht und heftigem Nordwind. Wild schlugen die Wellen, und erregt wurde der Zorn der mächtigen Meereswesen. Gegen die Krallen der Ungeheuer half mir meine harte handgeschmiedete Rüstung, das feingewebte und goldverzierte Kampfgewand um meine Brust. Doch das feindliche Wesen zog mich hinab zum dunklen Meeresgrund, und hatte mich fest umklammert mit gierigem Griff. Da glückte es mir, das Ungeheuer mit der scharfen Schwertspitze zu treffen, und vom Stich erlag das mächtige Meeresungeheuer durch meine Hand.“ (558)

9. Ausgang des Wettkampfes und Begrüßung durch Wealhtheow

Beowulf fuhr fort: „So wurde ich oft von hasserfüllten Angreifern bedrängt, doch ich diente ihnen mit meinem treuen Schwert in gebührender Weise. So konnten sich die tödlichen Übeltäter nicht an dem Festmahl erfreuen, dass sie an mir auf dem Meeresgrund begehrten. Im Gegenteil, als der Morgen dämmerte wurden ihre Reste von den Wellen ans Land gespült, von meinem Schwert geschlagen und ohnmächtig geworden, so dass sie künftig auf dem Meer keinem Seefahrer mehr schaden konnten. Das Tageslicht erhob sich im Osten, das helle Leuchtfeuer Gottes, die Wogen glätteten sich, und ich konnte die Berge des Landes als Mauern gegen den Wind sehen. So beschützt das Schicksal oft einen Helden, der noch nicht sterben soll, solange er tapfer und mutig bleibt. Auf diese Weise hatte ich das Glück, mit meinem Schwert neun bedrohliche Meeresungeheuer (Nicors als „Wassergeister“) zu besiegen. Noch nie habe ich unter dem Himmelsdach gehört, dass ein nächtlicher Kampf härter oder ein Mann in den Wasserfluten bedrohter war. Und doch entkam ich den Gefahren lebendig, aber auch sehr ermüdet vom Kampf. Dann trug mich das Meer mit seiner Strömung an das Ufer von Finn-Land, wie ein Treibholz auf den Wellen. (581)

Über solche Heldenkämpfe und Siege habe ich noch nie von dir (Unferth) und deinem Schwert gehört. Weder Breka noch du konnten solche kühnen Taten im Kampf mit dem blanken Schwert vollbringen. Es geht hier nicht um Prahlerei, aber darum, dass du deine Brüder und nächsten Verwandten hast töten lassen. Dafür wirst du in der Hölle leiden müssen, auch wenn du noch so klug bist. Lass es dir aufrichtig gesagt sein, Sohn des Ecglaf: Nie hätte Grendel, der grimmige Unhold, in der hohen Hirschhalle so viele Gräueltaten zum Kummer deines Königs begangen, wenn du ein Held wärst von solchem Mut, wie du selber behauptest. Doch Grendel konnte erfahren, dass er die scharfen Schwerter der siegberühmten Scyldinge nicht zu fürchten braucht. So holt er sich sorglos seinen Tribut und verschont keinen vom Volk der Dänen. Nach Lust raubt, zerstört und tötet er, und fürchtet den Kampf mit den Speer-Dänen nicht. Nun will ich ihm die Macht und den Mut der Goten im Kampf vorsetzen. Dann kann jeder Held, der will, wieder zum Met-Trinken gehen und das Morgenlicht wiedersehen, wie es den Menschenkindern jeden neuen Tag als strahlende Sonne aus dem Süden scheint.“ (606)

Das hörte der grauhaarige Gabenspender mit Freude, und der mächtige König der ruhmreichen Dänen vertraute auf die Hilfe von Beowulf, die er dem Beschützer des Volkes mit festem Entschluss kundgetan hatte. Freudenjubel erscholl nun in der Halle und manch heiteres Wort der Helden. Da trat Hrodgars Gattin Wealhtheow herein, ihrer Pflicht bewusst. Die Goldgeschmückte begrüßte die Männer in der Halle, und dann reichte die edle Dame zuerst dem König der Dänen den vollen Becher und bat ihn, fröhlich am Bierfest teilzunehmen, das vom Volk geliebt wird. So empfing der kampfberühmte Herrscher mit Freude zum Festmahl den Trinkbecher. Danach ging die Dame aus dem Helming-Stamm durch den Saal und trug den Becher zu Jung und Alt, bis die Königin auch zu Beowulf kam. Da erblühte ihr Geist, und mit ringgeschmückter Hand reichte sie ihm den Met-Becher. Sie grüßte den fürstlichen Goten und dankte Gott mit weisen Worten für die Erfüllung ihres Wunsches, denn sie vertraute dem mächtigen Helden als Befreier von ihrem Kummer. Beowulf, Ecgtheows Sohn, nahm den Becher aus der Königin Hand und sprach feierlich voller Kampfesmut: „Als ich das Schiff mit meinen Mannen bestieg und ins Meer hinausfuhr, war es mein fester Entschluss, den Wunsch deines Volkes voll und ganz zu erfüllen, oder tapfer kämpfend in den Krallen des Feindes dem Tod zu begegnen. So bin ich fest entschlossen, diese mutige Tat zu vollbringen, sonst erwartet mich in dieser Met-Halle mein letzter Tag.“ (638)

Dieses Ehrengelöbnis des Goten gefiel der hochgeborenen Frau, und die goldgeschmückte Königin des Volkes setzte sich wieder an die Seite ihres Herrn. Da wurde nun wie früher in der Halle wieder manch mutiges Wort gesprochen, die Menschen waren voller Freude, und Siegesrufe ertönten, bis sich Healfdenes Sohn zur Nachtruhe zurückziehen wollte. Der König wusste, dass der gehässige Unhold darauf wartete, diese hohe Halle anzugreifen, wenn das Licht der Sonne untergeht, die Nacht alles verfinstert und unter einem dunklen Himmel schattenhafte Wesen heranschleichen. Mit ihm erhob sich auch sein Gefolge, und man verabschiedete sich gegenseitig. König Hrodgar wünschte Beowulf viel Glück und Heil, ernannte ihn zum Wächter der Weinhalle und sprach: „Seit ich mit Hand und Schild imstande war, diese feste Halle den Dänen zu errichten, habe ich sie noch nie einem Mann anvertraut, wie nun dir. So hüte und bewahre dieses Beste aller Gebäude! Gedenke nun deiner Ehre, zeige große Tapferkeit und halte Wache gegen den Feind. Kein Wunsch soll dir unerfüllt bleiben, wenn du dieses Heldenwerk siegreich überlebst.“ (661)

10. Gelöbnis zur Nacht im Hirschsaal

Dann verließ König Hrodgar, der Hüter der Scyldinge, mit seiner Heldenschar die Halle, denn er wollte in Wealhtheows Armen ruhen. Der ruhmreiche König hatte, wie wir gehört haben, gegen Grendel einen Beschützer der Halle ernannt, der dem Herrscher der Dänen verpflichtet war und den Riesen abwehren sollte. Dieser Gotenheld vertraute tatsächlich fest auf seine Macht und die Gnade des Schöpfers. Daher legte er seine eiserne Rüstung ab, nahm den Helm vom Kopf und übergab sein Schwert, die erlesenste Waffe, einem seiner Gefolgsmänner, mit dem Befehl, die Kampfausrüstung gut zu bewachen. Bevor er sich dann auf sein Lager niederlegte, sprach Beowulf, der kampfmutige Gote, sein Gelöbnis mit folgenden Worten: „Ich schätze mich nicht schwächer an kämpferischer Kraft und Stärke als Grendel selbst. Deshalb will ich ihn nicht mit meinem Schwert töten und seines Lebens berauben, obwohl ich dazu fähig wäre. Er kennt die Kunst nicht, mit der scharfen Klinge zu kämpfen und des Gegners Schild zu zerschlagen, auch wenn er für seine feindseligen Taten bekannt ist. Wie er, so werde auch ich in der heutigen Nacht das Schwert nicht schwingen, wenn er waffenlos zum Kampf erscheint. Dann wird der allwissende Gott, der heilige Herr, ihm oder mir den Siegesruhm gewähren, wie es ihm angemessen erscheint.“ (687)

Mit diesen Worten legte sich Kampfesmutige nieder, und das Ruhekissen empfing sein edles Haupt. All die anderen tapferen Seemänner sanken in der hohen Halle um ihn herum in den Schlaf. Jeder von ihnen fürchtete, seine geliebte Heimat, sein Volk oder seine stolze Burg, in der er aufgewachsen war, nie wieder zusehen. Denn sie hatten gehört, wie der gewaltsame Tod in dieser Weinhalle schon so viele heldenhafte Dänen hinweggerafft hatte. Doch der Herrgott gewährte den Goten das gewebte Schicksal von Kampfglück, Schirm und Schutz, so dass sie den schrecklichen Feind durch die Kraft des Einen besiegen konnten. Damit wurde die Wahrheit kund, dass der allmächtige Gott immer für die Menschheit sorgt. -- Im Dunkel nahte nun der Schattenwandler. All die Kämpfer schliefen, welche die gehörnte Hirschhalle bewachen sollten, bis auf einen. Der wusste, dass ihn der grimmige Feind nicht in die Schattenwelt ziehen konnte, wenn es der Schöpfergott nicht wollte. So erwartete er wachsam, mutig und kampfbereit den hasserfüllten Feind. (709)

11. Der nächtliche Kampf beginnt

Schon bald kam Grendel vom Moor her durch die Nebelwände herangeschlichen, Gottes Zorn tragend. Der hasserfüllte Zerstörer beabsichtigte, sich aller Menschen in dieser Halle zu bemächtigen. So schritt er unter dem dunklen Wolkendach zur Weinhalle, bis er das goldene Gebäude der Menschen im Ganzen vor sich sah. Er kam nicht zum ersten Mal zu Hrodgars Halle, doch so alt er war, niemals zuvor noch danach konnte er hier so einen mächtigen Hallenwächter finden. So erreichte der gehässige Krieger zu seinem Unglück das Gebäude. Unter seiner gewaltigen Faust wich das feste Tor, trotz feuergeschmiedeter Riegel. Voller Hass öffnete der Unhold die Halle und schritt wütend über den buntverzierten Fußboden. Aus seinen Augen schoss ein zorniges Licht, wie verzehrende Feuerflammen. In der Halle sah er viele Helden schlafen, verwandte Männer und kühne Kämpfer. Da lachte sein Herz, und der gehässige Dämon hoffte, noch vor Tagesanbruch jedem das Leben und den Körper zu rauben und sich an diesem üppigen Festmahl zu erfreuen. Doch es sollte nicht sein Schicksal sein, nach dieser Nacht noch mehr Menschen zu verzehren. (736)

Der mächtige Held, Hygelaks Neffe, beobachtete achtsam, wie der bösartige Mörder mit seinen Krallen schlagartig vorgehen wollte. Das Ungeheuer dachte nicht daran zu zögern, sondern ergriff mit blitzartigen Krallen den ersten, ihm nahen Schläfer, zerriss ihn hemmungslos und biss in den Leib, um das Blut zu trinken und das Fleisch zu fressen. Schnell hatte er den Leblosen mit Beinen und Armen ganz und gar verschlungen. Dann schritt er weiter und griff mit seinen Krallen nach dem heldenhaften Kämpfer auf seinem Ruhebett. Doch der Edle war achtsam, erkannte die bösartige Absicht des Feindes und packte ihn am Arm. Da erschrak der Hasserfüllte und erkannte, dass er in ganz Midgard, der Menschenwelt auf Erden, noch nie einem Mann begegnet war, der mit seiner Hand so mächtig zupacken konnte. Sogleich wurde er innerlich von größter Angst erfüllt, wollte fliehen, aber konnte es nicht. Sein Geist strebte mit aller Macht hinaus, zurück in die Dunkelheit, um die Höhle des Dämons aufzusuchen, denn dieser Kampf war ganz anders, als er es jemals erlebt hatte. (757)

Da erinnerte sich der edle Held, Hygelaks Neffe, an sein Gelöbnis vom Abend, richtete sich auf und packte noch fester zu, bis die feindlichen Krallen brachen. Der Riese drängte hinaus, doch der Held folgte ihm auf jedem Schritt. Gern wäre der Dämon weiter hinaus geflohen, und von dort in das geheime Versteck im Moor, doch er wusste, dass seine Krallen in der Gewalt des Helden waren. So wurde es nun ein Weg des Leidens, den der hasserfüllte Krieger in die Hirschhalle gegangen war. Laut hallte der Kampflärm in der Halle wider und ließ im weiten Umkreis alle Dänen, Burgbewohner und tapferen Helden aufschrecken. Mit mächtiger Gewalt rangen die beiden Kämpfer. Das ganze Gebäude schwankte. Ein großes Wunder war es, dass die Weinhalle den Kämpfern standhielt und nicht in Trümmer stürzte, das schöngebaute Haus auf Erden. So fest war die Halle innen und außen mit geschmiedeten Eisenbändern geschickt verstrebt. Denn wie ich hörte, zerbrach nur manche goldgeschmückte Met-Bank, auf denen die beiden kämpften. So hatten es auch die Weisen der Scyldinge erwartet, dass die herrliche, horngeschmückte Halle kein Sterblicher jemals zerstören konnte, weder mit Kraft noch mit List, es sei denn, die Umarmung des Feuers verschlänge sie im Inferno. Ein bisher ungehörter Lärm erscholl, und entsetzliches Grauen drang in die Herzen aller Dänen, die von der hohen Halle her das Geheul vernahmen, das grausige Lied des Besiegten, das der Feind Gottes sang, der als Gefangener der Hölle seine Schmerzen beklagte. Denn er wurde von einem Mann festgehalten, der damals der Stärkste und Mächtigste aller Menschen war. (790)

12. Der Sieg über Grendel und das Siegeszeichen

Der Beschützer der Helden sah keinen Grund, den leidigen Mörder lebendig entkommen zu lassen, dessen Lebenstage wohl keinem Menschen nützlich waren. Dazu schwangen nun auch die Gefolgsmänner von Beowulf ihre ererbten Waffen, um das Leben ihres Führers und Herrn zu verteidigen, so gut sie konnten. Tapfer schlugen sie von allen Seiten zu, um die Seele des Feindes zu treffen. Doch sie wussten nicht, als sie sich in den Kampf gegen den sündhaften Zerstörer stürzten, dass ihn keine Schwertschneide der Welt verletzen konnte, sei sie auch noch so scharf geschmiedet. Durch seinen Schwur (des Hasses) war er gegen jede feindliche Waffe gefeit, gegen jede drohende Schneide. Trotzdem sollte noch an diesem Tag sein Leben im Elend enden und sein feindlicher Geist in die dämonische Hölle sinken. (808)

Da erkannte Grendel, der Gott hasste und mit feindlichem Sinn an der Menschheit schon so viele Gräueltaten begangen hatte, dass ihm sein Körper nicht mehr dienen konnte, den Hygelaks Neffe mit mächtiger Hand gepackt hatte. Es gelang ihm nicht, sich lebendig von ihm zu trennen. (Trotzdem versuchte er es mit aller Gewalt.) Da fühlte der schreckliche Riese unerträgliche Schmerzen in seinem Körper, an der Schulter klaffte eine große Wunde, die Sehnen zerrissen, und die Knochen zerbrachen. Beowulf gewann den Ruhm des Siegers, und Grendel musste tödlich verwundet ins tiefe Moor fliehen, ins freudlose Heim. Er wusste sicher, dass nun sein Lebensende nahte, und seine Tage gezählt waren. (823)

So wurde nach gewaltigem Kampf der Wunsch der Dänen erfüllt, denn der fremde, weise und mutige Held hatte Hrodgars Halle gereinigt und vom Feind befreit. Da freute sich der Gotenheld seines nächtlichen Werkes, dass er mit mächtiger Kraft sein kühnes Versprechen erfüllen konnte, welches er den Dänen gab. Von großem Leiden hatte er sie geheilt und ihre Angst gelindert, von quälender Sorge befreit und von schwerem Schicksal und elender Not erlöst, die sie lange erdulden mussten. Als sichtbares Zeichen hängte der siegreiche Held Grendels Schulter, Arm und Hand unter das hohe Hallendach, die ganze schreckliche Kralle seines Griffs. (836)

13. Ein neuer Morgen und die Geschichte von Siegmund

Der Morgen begann, und wie ich hörte, kamen viele Kämpfer zur Gabenhalle: Die Besten des Volkes kamen von nah und fern auf ihren Wegen daher, um das Wunder zu schauen und den blutigen Spuren des Feindes zu folgen. Keiner, der die Spuren des Ruhmlosen sah, bedauerte dessen Abschied vom Leben, wie er machtlos fortgeschlichen war, besiegt im Kampf, und sich tödlich verwundet in seine Dämonenhöhle zurückgezogen hatte. Blutig brodelte dort das Wasser, und schrecklich wirbelnde Wellen vermischten sich mit dem geronnenen Blut, dem Blut aus der Wunde des Todgeweihten, der aller Freude beraubt im tiefen Moor sein Leben lassen musste, eine gottlose Seele, von der Hölle umfangen. Dann eilten die alten und auch jungen Helden zurück, vom Moor heimwärts, auf falben Rossen (hellbraun mit dunkler Mähne) im fröhlichen Ritt. Laut erscholl von ihren Lippen das Lob Beowulfs. Viele sagten, dass süd- und nordwärts zwischen all den Meeren auf der ganzen Erde kein besserer Held unter dem weiten Himmel zu finden sei, kein Träger des Schildes, der des Königsthrones würdiger wäre. Doch damit tadelten sie in keiner Weise ihren geliebten Freund und Herrn, denn auch der edle Hrodgar war ein guter König. Zuweilen ließen die tapferen Kämpfer die Falben springen oder um die Wette laufen, wenn die gegebenen Wege dazu geeignet waren. (867)

Zuweilen sang ein Spielmann des Königs, der die Dichtkunst beherrschte und viele alte Sagen kannte, den edlen Helden ein Lied, indem er die Wahrheit in Worte fasste. Kunstvoll besang er Beowulfs Heldentat und ließ geschickt die gereimten Verse fließen, dass sich ein Reim zum anderen fügte. Dann sang er auch von vielem, was er von Siegmund einst sagen hörte, von den geheimnisvollen Wundertaten des Sohnes von Wölsung, seinen Irrwegen, Kämpfen und schrecklichen Taten, die kein Mensch jemals völlig erfuhr, außer seinem Neffen Fitela, dem der Oheim alles anvertraute. Denn in jedem Kampf waren sie notwendige Gefährten und hatten gemeinsam mit ihren Schwertern viele übermächtige Riesen niedergestreckt. Doch nach seinem Tod gewann vor allem Siegmund großen Ruhm, denn der unschlagbare Held hatte den mächtigen Drachen getötet, der den Schatz hütete. In der uralten grauen Steinhöhle wagte er ganz allein den gefährlichen Kampf. Fitela war nicht bei ihm. Dennoch war es ihm vergönnt, mit seinem Schwert den wundersamen Lindwurm zu durchbohren, bis das edle Eisen im groben Gestein feststeckte. Der Drache starb, und so hatte es der mutige Kämpfer erreicht, dass er über den goldenen Schatz der Ringe nach Belieben verfügen konnte. Da belud der Sohn von Wölsung sein Schiff und brachte den glänzenden Schatz in dessen Bauch, während der Lindwurm in seiner eigenen Hitze zerschmolz. So wurde er durch seine Tat der Berühmteste unter den Helden aller Völker und ein Vorbild der Kämpfer, seit König Heremod seine kämpferische Kraft, seinen tapferen Mut und allen Ruhm verloren hatte. Denn die Riesen (von Begierde und Hass) hatten ihn betrogen und schnell verführt, so dass ihn seine hin- und herwogenden Sorgen zu lange bedrückten und lähmten. Damit wurde er für sein Volk und alle Edelmänner zu einer großen, lebensfeindlichen Last. Viele von ihnen betrauerten den Irrweg des hartherzigen Königs, denn viele der weisen Helden hatten sich von ihm eine Hilfe in ihrer Not erhofft, wenn das Königskind heranwächst und den Thron seines Vaters einnimmt, um das Volk, die Schätze und die Burgen zu beschützen, das Reich der Helden und das Erbe der Scyldinge. - Viel hilfreicher für die Menschheit war nun Hygelaks Neffe, während die anderen für sich selber kämpften. (915)

So ritten die Helden in raschem Wettlauf auf staubiger Straße. Die Morgensonne stieg höher, und manch entschlossener Kämpfer ging jetzt zur hohen Halle, um das große Wunder zu schauen. Auch der König selbst trat würdig aus dem Gemach seiner Ehefrau, der berühmte Hüter des Schatzes der goldenen Ringe, und schritt mit seinem großen und edlen Gefolge an der Seite seiner Königin, der ihre Jungfrauen folgten, den Weg zur Met-Halle. (924)

14. Danksagung

Hrodgar ging in die Halle, blieb auf den Stufen stehen, betrachtete staunend Grendels Kralle unter dem goldenen Dach und sprach: „Für diesen Anblick sei Dank dem ewigen Allherrscher! Viel Leid und Kummer habe ich durch Grendel erfahren. Doch Gott kann immer wieder Wunder bewirken, der ewige Wächter des Ruhms. Noch vor kurzem hatte ich keine Hoffnung, so lange ich auch lebte, des bitteren Leidens ledig zu werden, dass das edelste aller Gebäude so blutbesudelt vom Mord an den Helden dastand. Diese große Sorge überwog alles andere, eine endlose Verzweiflung meiner weisen Berater, die im Laufe ihres Lebens die Festung der Nationen vor Feinden, Dämonen und Ungeheuern schützen sollten. Doch nun hat ein Held mit Gottes Hilfe diese Großtat vollbracht, die wir mit all unserer Weisheit nicht erreichen konnten. Mit Recht kann man der Frau sagen, die diesen Helden gebar, wenn sie heute noch unter Menschen lebt, dass der uralte Schöpfergott zu des Sohnes Empfängnis seinen Segen gab. Mein lieber Beowulf, Bester aller Männer, ich werde dich nun wie einen Sohn in meinem Herzen lieben. Pflege fortan diese neue Verwandtschaft! Es soll dir an weltlichem Gut nichts fehlen, soweit es in meiner Macht steht. Schon oft habe ich geringere Dienste reich belohnt und mit Schätzen Helden geehrt, die im Kampf weniger erfolgreich waren. Durch deine Taten hast du es selbst erreicht, dass dein Ruhm für immer und ewig lebt. Möge dir der Allwaltende solche Taten auch weiterhin mit Güte vergelten, wie er es bisher getan hat!“ (956)

Darauf sprach Beowulf, Ecgtheows Sohn: „Willig und gern wurde dieses Werk vollbracht, und kühn gewagt der Kampf mit dem mächtigen Feind. Doch mir wäre es lieber, du könntest jetzt den ganzen Leib des Dämons sehen, der dem Kampf erlag. Meine Absicht war es, ihn auf meinem Ruhebett sogleich mit festem Griff im Kampf zu packen, so dass er im Griff meiner Hand um sein Leben ringen müsse und sein Körper nicht entkommen könne. Doch ich konnte nicht verhindern, dass er sich losriss. Es war wohl nicht des Schöpfergottes Wille, so dass mir die Kraft fehlte, den tödlichen Feind zu halten. Er war zu mächtig und entkam auf seinen Füßen. Doch musste er seine Hand mit Arm und Schulter hierlassen, um sein Leben zu retten. Aber damit hat sich der Elende keinen Sieg gewonnen, denn der hasserfüllte Zerstörer wird nicht mehr lange leben, von seinen eigenen Sünden niedergeworfen. Die Wunde hat ihn mit der Fessel des Schmerzes gebunden, und dort muss das mit Verbrechen befleckte Geschöpf auf das große Gericht warten, das ihm der strahlende Schöpfer verordnen wird.“ (979)

Auch Unferth („Unfried“), Ecglafs Sohn, der von kühner Tat so viel geprahlt hatte, wurde nun schweigsamer, als die Kämpfer unter dem hohen Hallendach die Kralle des dämonischen Feindes sahen. Dessen Haut war härter als Stahl, und die mächtigen Fingernägel der Kralle glichen den eisernen Sporen der Reiter. Nun konnte jeder sehen, dass keine Waffe, nicht einmal die schärfte aus härtestem Eisen, die zerstörerische Hand des Dämons hätte abschlagen können. (990)

15. Gabenspende für Beowulf

Nun wurde umgehend befohlen, das Innere der Hirschhalle von fleißigen Händen festlich zu schmücken. Viele Männer und Frauen kamen, um die Weinhalle als Gästehaus herzurichten. Goldglitzernde Kunstgewebe verschönerten die Wände und waren für die Menschenaugen wie Wunder anzuschauen. Denn trotz der eisernen Bänder war das Gebäude stark beschädigt, und sogar die Tore waren aus den Angeln gerissen. Nur das Dach war heil und ganz geblieben, als der dämonische Riese von schwerer Schuld beladen um sein Leben fürchtete und gewaltsam die Flucht ergriffen hatte. Das ist kein leichter Weg, doch man kann es versuchen. Denn schließlich müssen alle Erdenbewohner, die eine Seele besitzen, vom Schicksal gezwungen den Ort aufsuchen, wo nach dem Festmahl ihre Körper auf dem Sterbebett gebunden in den Schlaf fallen. (1008)

So kam auch die Stunde, da Healfdenes Sohn zur Halle ging, der gütige König Hrodgar, um sich am Festmahl zu erfreuen. Nie hörte ich, dass sich eine so große Zahl an Helden edler und anständiger um ihren Gabenspender der goldenen Ringe versammelten. Die Ruhmreichen ließen sich auf den Bänken nieder und freuten sich über das Festmahl. Mit Würde empfingen sie manchen Met-Kelch in der hohen Halle, wie auch die beiden Verwandten, die edlen Herrscher Hrodgar und Hrodulf (der König und sein Neffe, die auf dem Thron saßen). Die ganze Halle war von Freude erfüllt, denn die edlen Scyldinge waren nun vom übelgesinnten Verbrecher befreit. (1019)

Daraufhin überreicht König Hrodgar, der Sohn von Healfdene, ein goldenes Banner als Siegesgeschenk an Beowulf, eine goldbestückte Standarte für den Sieger, sowie einen Helm und eine Rüstung (Brünne). Dazu wurde dem Helden noch ein wertvolles Schwert von den (beiden) Männern überreicht. Beowulf trank den gefüllten Kelch mit Freuden, denn solcher Gaben brauchte er sich im Kreis der Helden nicht zu schämen. Ich habe nie gehört, dass solche vier goldgeschmückten Schätze auf der Bierbank freundlicher von der gütigen Hand der (beiden) Männer dargebracht wurden. Um das Dach des Helmes, das den Kopf schützte, befand sich ein eisernes Kettengeflecht, damit die scharfgeschliffene Klinge (den Nacken und Hals) nicht verletzen konnte, wenn der Gerüstete grimmigen Feinden begegnen musste. Danach ließ der Herrscher noch acht Rosse mit goldgeschmücktem Zaumzeug in die Halle führen. Auf einem war ein ganz besonderer Sattel, kunstvoll verziert und mit Juwelen veredelt. Das war der Kampfsattel des hohen Königs, auf dem der Sohn von Healfdene in den Schwertkampf geritten war, wo er stets ruhmreich an vorderste Front gekämpft hatte, dort, wo die Feinde fielen. So schenkte der königliche Beschützer der Freunde des Ing (Yngvi, vermutlich Freyr als Gott des Frühlings und Neubeginns) sowohl Waffen als auch Rosse dem siegreichen Helden Beowulf und gebot ihm, diese gut zu nutzen. So belohnte der ruhmreiche König und Hüter der Helden-Schätze auf männliche Weise die Heldentat mit Rossen und Schätzen, was wohl keiner tadeln kann, ohne lügen zu wollen. (1049)

16. Gaben für das Gefolge und Geschichte von Hildburg und Finn

Dann ließ der Hüter der Kämpfer auch den Männern aus Beowulfs Gefolge, die mit ihm über den Seeweg gekommen waren, auf den Met-Bänken wertvolle Schätze aus seinem Erbe überreichen, und gebot, den Mann, den Grendel in seiner Bosheit als ersten verschlungen hatte, mit Gold zu vergelten (bzw. aufzuwiegen). Er hätte wohl noch mehr verschlungen, wenn ihn nicht der weise Gott, das mächtige Schicksal und der Mut des Helden daran gehindert hätten. So wachte der Schöpfergott schon immer über die Menschheit, wie er es auch heute noch tut. Deshalb ist die Einsicht überall das Beste, die weise Voraussicht des Geistes, denn wer in diesen Tagen des Kampfes lange Zeit in der Welt lebt, muss viel Liebes und Leidiges ertragen können. (1062)

Nun erschollen Gesang und Klang vor dem Sohn von Healfdene, dem kampferfahren König. Die Harfe ertönte zu einem Heldenlied, das Hrodgars Spielmann den Hörern oft zur Freude an den Metbänken in der hohen Halle vortrug:
„Als Finns Geschlecht das Unglück traf, da sollte auf dem friesischen Schlachtfeld auch der Scylding Hnäf („Neffe“) fallen, Healfdenes Held. Wahrlich, die edle Hildburg („Kampf-Burg“, die Schwester von Hnäf und Ehefrau des Friesenkönigs Finn) wurde von der Treue der Friesen schwer enttäuscht, denn schuldlos wurde sie ihrer Lieben beraubt, ihres Bruders und ihres Sohnes, die in hinterhältiger Schlacht getötet wurden, zum großen Jammer der Frau. Dem Schicksal erlagen sie, vom Speer durchbohrt. (1075)

(Zum Verlauf der Schlacht wird hier gern das „Finnsburg-Fragment“ eingefügt, das getrennt von der Beowulf-Sage überliefert wurde. Zur Rahmenhandlung könnte man sich vorstellen, dass Hildburg und Finn verheiratet wurden, um den Frieden zwischen Dänen und Friesen zu sichern. Sie gebar ihm einen Sohn, der zu einem jungen Helden heranwuchs. Doch in Finns-Herzen wuchs der Neid auf seinen ruhmreichen Schwager und damit auch der Hass. Da lud er den jungen Dänenkönig hinterlistig zu einer Feierlichkeit ein. Hnäf erschien mit seinem Gefolge von sechzig edlen Helden, und sie feierten in der gehörnten Halle von Finns Burg, wo sie auch übernachten wollten. Gegen Mitternacht griffen plötzlich Feinde an, und hier beginnt das überlieferte Fragment:

„… der Hornschmuck brennt!“ Da rief Hnäf, der junge königliche Held: „Nicht dämmert der Morgen im Osten, kein Drache fliegt darin auf, auch brennt der Hornschmuck (als Giebel) dieser Halle nicht, sondern Feinde nahen im Feuer des Hasses, zum Angriff bereit! Die Raben krächzen, der graue Wolf heult, und die Speere trommeln drohend auf Schilde. Der Vollmond verbirgt sich hinter dunklen Wolken, und üble Taten drohen, denn der grimmige Hass naht sich als Feind. Erwacht, meine Kämpfer! Ergreift eure Waffen und Schilde, seid standhaft und tapfer! Kämpft kühn und furchtlos an vorderster Front!“ (FN12)

Da erhoben sich die mit Gold geschmückten Helden vom Ruhebett und gürteten sich die Schwerter um. Die tapferen Kämpfer Sigferd und Eaha schritten mit gezogenen Schwertern zum ersten Hallentor, und zum zweiten Tor eilten Ordlaf und Gudlaf („Erbe der Schwertspitze“ und „Erbe Gottes“), denen auch Hengest folgte. Doch Gudhere („Gott-Kämpfer“) mahnte den Garulf („Speer-Wolf“), sein edles Leben nicht gleich im ersten Kampf am Hallentor zu wagen, wo die Kampferfahrenen es ihm entreißen könnten. Darauf fragte der wagemutige Held mit lauter Stimme: „Wer verteidigt das Tor?“ Und die Antwort erschallte (aus der Halle): „Mein Name ist Sigferd („Sieg-Fahrt“ oder Sigferth als „Sieg-Frieden“). Ich bin ein Fürst aus Secgan („Aussprechen“) und als Kämpfer weitberühmt. Ich habe schon manchen schweren Kampf bestanden, und ein solcher erwartet dich nun auch, wenn du mich wagemutig angreifen willst.“ (FN27)

Sogleich ertönte an den Hallentoren der Lärm tödlicher Schläge. Die Schilde wurden in den Händen der Helden zerhauen, Helme und Schädel gespalten, der Hallenboden bebte und die ganze Burg dröhnte (vom Kampflärm). Garulf, der Sohn von Gudlaf, fiel als erster der einheimischen Friesen in dieser Schlacht, und um ihn herum noch viele weitere friesische Helden. Über den Leichen kreisten die schwarzen Raben, und die Schwerter funkelten und glänzten, als stünde die ganze Finn-Burg in Flammen. Ich habe nie von mutigen Kämpfern gehört, die heldenhafter gekämpft hätten, als jene sechzig Männer von Hnäf, die ihrem König den süßen Met-Trank als treue Gefolgsleute vergalten. Sie kämpften fünf Tage lang, ohne dass einer aus ihrem Gefolge fiel, und verteidigten tapfer die Tore. Dann wurde ein Held verwundet und zog sich zurück. Er sagte, seine Rüstung sei brüchig geworden, sein Brustpanzer schwach und sein Helm durchbohrt. Da fragte ihn alsbald des Volkes Hüter, wie die wackeren Helden von ihren Wunden genesen, oder welcher der jungen Männer… (FN48)

Damit endet das Finnsburg-Fragment, und aus der vorhergehenden und nachfolgenden Erzählung ist anzunehmen: Im weiteren Verlauf der Schlacht, vielleicht am sechsten und siebenten Tag, fallen dann noch der junge König Hnäf, also Hildburgs Bruder, von Finn selbst erschlagen, und einige andere Helden der Dänen, sowie der Sohn von Hildburg und Finn zusammen mit fast allen Kriegern der Friesen.)

Nicht ohne Grund trauerte die Tochter von Hoc („Haken“) über des Schicksals Beschluss, als der Morgen kam und sie unter hellem Himmel die Verwandten schrecklich getötet liegen sah, die bisher die Freude ihres Lebens waren. Dazu waren auch fast alle Krieger von Finn gefallen, und mit dem winzigen Rest konnte der König das Schlachtfeld gegen die Macht von Hengest (dem dänischen Heerführer von Hnäf) nicht mehr behaupten, noch sein klägliches Häuflein vor dem Heerführer des Dänenkönigs retten. So bot man dem Feind zur friedlichen Einigung an, ihm die Hälfte der Burg sowie der Halle und des Thrones einzuräumen, so dass nun die Herrschergewalt den Friesen und Dänen gemeinsam gehören solle. Auch wollte König Finn, Folkwalds Sohn („Volks-Macht“), die Helden aus dem Gefolge von Hengest täglich in der Bierhalle mit gleichen Gaben an funkelndem Gold, Schätzen und Juwelen ehren, wie Hengest dort das Volk der Friesen erfreuen wollte. So band man sich auf beiden Seiten durch einen festen Friedensvertrag, und Finn schwor Hengest nach dem Rat der Weisen mit viel Ernst feierliche Eide, um alle verbleibenden Dänen in Ehren zu halten. Niemand dürfe diesen Bund mit Taten oder Worten brechen, noch böswillig irgendeinen Tadel äußern, dass sich die Dänen nun herrenlos vor dem Mörder ihres Königs verneigten, wie die Not gebot. Und wenn irgendein Friese mit bösartigen Worten an die mörderische Feindschaft erinnern sollte, dann müsse des Schwertes Schneide ihn strafen. Der Eid wurde geleistet, und das uralte Gold aus dem Schatz geholt. (1108)

Dann wurde das Totenfeuer vorbereitet, und die besten Kämpfer der Scyldinge wurden dort aufgebahrt. Auf dem Scheiterhaufen sah man deutlich den blutbefleckten Brustpanzer (des Königs Hnäf), den goldenen Eber, das eisenharte Schweinsymbol und viele vom Schwert erschlagene Edelinge, die ihren Wunden erlegen waren, denn viele großartige Männer waren in dieser Schlacht gefallen. Dann ließ Hildburg auch ihren eigenen Sohn an die Seite von Hnäf dem Feuer übergeben, um dessen Körperhülle an der Schulter seines Oheims zu verbrennen. Mit lautem Wehgesang beklagte die Frau ihr Elend. Der Scheiterhaufen wurde entzündet, der Rauch wirbelte zu den Wolken empor, und das größte Totenfeuer loderte vor dem Grabhügel. Die Schädel schmolzen, die Wunden brachen auf, und schäumendes Blut strömte, wo der Hass in die Körper gebissen hatte. So verschlang das Feuer die Toten beider Völker, die durch Hass und Begierde gefallen waren, und ihr blühender Wohlstand verging.“ (1124)

17. Geschichte von Hengest über Erbe und Ehre

Der Spielmann sang weiter: „Nun gingen die überlebenden Kämpfer, ihrer Freunde beraubt, die neue Wohnstätte zu besuchen und das Land der Friesen zu sehen, ihre Häuser und hohen Burgen. Hengest wohnte über den Herbst und frostigen Winter, der den Tod (in die Natur) bringt, dem Eid getreu bei Finn. Er dachte oft an seine Heimat, doch konnte das Schiff mit dem geschwungenen Bug nicht über das Meer führen, denn die See wogte im Sturm und kämpfte gegen den Wind. Dann hielt der frostige Winter die Wellen in eisigen Fesseln, bis in der häuslichen Welt wieder das Frühjahr nahte, wie es heute noch für jene geschieht, die diese Jahreszeit immer wieder mit herrlich heiterem Wetter erleben. So ging der frostige Winter dahin, und die Erde wurde wieder schön. Da trieb es den Fremden hinaus, den Gast aus dem Haus. Doch noch mehr als an die Seefahrt, dachte er an die Vergeltung für die leidige Tat, ob er den Kampf wieder entfesseln könnte, und erinnerte sich innerlich an die Söhne der Friesen (Eoten). Und so lehnte er seine weltliche Aufgabe nicht ab, als ihm Hunlafing (vermutlich ein „Sohn von Hunlaf“ als „Tier-Erbe“ oder Unlaf als „Un-Erbe“, vielleicht Ordlaf gemeint) das Beste aller Schwerter, die Flamme des Kampfes, in den Schoß legte, dessen Schneide unter den Friesen wohlbekannt war. Damit traf das Schicksal den stolzen Finn, so dass er im eigenen Haus von diesem Schwert überwältigt wurde. Denn als sich Gudlaf und Oslaf (Ordlaf?) immer wieder bei Hengest beklagten, dass sie nach der Seereise (von den Friesen) angegriffen wurden, und ihm einen Teil ihres Leidens vorwarfen, konnte er seinen bewegten Geist im Herzen nicht mehr zurückhalten. Da wurde die Halle von feindlichem Blut rotgefärbt und Finn getötet, der König inmitten seines Gefolges. Danach wurde die Königin und alle bewegliche Habe des Königs, die in Finns Burg zu finden war, von den Kämpfern der Scyldinge zu den Schiffen gebracht, darunter viele strahlende Juwelen und Edelsteine. So führten sie die edle Dame über das Meer wieder in ihre Heimat, ins Reich der Dänen.“ Damit war das Lied gesungen, und die Geschichte vom Spielmann erzählt. (1160)

Nun erhob sich wieder Freude auf den Bänken, und Mundschenke füllten die Becher mit Wein aus wunderreichen Krügen. Die Königin Wealhtheow schritt, mit goldenen Ringen geschmückt, zum Thron, wo Oheim und Neffe friedlich nebeneinandersaßen. Ihre Freundschaft war noch immer beständig, in gegenseitiger Treue. (1165)

Auch Unferth („Unfrieden“), der so große Reden schwang, saß zu Füßen des Herrscherpaares der Scyldinge. Beide wussten, dass er ebenfalls ein tapferes Herz hatte, auch wenn er seine Verwandten im Schwertkampf (gegen Grendel) nicht hatte retten können. Dann sprach die Königin: „Mein geliebter Herr und Gemahl, Geber der Schätze und Goldfreund der Menschen, empfange diesen vollen Kelch, sei glücklich und erfreue die Goten mit freundlichen Worten, wie es einem Mann geziemt. Sei den Gästen gnädig und gedenke ihrer Gaben, sowohl den kurz- als auch den längerfristigen. Mir wurde gesagt, dass du diesen Helden wie einen Sohn annehmen möchtest. Denn Heorot, die Hirschhalle, ist nun gereinigt, die strahlende Halle der Ringe. Erfreue dich nun mit den vielen Helden am Met, solange es dir vergönnt ist, und überlasse deinen Verwandten Volk und Reich, wenn du fortmusst, um die Gottheit als Quelle der Schöpfung zu sehen. Ich weiß, dass auch dein Neffe, der edle Hrodulf, die kühne Jugend freundlich behandeln wird, wenn du als Hüter der Scyldinge früher als er die Welt verlässt. So denke ich, dass er es auch unseren Kindern mit Güte vergelten wird, eingedenk dessen, dass wir ihm Ehre und Gunst von Jugend an erwiesen haben.“ Dann ging sie zu jener Bank, wo ihre beiden Söhne, Hredric und Hrodmund („Ehr-Herrscher“ und „Ehr-Beschützer“), im Kreise der Jünglinge saßen, bei den Söhnen der Helden, wo auch der gute Beowulf von den Goten neben dem Brüderpaar platzgenommen hatte. (1191)

Stammbaum Scyld, Beowulf, Healfdene, Hrodgar, Yrse, Onela, Ongentheow

18. Die Gabenspende der Königin

Die Königin reichte ihm mit freundlichen Worten den vollen Becher und aus reiner Dankbarkeit herrliche Gaben: Zwei Armreifen aus gewundenem Gold, einen wertvollen Brustpanzer und einen prächtigen Halsschmuck, wie man auf Erden wohl keinen schöneren findet. Noch nie habe ich unter dem Himmelsdach von einem besseren Schatz der Menschen gehört, seit Hama (Heime als „Heimstatt“) das Brising-Geschmeide mit strahlenden Juwelen in kostbarster Fassung in die Burg trug, wo man um das Licht kämpft, als er vor der listigen Feindschaft Eormenrics floh (Ermenrich als „Macht-König“, der zum tyrannischen Kaiser wurde) und das ewige Heil suchte. Diesen Halsschmuck hier trug Hygelak („Verstandes-Opfer“, vermutlich ein gleichnamiger Vorfahre von Hygelak, dem Onkel von Beowulf), der Herrscher der Goten und Neffe von Swerting (der „Dunkle“), das letzte Mal, als er im Land der Friesen unter seinem Banner den Schatz bewachte und die eroberte Beute verteidigte. Doch ihn überwältigte das Schicksal, nachdem er aus Stolz sein eigenes Leiden suchte und einen Krieg mit den Friesen begann. Über die Wellen des Meeres trug der mächtige König den Halsschmuck mit den Edelsteinen, doch er fiel unter seinem Schild. Seine Leiche, sein wertvoller Brustpanzer, die goldenen Armreifen und der prächtige Halsschmuck fielen in die Hände des friesischen Königs. Niedere Krieger plünderten die anderen Leichen vom Volk der Goten, die nach dem Gemetzel das Schlachtfeld füllten. (Und Hengest brachte die Schätze wieder zurück in das Reich der Dänen.) (1214)

Jubel ertönte in der Halle (angesichts dieser edlen Gaben), und Wealhtheow sprach vor der ganzen Gesellschaft: „Gebrauche die Armreifen gut, lieber Beowulf, trage den Brustpanzer mit Gewinn, edler Jüngling, und hüte den prächtigen Schmuck in Wohlsein und Glück! Bewahre deine Kraft, und sei den Jünglingen hier ein freundlicher Lehrer. Ich lohne es dir gern. Du erwarbst die Ehre, dass dich die Menschen in Nah und Fern für alle Zeiten preisen werden, solange die Meereswellen im Wind befestigtes Land umwallen. Sei mit Heil gesegnet, solange du lebst! Ich gönne dir von Herzen die reichen Schätze. Sei meinen Söhnen wohlgesinnt in deinen Taten und ehre sie mit Freude. Mögen hier alle Menschen einander treu sein, großzügig im Geist und ihrem König ergeben. Mögen die Helden vereint sein, und alle Menschen dienstbereit. Darauf trinkt, ihr Getreuen, und erfüllt meine Bitte!“ (1231)

Damit ging die Königin zu ihrem Platz. Es gab ein herrliches Festmahl, und die Männer tranken Wein. Sie ahnten noch nichts vom Schicksal, vom schrecklichen Unglück, wie es schon vielen Helden nach Anbruch der Nacht geschehen war, als sich König Hrodgar (mit der Königin) in seine Gemächer zurückzog, um sich auszuruhen. Die Halle bewachten viele edle Helden, wie es früher Brauch gewesen war. Sie schoben die Bänke beiseite und breiteten Betten und Kissen aus. Doch einer der dienstbereiten Biertrinker, die sich nun zur Ruhe niederlegten, war bereits dem Untergang geweiht. Ans Kopfende stellten sie ihre Schilde aus hellem Lindenholz, und auf der Bank lag neben jedem Helden gut sichtbar ein kampfbewehrter Helm, wie auch der Brustpanzer und ein strahlend-mächtiger Speer. Das war ihr Brauch, um stets zum Kampf gerüstet zu sein, zu Hause oder auf Fahrt, wann immer es nötig war, ihrem Herrscher zu dienen. So treu waren die Helden. (1250)

19. Grendels Mutter greift an

Sie sanken alle in den Schlaf. Doch einer musste für die Nachtruhe bitter büßen, wie es sich schon oft ereignete, als Grendel noch in der goldenen Halle hauste und Unheil schuf, bis er sein Ende fand, den Tod für seine sündhaften Verbrechen. So wurde es bald offenbar und den Menschen weithin bekannt, dass nach diesem Sieg über Grendel noch ein Rachewesen den Kampf überlebt hatte, nämlich Grendels Mutter. Das weibliche Ungeheuer wurmte die Schmach in ihrer dunklen Wasserwelt, wo sie in eisigen Strömungen leben musste, seit Kain die üble Mordtat an seinem einzigen Bruder verübt hatte, dem (geliebten) Sohn des Vaters. Von Sünde befleckt und als Mörder gezeichnet musste er aus der heiteren Menschenwelt fliehen und in der dunklen Einöde leben. Von ihm entstammten viele übelgesinnte Unholde, und einer von ihnen war Grendel, der gehässige Zerstörer und Mörder, der aber in der Hirschhalle einen wachsamen Helden gefunden hatte, welcher den Kampf achtsam bestand. Der Störenfried wagte den Angriff, doch der Held erinnerte sich an seine mächtige Kraft, die große Gabe, die ihm Gott verliehen hatte, und er vertraute auf die Güte und den sicheren Schutz des Allmächtigen. Damit besiegte er den Dämon und unterwarf den Höllengeist, der dann elend und aller Freude beraubt als Feind der Menschheit den Weg des Todes ging. Nun wollte auch seine Mutter, düster und grimmig, den schmerzlichen Weg gehen, um den Tod ihres Sohnes zu rächen. (1278)

So kam Grendels Mutter nach Heorot, in die gehörnte Hirschhalle, wo die Helden der Dänen während der Nacht schliefen und nun erneuten Angriff erfuhren, als sie wütend hereinstürmte. Der Schrecken war jedoch geringer, wie auch die Kraft der Frauen im kriegerischen Kampf geringer ist als die von bewaffneten Männern, die kampferfahren mit geschmiedeter Rüstung, stahlbewährtem Eber-Helm und blutgehärtetem Schwert gewaltig zuschlagen. Da wurde in der Halle manch harte Klinge aus der Scheide gezogen und mit eiliger Hand der feste Schild ergriffen. Im ersten Schrecken dachte keiner an seinen Helm und seine Rüstung. Sobald die Angreiferin entdeckt war, versuchte sie, eilig zu entfliehen, um ihr Leben zu retten. Schnell erfasste sie noch einen der edlen Helden mit festem Griff und flüchtete zum sumpfigen Moor. Es war König Hrodgars liebster Held in seinem Gefolge, der mächtigste Schildkämpfer zwischen den Meeren, ein ruhmreicher Mann, den sie auf seinem Ruhebett erfasste und tötete. Beowulf war nicht anwesend, denn ihm wurde anderwärts eine Unterkunft zugewiesen, nachdem man den mächtigen Goten mit den wertvollen Schätzen beschenkt hatte. Ein lauter Aufschrei erscholl in der Hirschhalle, und am Tor ergriff sie fliehend noch die wohlbekannte Klaue ihres Sohnes, die blutverkrustete. (1303)

Da erhob sich erneuter Kummer im Gebäude. Der Handel (zwischen Hrodgar und Beowulf) schien nicht allzu glücklich, denn beide Seiten mussten ihn mit dem Leben von Freunden aus ihrem Gefolge bezahlen. Als der weise König, der grauhaarige Kämpfer, vom Tod seines besten Gefolgsmannes erfuhr, dem liebsten Kampfgefährten, wurde er von großer Traurigkeit erfüllt. Schnell rief man Beowulf, den siegreichen Helden, herbei. Und sobald der Tag anbrach, ging der edle und hochgeehrte Kämpfer mit seinem Gefolge dorthin, wo der greise König wartete und grübelte, ob ihn der Allmächtige nach dieser traurigen Nachricht jemals wieder vom Unheil erlösen könne. Der furchtlose Kämpfer schritt mit seinen treuen Gefährten den getäfelten Flur entlang, dass die ganze Halle davon widerhallte. Mit freundlichen Worten grüßte er den König der Dänen und fragte, ob er die Nacht gut verbracht hatte und was der Grund für die dringende Vorladung sei. (1320)

20. Äschere und das Moor

König Hrodgar, der Hüter der Scyldinge, sprach: „Frage nicht nach Wohlsein, denn neues Leiden traf die Dänen. Äschere („Esche-Heer“) ist tot, Yrmenlafs („des großen Erbes“) älterer Bruder, mein bester Freund, Runen-Kenner und vertrauter Ratgeber, der in jedem Kampf stets an meiner Seite war, wenn es ums Leben ging, die Kämpfer aufeinandertrafen und die Eber-Helme zerschlagen wurden. Jeder Mann sollte so weise und edel sein, wie es Äschere war! Doch nun erfasste und tötete ihn in der Hirschhalle eine höllische Dämonin. Ich weiß nicht, wohin die Gierige, ihres Fraßes froh, geflohen ist. Damit rächte sie bitter, dass du Grendel gestern Nacht im Kampf mit unnachgiebiger Hand gepackt hattest, weil er schon so lange mein Volk zerstörte und tötete. So fiel er im Kampf und verwirkte sein Leben. Doch nun ist eine andere Macht gekommen, eine grausame Zerstörerin, um ihren Verwandten zu rächen, und droht uns auch weiterhin mit ihrem Angriff. Das fürchtet wohl auch mancher von den Helden, der in seinem Herzen schmerzlich um den Verlust des Schatzgebers (Äschere) trauert. Zudem wurde auch die Kralle herabgerissen und geraubt, mit der du unsere Wünsche erfüllt hast (Grendel zu überwinden). (1344)

Ich habe von den Landbewohnern des Volkes und meinen Beratern in der Halle schon oft gehört, dass sie zwei mächtige Riesenwesen im Grenzland umherwandern sahen, die im Moor hausten, fremdartige Geister. Wie sie deutlich erkennen konnten, war eines wie ein Weib gestaltet, und das andere Ungeheuer wanderte in Mannesgestalt durch die Einöde, nur dass er größer als alle anderen Männer war. Die Landbewohner nannten ihn damals „Grendel“ („Zerstörer“). Doch keiner kennt seinen Vater, von welchem dunklen Geist er einst gezeugt wurde. Die beiden (Mutter und Sohn) bewohnen ein verborgenes Reich, wo sich die Wölfe verstecken, ein dunkles Moor bei den stürmischen Klippen, wo der Gebirgsbach im Nebel der zerklüfteten Küstentäler im Abgrund der Erde verschwindet. Nur ein paar Meilen von hier liegt der schreckliche Sumpf am Meer, beschattet von reifbedeckten Hainen, wo sich die Bäume über das Wasser neigen und sich mit ihren Wurzeln kaum noch festhalten können. Dort sieht man allnächtlich ein unheimliches Wunder, ein Feuer im Wasser, das bisher noch kein Menschenkind in seiner Tiefe ergründen und begreifen konnte. Selbst der Hirsch, der mit seinem mächtigen Geweih den Wald bewohnt, gibt, wenn er von den Jagdhunden gehetzt wird, lieber sein Leben am Ufer auf, als kopfüber in dieses unheimliche Wasser zu springen. Es ist wirklich kein heiliger Ort. Aus den Wasserwirbeln steigen die dunklen Nebel bis zu den Wolken empor, stürmische Gewitter ballen sich zusammen, der Himmel wird dunkel und weint schwere Tränen. Wieder kannst nur du allein helfen und heilen! Du kennst jetzt die schreckliche Stätte, wo die sündhafte Dämonin zu finden ist. Versuche es, wenn du dich traust! Ich vergelte dir den Kampf mit wertvollem Gut, mit altgeerbten Schätzen, wie ich es zuvor tat, mit goldenen Ringen, wenn du lebendig zurückkehrst.“ (1382)

21. Der Moor-Weg und Unferths Schwert Hrunting

Darauf sprach Beowulf, Ecgtheows Sohn („Diener der Schwertschneide“): „Sei nicht traurig, weiser Mann! Würdiger ist es für jeden, seinen Freund zu rächen, als endlos zu trauern. In dieser Welt müssen wir alle ein Ende des körperlichen Lebens erwarten. Darum vollbringe jeder, solange er lebt, wahrhaft große und ruhmreiche Taten, denn das ist für den Kämpfer, wenn er stirbt, das Beste. So erhebe dich, Hüter des Königreiches! Lass uns gemeinsam eilen und den Spuren von Grendels Mutter folgen. Ich verspreche dir: Sie entwischt mir weder im Sumpf des Moores, noch im Schoß der Erde, im Waldesdickicht der Berge oder in den Tiefen des Meeres, wohin sie auch flieht. Ich hoffe, du kannst dein Leid noch diesen heutigen Tag mit Geduld ertragen.“ (1396)

Da erhob sich der greise alte König und dankte Gott, dem mächtigen Herrn, für die Worte des Mannes. Schnell wurde für Hrodgar ein Hengst mit geflochtener Mähne gesattelt, und der weise Herrscher ritt wohlgerüstet voran. Ihm folgten die Kämpfer zu Fuß mit ihren Schilden aus Lindenholz. Die Spuren waren am Wald entlang weithin sichtbar, wohin die Dämonin ihren Weg genommen hatte. Durch das dunkle Moor trug sie den entseelten Körper des Besten aller Helden, die mit König Hrodgar ihre Heimat verteidigten. So führte nun der Weg des Königs mit seinem Gefolge durch steile Felsenschluchten, auf schmalen Pfaden, selten begangen, einsam und geheimnisvoll, wo zwischen öden Klippen mancher Wassergeist (Nicor bzw. Nix) hauste. Der König ritt voran mit seinem Gefolge aus weisen Männern, um die Gegend zu erkunden, bis er schließlich einen grauen Felsen fand, über den sich traurig die Bäume des Waldes neigten. Das Wasser davor war von rotem Blut aufgewühlt, und den Helden der Dänen, den Freunden der Scyldinge, traf es tief ins Herz, als dort die Edlen voller Kummer den Kopf von Äschere auf der steilen Meeresklippe aufgespießt sahen. Schrecklich rot schäumte das Wasser vom feurigen Blut. Die Kämpfer starrten hinein, bliesen auf ihren Hörnern ein Totenlied zum Abschied und setzten sich gemeinsam nieder. Da sahen sie im Wasser viele seltsame Wesen schwimmen, Würmer, Schlangen und Drachen, die in der Tiefe lauerten. Und in den Buchten zwischen den steilen Klippen lungerten die Wassergeister, die in den Morgenstunden auf die schiffbrüchigen Seefahrer warten. Doch wie wilde Tiere flohen sie erschrocken und zornig davon, als sie die lauten Jagdhörner der Kämpfer hörten. Da schnellte vom Bogen des gotischen Helden sogleich ein scharfer Pfeil, der tief ins Herz eines Wassergeistes drang und sein tödliches Spiel in den Wellen beendete. Man sah, wie er im Wasser immer träger schwamm, bis er starb. Schnell wurde er im Wellenspiel von den Speeren der Kämpfer, die mit Eberzähnen wie Enterhaken genutzt wurden, erfasst und an Land gezogen, wo die Männer das unheimliche Wesen bestaunten. (1441)

Da legte sich nun Beowulf die glänzende Rüstung an, doch fürchtet nicht im Geringsten um sein Leben. Der von Künstlerhänden gefertigte und geschmückte Brustpanzer sollte nur die körperliche Hülle seiner Knochen beschützen, dass kein bösartiger Feind seine Brust verletzten und mit mörderischer Kralle das körperliche Leben gefährden konnte. So sollte auch der strahlende Helm seinen Kopf schützen, wenn er hinab in die aufgewühlten dunklen Tiefen taucht. Dieser war mit Edelsteinen geschmückt, von einem eisernen Kettengeflecht (für Hals und Nacken) umgeben und mit einem Eber-Symbol gekrönt, wie ihn vor langer Zeit ein Waffenschmied geschaffen hatte, damit er künftig geschwungenen Schwertern widerstehen kann. Schließlich lieh ihm Hrodgars Redner (Unferth als „Unfrieden“) noch sein Schwert, das in der Not nicht die schlechteste Waffe war. Es wurde Hrunting genannt und stammte aus alten Schätzen. Die eiserne Klinge war mit Schlangen verziert, im Kampfblut gehärtet und versagte niemals im Kampf, wenn sie mit starker Hand ein Held schwang, der den Schreckenspfad ins Reich der Feinde zu beschreiten wagte. Schon oft zeigte die Waffe ihre gewaltige Stärke. Der kräftige Recke (Unferth), Ecglafs Sohn („Erbe der Schwertschneide“), konnte sich wohl nicht mehr erinnern, wie er damals vom Wein berauscht geprahlt hatte, als er nun die Waffe dem würdigeren Helden lieh. Denn er selbst wagte nicht, in den aufgewühlten Wellen sein Leben einzusetzen, um die rächende Tat zu vollbringen. So verlor er seinen Ruhm und seine Ehre als Kämpfer, ganz anders als Beowulf, der sich kühn zum Kampf rüstete. (1472)

22. Im Wasserreich der Meer-Wölfin

Da sprach Beowulf, Ecgtheows Sohn: „Ich bin kampfbereit, weiser König! Nun gedenke der Worte, ruhmreicher Sohn von Healfdene und Goldfreund der Menschen, worüber wir vorhin gesprochen haben: Wenn ich in deinem Dienst fallen sollte, dann erfülle nach meinem Ableben die versprochenen Pflichten eines Vaters. Hilf meinen Stammesgenossen, dem treuen Gefolge, wenn der Tod mich hinrafft, und schicke auch die Schätze, die du mir geschenkt hast, lieber Hrodgar, an meinen König Hygelak. Dann wird der Herrscher der Goten, der Sohn von Hredel, an diesen Schätzen erkennen, dass ich einen edlen, tugendhaften und freigebigen König gefunden habe, der zur großen Freude goldene Ringe spenden kann. Und gib auch dem berühmten Unferth das weitbekannte und scharfe Kampfschwert zurück, das alte Erbstück. Dann habe ich versucht, mit Hrunting Ruhm zu erlangen, wurde aber vom Tod davongetragen.“ (1491)

Nach diesen Worten eilte der edle Goten-Held mutig zum Kampf, ohne auf irgendeine Antwort zu warten. Die Wogen des Meeres umfingen den Kämpfer. Es dauerte den halben Tag, bis er so tief getaucht war, dass er den Grund erreichen konnte. Schon bald bemerkte die gierig, hungrige und grimmige Dämonin, die dort schon ein halbes Jahrhundert (solange auch Hrodgar regierte) im sumpfigen Grund hauste, dass einer der Menschen von obenher in das fremde Reich eingedrungen war. Schnell tastete sie sich heran und ergriff den Kämpfer mit ihren schrecklichen Klauen. Doch sie konnte den heilen Körper nicht zerquetschen, denn der Brustpanzer schützte ihn von außen, so dass sie mit ihren feindseligen Krallen die ineinander gewundenen Rüstungsringe nicht durchdringen konnte. Daraufhin umklammerte die Meer-Wölfin den Herrn der Ringe, der auf den dunklen Grund gekommen war, und schleppte ihn in ihre Höhle. So mutig er auch war, er konnte (in der Dunkelheit) seine Waffen nicht gebrauchen, obwohl ihn viele wilde Wesen in der Tiefe angriffen, manches Meeresungeheuer mit scharfen Zähnen an seiner Rüstung zerrte und ringsherum schreckliche Gefahren lauerten. Bald fand sich der Held in einem geräumigen Gewölbe wieder, wie er es noch nie erlebt hatte, wo ihn kein Wasser mehr bedrückte, denn die Decke der Halle hielt die wild anstürmende Strömung zurück. Ein winziges Feuer brannte hier mit blassem Lichtschein, und darin sah der gute Mann die Wölfin des Grundes, das mächtige Meer-Weib. (1519)

Da schwang er nun sein Kampfschwert (Hrunting) mit starker Hand zum gewaltigen Schlag, so dass die scharfe Klinge auf ihrem Kopf ein feuriges Kampflied sang. Doch der Held erkannte bald, dass dieses flammende Kampfschwert nicht eindringen konnte, um den Feind zu bezwingen. So versagte die scharfe Schneide dem Edlen gerade in der größten Not. Sie hatte schon viele Nahkämpfe bestanden, Helme gespalten und Rüstungen der Todgeweihten zerschlagen. Nun war es das erste Mal, dass diesem kostbaren Schatz die vielgerühmte Macht versagte. Aber der Neffe von Hygelak ließ sich davon nicht entmutigen. Er erinnerte sich an seine eigene ruhmreiche Heldenkraft und warf das kostbare, mit Schlangen verzierte Schwert beiseite, so dass die nutzlose Klinge aus hartem Stahl am Boden lag. Dann stand er mutig und entschlossen im Vertrauen auf seine eigene Stärke und die Macht seiner Hände. So sollte ein Mann im Kampf handeln, um unsterbliches Lob zu verdienen, und sich nicht um sein Leben sorgen. Da packte der kampferfahrene Gote, der den Kampf nicht fürchtete, Grendels Mutter an der Schulter und rang die Todfeindin nieder, dass sie zu Boden fiel. Doch sie vergalt es ihm schnell mit gleicher Münze, umklammerte den starken Helden mit zornigem Griff, dass er wankte und zu Boden stürzte. Dann kniete sie mit ihrer ganzen Last auf ihm nieder und zog ein Messer mit scharfer Klinge, um den Sohn zu rächen, der ihr einziger Nachkomme war. Doch Beowulfs Brust und Hals wurden von seinem Brustpanzer und dem Kettengewebe beschützt, die jedes Eindringen der spitzen Schneide verhinderten und sein Leben bewahrten. Der Sohn von Ecgtheow (als „Diener der Schwertschneide“), der größte Held der Goten, wäre wohl am Meeresgrund umgekommen, wenn ihm die feste und wohlgefügte Kampfrüstung nicht geholfen hätte, und natürlich der heilige Gott, der den wahren Sieg im Kampf gewährt. Dieser weise Herr und Herrscher des Himmels entschied einfach mit Gerechtigkeit, und so kam der Held wieder auf seine Füße. (1556)

23. Grendels Haupt

Da sah er unter (bzw. über) allen anderen Waffen ein siegverheißendes Riesenschwert, eine uralte Waffe mit reiner Klinge, ein unvergleichlicher Schatz der Kämpfer, doch so übergroß, dass sie kein gewöhnlicher Mann im Kampf schwingen konnte, ein mächtiges und prächtiges Gigantenwerk. Dieses mit mystischen Ringen verzierte Schwert ergriff der Kämpfer im Dienst der Scyldinge. Entschlossen, mutig und im gerechten Zorn ergrimmt hob er das mächtige Schwert der Ringe und schwang es mit all seiner Kraft für die Hoffnung des Lebens, so dass es durch den Hals der Meer-Wölfin drang, das Fleisch durchschnitt und die harte Wirbelsäule zerschlug. Die geköpfte Leiche sank blutend zu Boden, und Beowulf freute sich als Held begeistert über diesen Sieg. Da erstrahlte in der tiefen Höhle ein helles Licht, wie vom Himmel herab die Sonne scheint. In diesem Licht schaute sich Hygelaks Held in der Halle achtsam um und schritt an der Höhlenwand entlang mit erhobenem Schwert, mutig und entschlossen. Die riesige Schneide sollte dem Helden noch nützlich sein, um das große Unheil zu vergelten, das Grendel immer wieder im Volk der Dänen angerichtet hatte, als er die Gefolgsleute von König Hrodgar im Schlaf überwältigte und verschlang, fünfzehn dänische Helden auf einmal, und die gleiche Anzahl schleppte er noch als grausame Beute fort. Für diese unheilsamen Taten zahlte ihm jetzt der mutige Kämpfer den gebührenden Lohn. Denn auf einem Lager erblickte er den kampferschöpften Grendel leblos liegen, weil er sich während des Kampfes in der Hirschhalle tödlich verwundet hatte. Noch einmal bäumte sich der erstarrte Körper hoch empor, als ihn ein mächtiger Schwerthieb traf und die scharfe Schneide das Haupt abschlug. (1590)

Da sahen nun die scharfsinnigen Kämpfer, die mit König Hrodgar am Ufer warteten und Ausschau hielten, wie sich die aufgewühlte Wellenflut vom Blut ganz rot färbte. Die gealterten und graubärtigen Helden des guten Königs meinten, dass es nun keine Hoffnung mehr gäbe, dass der edle Gotenheld im Triumph des Sieges zurückkehren werde, um den glorreichen Herrscher aufzusuchen. Fast alle glaubten, dass die Meer-Wölfin ihn getötet und vernichtet hatte. Da kam die neunte Stunde des Tages (nach Sonnenaufgang, und der Abend nahte). Die tapferen Scyldinge verließen das Ufer mit ihrem König, dem Goldfreund der Menschen, der nun heimwärts ritt. Nur die gotischen Gäste blieben mit schwerem Herzen zurück und starrten in das blutrote Meer. So sehr sie es auch wünschten, doch die Hoffnung schwand, ihren mutigen Führer und geliebten Freund lebendig wiederzusehen. (1605)

Mittlerweile geschah in der Höhle ein großes Wunder, denn die riesige Schwertklinge begann, im Blut des Kampfes wie ein Eiszapfen zu schmelzen. Als hätte der große Vater, der über Stunden und Jahreszeiten herrscht, die Fesseln des Frostes gelöst und das Wasser von seiner Bindung befreit, denn er ist der wahre Schöpfer. Manche Schätze sah der kühne Gotenführer in dieser Höhle, doch nichts davon nahm er mit, als nur Grendels Haupt und den kunstvoll verzierten Griff des riesigen Schwertes, dessen Klinge (wie auch die Höhle selbst) im feurig-heißen Blut zerschmolz, darin jeder fremdartig-feindliche Geist wie in einem Gift verging. Sogleich schwamm er wieder im Wasser, der im Kampf überlebte und die Feinde besiegt hatte. Durch die Strömung tauchte er empor, und gereinigt war das Reich der Wellenwirbel, das weite Meer, wo die feindlichen Geister die Grenze des vergänglichen Lebens erreichten. (1622)

So schwamm der Anführer der Seefahrer mit tapferem Herzen durch die Wellen zurück ans Land und freute sich der Beute aus dem Meer, der mächtigen Last, die er mit sich führte. Schnell eilten seine Gefolgsleute dem mächtigen Helden entgegen, dankten Gott und freuten sich, ihren Führer heil und gesund wiederzusehen. Da nahm der Held seinen Helm ab und öffnete seinen Brustpanzer. Die aufgewühlten Wellen beruhigten sich, das vom Kampfblut rotgefärbte Meer unter den Wolken. Dann gingen sie zu Fuß ihren Weg zurück, und mit glücklichen Herzen folgten sie den vertrauten Pfaden über die Erde. Vom klippenreichen Ufer trugen die kühnen Helden den riesigen Kopf. Vier starke Männer aus dem furchtlosen Gefolge mussten den Grendel-Kopf gemeinsam auf einem Kampfspieß mühsam zur goldverzierten Halle tragen. Erst spät erreichten die vierzehn tapferen und wehrhaften Kämpfer der Goten ihr Ziel, angeführt vom mächtigen Helden auf ihrem Weg über die Ebene vor dem Met-Saal. Dann betrat der mutige Gotenführer, der ruhmgekrönte Held, die Hirschhalle, um König Hrodgar zu begrüßen. Und hinter ihm zog man Grendels Kopf an den Haaren vor die trinkenden Männer: Ein schrecklicher Anblick für alle Herren und Damen, ein wundersames und höchst erstaunliches Schauspiel. (1650)

24. Beowulf übergibt die Trophäen und Hrodgars Rede

Beowulf, Ecgtheows Sohn, sprach: „Höre mich an! Mit Freude bringen wir dir, dem Sohn von Healfdene und König der Dänen, als Wahrzeichen des Sieges diese Beute aus dem Meer, die du hier siehst. Es war nicht leicht, diesen Kampf auf dem Grund des Wassers zu überleben, den ich mutig mit großer Mühe wagte. Der Kampf wäre wohl mein schnelles Ende gewesen, wenn Gott mich nicht beschützt hätte. Mit dem Schwert Hrunting konnte ich in diesem Kampf nichts ausrichten, obwohl die Waffe sonst so wirksam ist. Doch der Herrscher der Welt gewährte mir, dass ich an der Höhlenwand ein mächtiges, riesiges und uraltes Schwert erblickte. So führt er oft die Hilflosen, so dass ich diese Waffe zog, schwang und die Hüterin der Höhle im Kampf schlagen konnte, als sich die Gelegenheit dazu bot. Doch dann zerschmolz die harte Klinge, die mit Ringen verziert war, im heißen Kampfesblut, das aus den Wunden floss. Nur den Schwertgriff konnte ich von den Feinden mitbringen, nachdem ich die üblen Taten gehörig gerächt hatte, das schreckliche Morden der Dänen. Nun verspreche ich dir, dass du in der Hirschhalle mit deinen Helden und Edlen des Volkes, jung und alt, sicher schlafen kannst. Die bisherige Gefahr (in der Nacht) für das Leben deiner Kämpfer, oh König der Scyldinge, brauchst du nicht mehr zu fürchten.“ (1676)

Mit diesen Worten wurde der goldene Griff dem alten König, dem ergrauten Führer im Kampf, in die Hand gegeben, der Griff des uralten gigantischen Werkes. So kam dieses Wunderwerk der Schmiedekunst nach dem Sieg über die Dämonen zum König der Dänen. Ja, nachdem das Wesen der Zerstörung, Gottes Widersacher, der des Mordes schuldig war, zusammen mit dessen Mutter besiegt war, ging dieser Schatz in den Besitz des irdischen Königs über, des Besten zwischen den beiden Meeren, der im Norden goldene Reichtümer gewährte. Mit größter Bewunderung beschaute sich Hrodgar den Schwertgriff, das alte Erbstück, auf dem das Urbild uralten Kampfes eingraviert war, wie die strömende Flut des Meeres das Geschlecht der Riesen verschlang, die überheblich und übermächtig wurden. Sie entfremdeten sich dem ewigen Herrn und empfingen schließlich durch die Flut des Wassers ihren Lohn vom Allmächtigen. So waren auf dem Schwertgriff aus glänzendem Gold auch Runenzeichen geritzt, für wen das gigantische Schwert ursprünglich geschmiedet wurde, die vorzügliche Waffe mit dem gewundenen Griff und den Schlangenbildern. (1698)

Dann sprach der weise König, der Sohn von Healfdene, und alle schwiegen und lauschten: „Wer Wahrheit und Recht im Volk beschützt, kann wohl als erfahrener Greis und Hüter des Heimatlandes sagen: Nie wurde ein größerer Held geboren als Beowulf. Weit wird sich dein Ruhm über alle Völker verbreiten, mein Freund. Mögen dir heldenhafte Stärke und Weisheit auch künftig nicht fehlen! Bleibe mir treu, wie ich dir und den deinen treu bleibe, deinem Volk ein verlässlicher Helfer und den Helden eine Stütze. Im Gegensatz zu Heremod, der nicht als edler Scylding (Beschützer) für die Nachkommen von Ecgwela (dem „Reichtum der Schwertschneide“) handelte. Nicht zur Freude, sondern zum Fluch gedieh er, zum Verderben und Untergang des dänischen Volkes. Im wütenden Zorn tötete er seine Tischgenossen, sein eigenes Gefolge, bis der König einsam und freudlos aus der Gemeinschaft der Menschen fliehen musste, obwohl ihn der ewige Gott zur Freude und Macht vor allen anderen Helden erhoben hatte. Doch in seinem Herzen wuchs ihm der Trieb nach Mord. So schenkte er den Dänen keine goldenen Ringe, wie es ihm gebührte, sondern lebte freudlos und erlitt das Unheil des Kampfes, unter dem auch das ganze Volk leiden musste. Lerne daraus und verstehe den Wert der Tugend! Zu deinem Wohl habe ich diese Geschichte erzählt, der ich viele Winter erfahren habe und alt geworden bin.“ (1724)

25. Weitere Betrachtungen des Königs

Und König Hrodgar fuhr fort: „Es ist ein Wunder, wie der allmächtige Gott dem Menschengeschlecht durch die Kraft des Geistes Verstand, Herrschaft und Besitz verleiht, denn er vermag alles. Oft läßt er Gedanken und Verstand der Hochgeborenen in stetiger Freude und Frohsinn schweben und schenkt ihnen das irdische Glück des eigenen Besitzes, um auf hoher Burg als Herrscher zu walten und einen Teil der Welt seiner Macht zu unterwerfen, so dass er in seiner Unwissenheit die Vergänglichkeit nicht bedenkt. Er schwelgt im Überfluss, unbeschwert von Krankheit und Alter, kein böser Kummer verdunkelt seinen Sinn, und kein feindlicher Hass triff ihn. So dreht sich die ganze Welt um sein sinnliches Vergnügen nach seinem Willen, und er kennt es nicht anders. Bis in ihm der stolze Übermut keimt, wächst und sprießt, wenn der Wächter und Bewahrer der Seele schläft. Tief und fest ist dieser Schlaf, der ihn machtvoll umschließt, und der Zerstörer und Mörder ist nah, der vom feurigen Bogen die Pfeile sendet. Da hilft ihm kein Helm und kein Brustpanzer. Denn die bitteren Pfeile kommen aus seinem eigenen Herzen, weil er den Geboten des unheilsamen Geistes folgt. Dann scheint ihm alles zu wenig, was er lange Zeit besessen und beherrscht hat. So überwältigt ihn die Begierde, und in seinem überheblichen Stolz schenkt er keine goldenen Ringe mehr. Er bedenkt nicht, wo dieser Weg hinführt, und vergisst, was Gott ihm alles gegeben hat, der Herr der Herrlichkeit und Verleiher aller Ehren. Doch unverhofft kommt sein Ende, der geliehene Körper versagt und verfällt kläglich dem Tod. Dann übernimmt ein anderer Körper den angesammelten Schatz und verschwendet achtlos das alte Erbe seines Vorfahren. (1757)

Darum, lieber Beowulf, hüte dich vor diesem unheilsamen Kampf, bester Kämpfer, und wähle das Bessere, das ewige Heil. Meide den überheblichen Stolz, ruhmreicher Held! Gegenwärtig blüht deine Stärke, doch bald schon kann dich Krankheit oder das Schwert davon scheiden, wie auch der Angriff des Feuers, die Flut des Wassers, die Spitze eines Speeres, die Schneide einer Klinge oder das tückische Alter, das deine Augen trübt und deine Sinne schwächt, bis mit unaufhaltsamen Schritten der Tod kommt und auch dich, großer Held, überwältigt. So herrschte auch ich ein halbes Jahrhundert unter dem Himmel über das Volk der Dänen und beschützte sie im Kampf vor manchem Feind in der Menschenwelt (in Midgard), vor Schwertern und Speeren, bis ich schließlich selbst glaubte, unter dem weiten Himmel keinen Feind mehr zu haben. Doch es kam anders, und im eigenen Reich wurde das Glück in Leiden verkehrt, als der böswillige Grendel nächtlich meine Halle heimsuchte. Seine Heimsuchungen brachten mir immer neuen Seelenkummer. Dank sei dem allmächtigen Schöpfer, dem ewigen Herrn, dass ich noch lebe und jetzt mit eigenen Augen das blutbefleckte Haupt des Unheilstifters nach all dem Kampf und Leiden noch sehen darf! Nun geh zur Met-Bank, nimm deinen Platz ein und erfreue dich am Festmahl zu deinen Ehren, die du im Kampf verdient hast. Wenn der neue Tag anbricht, werden wir noch viele Schätze unter uns teilen.“ (1784)

Mit frohem Herzen begab sich der Gote zu seinem Platz, wie der weise König befohlen hatte. Nun war es wieder wie früher für die mutigen Kämpfer in der Halle, denen hier ein köstliches Festmahl bereitet wurde.

Bald brach die Nacht herein und begann, alles in Dunkelheit zu hüllen. Da erhob sich das Gefolge des alten Königs, und der grauhaarige Scylding wünschte, sich in sein Schlafgemach zurückzuziehen, wie auch der heldenhafte Gote, der so tapfer gekämpft hatte, der Ruhe bedürftig war. Ein Hallendiener versorgte die müden Gäste, die als Seefahrer von weither über das Meer gekommen waren, und kümmerte sich um alle Bedürfnisse der Helden, wie es in jenen Tagen für fremde Kämpfer Brauch war. Dann ruhte der Held mit seinem Gefolge in der hochaufragenden goldgeschmückten Halle, bis die schwarzen Raben (wie bei uns die Amseln) voller Freude unter dem Himmel die Morgendämmerung eines neuen Tages verkündeten. Die nächtliche Dunkelheit verschwand im heiteren Licht, die gotischen Kämpfer erhoben sich in freudiger Eile und wünschten jetzt, wieder heimwärts zu fahren. Der hochbeseelte Führer sollte ihr Schiff in die Ferne lenken. Zuvor gab er dem Sohn von Ecglaf noch das Schwert Hrunting zurück und bedankte sich für die willig geliehene Waffe, die Unferth so liebte. Er nannte das Schwert einen nützlichen Helfer im weltlichen Kampf und tadelte die treffliche Schneide nicht, wie es einem edlen Helden gebührt. Dann waren die Kämpfer zum Aufbruch bereit, gerüstet und bewaffnet. Mit ihrem hochgeehrten Führer an der Spitze schritten sie zum hohen Thron, um vom edlen König Hrodgar Abschied zu nehmen. (1816)

26. Der Friedensbund zwischen Goten und Dänen

Beowulf, Ecgtheows Sohn, sprach: „Melden wollen wir als Seefahrer, die von weither gekommen sind, dass wir nun zu König Hygelak zurückkehren wollen. Ihr wart uns wohlgesinnt, und unsere Wünsche wurden erfüllt. Falls ich auf Erden mit weiteren Taten im Kampf deine Zuneigung gewinnen kann, oh Herr der Menschen, dann bin ich jederzeit bereit. Wenn ich über das Meer erfahre, dass ihr von Nachbarvölkern feindlich bedroht werdet, wie es aus Hass schon oft geschah, werde ich mit tausend kampfbereiten Helden zu Hilfe kommen. Ich weiß von Hygelak, dem König der Goten und Beschützer des Volkes, obwohl er noch nicht alt und weise ist, dass er mich mit Rat und Tat unterstützen wird, damit ich dich gebührend ehren und dir zu Hilfe einen Schutzwall aus Speeren bringen kann, wenn Stärke und Helden gebraucht werden. Und kommt dein Sohn Hredric („Ehr-Herrscher“) einmal zum Hof der Goten, wird er dort viele Freunde finden. Denn wer wahrhaft mächtig ist, wird auch fremde Länder mit Nutzen besuchen.“ (1839)

Darauf erwiderte König Hrodgar (als „Speer der Ehre“), Healfdenes Sohn: „Diese Worte gab dir der weise Schöpfer selbst ins Herz. Noch nie habe ich einen so jungen Mann so weise reden hören. So stark dein Arm im Kampf ist, so weise ist dein Herz in der Wahl der Worte. Wenn dein Herr und König Hygelak (als „Spiel des Verstandes“), Hredels Sohn, irgendwann in grimmiger Schlacht durch feindliche Speere, Schwerter oder Krankheit als Beschützer deines Volkes fallen sollte, und du überlebst, dann sehe ich für die See-Goten keine bessere Wahl für einen König und Hüter des Schatzes als dich, um das Reich deiner Vorfahren zu regieren. Dein Geist und Herz gefallen mir um so besser, je länger ich dich kennenlerne, mein lieber Beowulf. Du hast es erreicht, dass die beiden Völker der Goten und Dänen künftig in Frieden zusammenleben und die ehemaligen Feindseligkeiten verschwinden, die wir ertragen mussten. Solange ich noch das weite Reich regiere, lasst uns Schätze tauschen. Geschenke wollen wir gegenseitig mit Schiffen über das Meer senden, auf dem Weg der Seevögel, von Land zu Land als Liebeszeichen. Beständig seien unsere Völker sowohl den Feinden als auch den Freunden gegenüber, in allem tadellos und nach alter Weisheit.“ (1865)

Dann übergab ihm der König, der Sohn von Healfdene und Beschützer der Edlen, noch zwölf Schätze mit dem freundlichen Wunsch, mit all diesen Gaben das geliebte Volk der Goten gesund und munter aufzusuchen und bald wieder zurückzukehren. Dann umarmte der weise Scylding den edlen Helden und küsste ihn so herzlich, dass dem wahrhaften König die goldenen Tränen in den grauen Bart liefen. Trotz seines Alters hoffte er mit tiefster Weisheit, dass sie sich in dieser Halle zum geistigen Austausch wiedersehen werden. Der Freund war ihm so lieb, dass er das Aufwallen in seiner Brust nicht zurückhalten konnte, denn in seinem Herzen wogte die väterliche Liebe zum edlen Jüngling, ein sehnsüchtiges Feuer, das im Blut brannte. Dann schritt Beowulf voller Freude über das Gold und die gegebenen Schätze hinaus in die grünende Landschaft. Am Strand wartete das seetüchtige Schiff auf seinen Herrn und Führer, das dort vor Anker lag. Auf dem Weg dorthin wurden Hrodgars wertvolle Geschenke noch öfters gepriesen. Er war in allem ein tadelloser König, bis auch ihn das Alter seiner Kraft beraubte, das schon so viele überwältigt hatte. (1887)

27. Heimkehr ins Gotenland und die Geschichte von Thryth und Offa

Es kamen die mutigen jungen Kämpfer zum Meer, eingehüllt in ihre Rüstungen und Kettenpanzer. Der Grenzwart, der wie immer wachsam war, bemerkte die Rückkehr der Helden. Doch anstatt die Gäste vom Felsenvorsprung herab mit strengen Worten zu begrüßen, ritt er ihnen entgegen und hieß das Gotenvolk willkommen. In strahlenden Rüstungen begaben sich die Kämpfer zum Schiff. Am sandigen Strand wurde das seetüchtige Boot mit dem geschwungenen Bug mit Kampfausrüstung, Rossen und Schätzen beladen. Hoch ragte der Segelmast über Hrodgars herrlichen Gaben. Daraus wählte der Anführer für den Wächter des Bootes ein vergoldetes Schwert, ein altes Erbstück, mit dem dieser neben allen anderen Schätzen an der Met-Bank um so würdiger erschien. Dann eilte er an Bord und verließ mit dem Schiff das Dänenland, um die aufgewühlten Wellen des Meeres zu erobern. Am Mast war mit Seilen ein mächtiges Segel befestigt, und der Schiffsleib bäumte sich stöhnend auf, dem nun der Wind auf der Wasserstraße Flügel verlieh. So durchschnitt das Wogenross der Seefahrer mit seinem geschwungenen Bug die schaumgekrönten Wellen der dunklen Meeresströmung, bis die gotischen Klippen und wohlbekannten Landzungen in Sicht waren. Und weiter drang das Schiff, vom Wind getrieben, bis es am Ufer zur Ruhe kam. (1913)

Der Hafenwächter, der schon lange unruhig nach den geliebten Männern Ausschau gehalten hatte, war schnell bereit. Er vertäute das wohlbeladene Schiff mit Ankerleinen fest im Sand, damit der Ansturm der Wellen das treffliche Holzgefährt nicht fortreißen konnte. Dann ließ er die gewonnenen Schätze der Helden, das Gold und die Reichtümer, hinauf zur Königsburg tragen. Denn Hygelak („Spiel des Verstandes“), der Sohn von Hredel („Befreier“) und Spender der Schätze, wohnte mit seinem Gefolge nicht fern vom Meeresufer. Die Burg ragte stolz hervor mit ihrer hochgewölbten Halle für den heldenhaften König. Die junggebliebene Königin an seiner Seite war die weise und tugendhafte Hygd („Verständige“), Häreds Tochter („Menschen-Rat“), die schon einige Jahre hinter den Burgmauern lebte und waltete. Dabei war sie weder verschwenderisch, noch geizig im Schenken reicher Schätze an das Volk der Goten. (1931)

Stammbaum Beowulf: Swerting, Hredel, Hygelac, Heardred

Ganz anders als einst die stolze Thryth („Gewalt“), die berüchtigte Königin, die schreckliche Verbrechen beging. Denn kein Held, nicht einmal aus dem eigenen Gefolge, außer ihrem eigenen Ehemann, durfte sich wagen, ihr im Licht des Tages in die Augen zu schauen. Von Fesseln des Todes wurde so einer gebunden, die von ihrer Hand geflochten waren. Dann wurde unverzüglich die Strafe für den Gefangenen verhängt und mit scharfem Schwert vollstreckt, ein tödliches Urteil. So sollte keine Königin handeln, auch wenn sie noch so schön ist. Sie sollte den Frieden fördern und nicht für eingebildete Beleidigungen Unschuldige töten. Diesem Treiben gebot Hemmings Nachkomme Einhalt („Heime-Ing“ für „Körper-Vater bzw. Gott Freyr“). Denn die Biertrinker erzählen, dass sie immer weniger Bosheit und Unheil gegenüber dem Volk übte, seitdem sie goldgeschmückt zur Ehefrau des jungen Kämpfers edler Abstammung wurde. Auf weisen Wunsch ihres Vaters reiste sie fern über das dunkle Meer zur Halle von König Offa („Offerieren“), wo sie später gemeinsam mit ihm auf dem Thron saß. Bald wurde sie durch die Kraft der Liebe für ihre Tugend berühmt und erfreute sich eines langen Lebens zusammen mit dem geliebten Herrn der Helden, der von allen Männern, wie ich hörte, der Herrlichste zwischen den Meeren im Reich der Menschen war. Denn Offa war als reicher Gabenspender und speergewaltiger Kämpfer weithin berühmt und beherrschte mit Weisheit sein Heimatland, das Erbe seiner Väter. Von ihm stammte Eomer („Kampfpferd- bzw. Körper-Ruhm“) ab, Garmunds Enkel („Speer-Beschützer“) und Hemmings Nachkomme („Körper-Vater bzw. Körper-Gott“), ein Beschützer der Helden und mächtig im Kampf. (1962)

Stammbaum Hemming, Garmund, Offa und Eomer

28. Übergabe der Schätze und die Geschichte von Freawaru

Nun betrat der kühne Held mit seinem treuen Gefolge das sandige Ufer am Meeresstrand. Über ihnen schien das Licht der Welt, die strahlende Sonne von Süden her. Die Seefahrer hatten die Reise überlebt und schritten nun zügig dahin, wo der Beschützer der Menschen und Sieger über Ongentheow (dem „Diener der Trennung“) als junger Kampfkönig in seiner Burg saß und dort goldene Ringe verteilte. Schnell hatte man König Hygelak die Ankunft von Beowulf gemeldet, dass er lebendig und unverletzt aus dem Spiel des Kampfes zum Königshof zurückgekehrt war, der Beschützer der Helden und treue Schildgefährte. Rasch wurde auf Befehl des Königs der Saal für die ankommenden Besucher vorbereitet, und der Herrscher begrüßte seinen treuen Freund mit zeremonieller Rede und gewählten Worten. Dann setzte sich der siegreiche Held in der Nähe seines Oheims nieder, und Königin Hygd, die Tochter von Häred, lief in ihrer Liebe zum Volk mit dem Metkrug durch den Saal und füllte allen Helden die Becher. Danach fragte Hygelak in der festlichen Halle, von Neugier getrieben, mit freundlicher Rede den Saalgenossen, ob die Fahrt der Goten erfolgreich gewesen war: „Wie erging es dir auf der Reise, mein lieber Beowulf, als du schnellentschlossen in die Ferne strebtest, um über das salzige Meer hinweg den Kampf in der Hirschhalle Heorot zu suchen? Konntest du den erhabenen König Hrodgar von dem allbekannten Unheil erlösen? Voller Sorge war ich und kochte vor Kummer im Herzen. Ich fürchtete um meinen lieben Gefährten, denn ich hatte dich lange gebeten, den Mördergeist nicht herauszufordern, sondern den Dänen selbst den Kampf gegen Grendel zu überlassen. Nun danke ich Gott, dich gesund und munter wiederzusehen!“ (1998)

Darauf sprach Beowulf, Ecgtheows Sohn: „Es ist kein Geheimnis, mein König Hygelak, und vielen Menschen wohlbekannt, wie der Kampf zwischen Grendel (dem „Zerstörer“) und mir in jener Halle stattfand, wo er den siegreichen Scyldingen („Beschützern“) immer wieder so großes Unheil und Leiden zugefügt hatte. Das alles habe ich gerächt, so dass sich dort kein einziger Verwandter von Grendel während der Nacht noch rühmen kann, mit zerstörerischem Hass das körperliche Leben anzugreifen. Zuvor begrüßte ich König Hrodgar in der hohen Halle, und nachdem der edle Sohn von Healfdene die Absicht meines Herzens vernommen hatte, wies er mir bei seinen eigenen Söhnen einen Sitz zu. Die Gesellschaft war fröhlich, und ich habe in meinem Leben unter dem Himmelsdach niemals größere Freude gesehen als die der Hallengäste beim Met-Trinken. Oft ging die berühmte Königin und Friedensbürgin der Völker durch die ganze Halle und ermunterte die jungen Helden. Und oft gab sie den Kämpfern goldene Ringe, bevor sie zu ihrem Platz zurückkehrte. Manchmal trug auch Hrodgars Tochter den Bierkrug zu den edlen Helden. Sie wurde von den Leuten in der Halle Freawaru genannt („Göttin Frigg bzw. Freya bewahren“), wenn sie den Helden den juwelenverzierten Becher reichte. Und sie war als goldgeschmückte junge Braut dem Sohn von Froda („dem Weisen“) zur Freude versprochen. (2025)

Dies schien dem Nachkommen von Scylding als Beschützer des Königreiches ratsam, um durch dieses Bündnis einen Großteil alter Fehden und Streitigkeiten zu schlichten. Doch der mörderische Speer ruht nur selten lange, wenn ein führender Fürst getötet wurde (vermutlich Froda, der Vater des Bräutigams), wie schön auch die Braut sei. Schon bald wird es dem jungen Fürsten der Heatho-Barden („Kampf-Barden bzw. kämpfende Sänger und Dichter“) und jedem Kämpfer dieses Volkes mißfallen, wenn er mit der jungen Frau aus dem Dänen-Reich in der Halle wandelt und die dänischen Helden aus ihrem Gefolge bewirtet werden. Denn an ihnen glänzt manch altes Erbstück ihrer Ahnen, manch blanke Waffe, die den kämpfenden Barden als Schatz gehörte, solange sie diese zu führen wussten, bis sie im Kampfspiel ihre lieben Gefährten und ihr eigenes Leben ins Verderben geführt hatten. Dann murrt beim Biertrinken manch alter Speerkrieger, der das altbekannte Erbe wiedersieht und sich mit Groll im grimmigen Herzen an die Niederlage erinnert. Voller Trauer beginnt er, durch sinnende Gedanken aus seinem Herzen den Kampfgeist des jungen Fürsten zu wecken und spricht (zum Sohn des Froda namens Ingeld, „Lohn des Ing bzw. Gott Freyrs“): „Mein Freund, erkennst du das glänzende Schwert wieder, das dein Vater im letzten Gefecht trug, als er unter seinem Kampfhelm in die Schlacht zog? Da töteten ihn die Dänen, als sie das Schlachtfeld beherrschten und die Vergeltung scheiterte, so dass unsere Helden von den mächtigen Scyldingen überwältigt wurden. Nun betritt hier der Sohn dieses Mörders im Triumph unsere Halle, prahlt mit dem Mord und trägt den Schatz, den du rechtmäßig besitzen solltest.“ So stachelt und erinnert er den jungen Fürsten immer wieder mit schmerzlichen Worten, bis es (vielleicht irgendwann) geschieht, dass der jugendliche Kämpfer aus dem Gefolge der Fürstin (Freawaru) die ehemalige Tat seines Vaters kläglich büßen muss, von der Schwertklinge getroffen, und blutend sein Leben verwirkt. Der andere entkommt lebend, weil er des Landes kundig ist. Dann werden auf beiden Seiten die geschworenen Eide der Kämpfer gebrochen, wenn in Ingeld tödlicher Hass kocht und die Liebe zu seiner Frau im Streit abkühlt. Deshalb baue ich nicht auf die Treue der kämpfenden Barden, die den Dänen nur schwerlich zu dauerhafter Freundschaft geneigt sind.“ (2069)

Stammbaum Scyld, Beowulf, Healfdene, Hrodgar, Hredric, Hrodmund

29. Beowulf berichtet vom Kampf

Beowulf sprach weiter: „So will ich nun von Grendel berichten, damit dir, dem Geber der Schätze, ausführlich bekannt wird, wie der Ringkampf Mann gegen Mann geschah. Als das leuchtende Himmelsjuwel am irdischen Horizont unterging, kam der hasserfüllte Feind in der Nacht, um uns heimzusuchen, während wir die Halle heil und gesund bewachten. Da fiel Hondscioh („Hand-Schuh“) gleich am Eingang seinem tödlichen Hass zum Opfer. Grendels Gebiss zermalmte den gerüsteten Recken, und dann verschlang der Riese den ganzen Körper unseres geliebten Freundes. Doch der boshafte Mörder, dessen mächtige Zähne vom Blut trieften, wollte die goldverzierte Halle nicht mit leeren Händen verlassen. Da erprobte er auch an mir die Stärke seiner Krallen mit gewaltigem Griff. An einem kunstvoll gefertigten Gürtel trug er einen großen, wundersamen Sack, der mit Stricken gebunden und durch teuflische List aus Drachenhaut gemacht war. Dahinein wollte mich der dreiste Dämon stopfen, mich Unschuldigen und noch weitere mehr. Doch er konnte es nicht, denn ich stand aufrecht (bewusst) inmitten des Zorns. Es würde zu lange dauern, alles zu erzählen, wie ich dem Schrecken des Volkes für jedes Unheil mit der Hand den Lohn gezahlt habe, um durch diese Tat, mein König, dein Volk zu ehren. Er konnte zwar entkommen, doch er durfte sich nicht mehr lange seines Lebens erfreuen, denn er musste seinen rechten Arm als Opfer in der Hirschhalle zurücklassen. So zog er sich sterbend und im Herzen zutiefst betrübt in den dunklen Sumpf des Meeres zurück. Für diesen schweren Kampf belohnte mich der Anführer der Scyldinge reichlich mit Gold und vielen wertvollen Schätzen, als der Morgen kam und wir uns frohgemut zum Festmahl niedersetzten. Da gab es Klang und Gesang, und der graubärtige Scylding erzählte viel aus längst vergangenen Tagen. Zuweilen griff er sogar selbst zur Harfe, ließ das alte Holz erklingen und sang uns Lieder von Sehnsucht und Leid. Manchmal erzählte der großherzige König auch wundervolle Geschichten. Manchmal trauerte der altgewordene Kämpfer um seine vergangene Jugend voller Kampfkraft. Und manchmal schwoll sein Herz in der Heldenbrust, wenn er sich im Winter seines Lebens mit Weisheit an viele vergangene Kämpfe erinnerte. So vergnügten wir uns dort den ganzen langen Tag, bis die Nacht wieder über die Menschen kam. (2117)

Da war schon Grendels Mutter auf dem Weg der Rache, voller Grimm über den Tod ihres Sohnes durch gotische Hand. So rächte das grauenhafte Weib ihren Sohn und tötete einen Kämpfer auf grausame Weise (in der nächtlichen Hirschhalle). Es war Äschere, der alte und weise Berater, den sie dem König raubte. So konnten die treuen Dänen ihren getöteten Gefährten am nächsten Morgen nicht einmal im Feuer bestatten, denn sie hatte den geliebten Freund mit ihren teuflischen Armen zur dunklen Höhle am Ende des Bergstroms davongetragen. Das war für Hrodgar der bitterste Kummer, den der Herrscher des Volkes seit langem erlitten hatte. So beschwor mich der König mit besorgtem Herzen in deinem Namen, im wilden Wasser eine edle Tat zu vollbringen und mein Leben zu wagen, um den strahlenden Ruhm des Sieges sowie reichen Lohn zu gewinnen, den er mir dafür versprach. Daraufhin drang ich, wie allgemein bekannt, zur zornvollen und grauenhaften Wächterin in die aufgewühlte Tiefe des hervorquellenden Wassers vor. Einige Zeit kämpften wir im ringenden Handgemenge, bis sich das Wasser blutrot färbte, denn mit mächtigem Schwert schlug ich Grendels Mutter in der abgrundtiefen Höhle den Kopf ab. So kam ich mit großer Mühe mit dem Leben davon, wie es das Schicksal wollte. Und der Beschützer der Helden, Healfdenes Sohn, beschenkte mich erneut mit vielen Schätzen.“ (2143)

30. Die Gaben für König Hygelak und Königin Hygd

Beowulf berichtete weiter: „So folgte der König dem althergebrachten Brauch, und ich ging nicht ohne Belohnung für mein Heldenwerk aus. Der Sohn von Healfdene gab mir reiche Schätze zur freien Verfügung. Diese möchte ich dir, dem König der Kämpfer, mit Freude überbringen und anbieten. Von deiner Gnade hängt immer noch jede Gunst ab, und du bist mir von allen Verwandten am nächsten, König Hygelak.“ Da brachte man auf Beowulfs Wink ein goldenes Banner, einen hohen Kampfhelm mit Eberkamm, eine stahlgraue Rüstung (Brünne) und ein herrliches Schwert. Und der Held sprach: „Diese Kampfausrüstung gab mir König Hrodgar, der weise Herrscher, mit dem Gebot, dir von ihrer Herkunft zu berichten. Er sagte, sie habe lange Zeit König Heorogar („Speer des Kampfes“) als Anführer der Scyldinge (und älteren Bruder von Hrodgar) gehört. Doch er wollte die Ausrüstung nicht seinem Sohn geben, dem kühnen Heoroward („Wächter des Kampfes“), obwohl er ihm lieb und treu war. Nun gebrauche du sie zum Guten!“ (2162)

Wie ich hörte, folgten diesem Schatz vier schnelle und gleichgroße apfelgelbe Rosse, so dass der König Schätze und Pferde empfing. Ja, so sollte ein Verwandter handeln, und niemals tückische Netze für andere weben, um mit List und Trug seine Herdgenossen zu töten. Auch Hygelak stand in erbitterten Kämpfen treu zu seinem Neffen, und jeder gedachte der Wohltat des anderen. So hörte ich auch, dass er der Königin Hygd, der Gattin von Hrodgar, den wunderschönen Halsschmuck schenkte, den er von Wealhtheow (der „Dienerin der Fremden“) erhalten hatte, sowie drei schlanke Pferde mit glänzenden Sätteln. Seitdem schmückte das schöne Geschmeide ihre Brust. (2176)

So tat sich Beowulf, der Sohn von Ecgtheow, durch würdige Taten als ruhmreicher Held hervor. Er führte ein ehrenvolles Leben und tötete niemals im Rausch seine Herdgenossen. Er hatte kein hartes Herz, obwohl er unter allen Menschen die größte Stärke besaß, eine mächtige Gabe, die Gott dem edlen Kämpfer verliehen hatte. Lange Zeit war er erniedrigt, wurde unter den jugendlichen Goten geringgeachtet und empfing auch auf der Met-Bank wenig Ehre. Man hielt ihn für träge und nicht für einen mutigen und edlen Kämpfer. Doch jeden dieser Vorwürfe konnte er als ruhmreicher Mann widerlegen. So befahl nun König Hygelak, der Beschützer der Helden, das goldverzierte Erbstück von König Hredel herbeizuholen (seinem Vater als „Befreier“). Es war damals der kostbarste Schatz unter den Goten in Form eines Schwertes. Dieses legte er Beowulf in den Schoß und machte ihn zum Herrn über siebentausend (Hektar Land?) mit Burg- und Herrschersitz. So teilten sich beide das ererbte Land und das angestammte Recht der Herrschaft im Königreich, doch der eine mehr als der andere, weil er in der Erbfolge höher stand. (2199)

Damit vergingen einige Jahre, und dann geschah es im Schlachtgetümmel, dass Hygelak getötet wurde. Auch für seinen Sohn Heardred wurden die feindlichen Waffen trotz seines Schildes zum Werkzeug des Todes, als die kampfsüchtigen und feindseligen Scylfinge (Schweden) den Neffen von Hereric inmitten seines sieggewohnten Volkes angriffen und überwältigten. Daraufhin ging das weite Königreich in die Hände von Beowulf über. Er herrschte fünfzig glückliche Jahre lang als ein weiser König und Wächter des Vaterlandes, bis ins hohe Alter. Da begann in dunklen Nächten ein Drache das Land zu beherrschen, der in hohlem Felsen an steiler Klippe einen Schatz bewachte. Der Pfad dorthin war den Menschen bisher unbekannt, bis ein Mann - ich weiß nicht wer - in die dunkle Höhle kam und in der Nähe des Drachenschatzes herumtastete. Da griffen seine Hände nach einem goldenen Kelch, den er schnell mit sich nahm. Obwohl der Drache schlief, merkte er, dass ein listiger Dieb eingedrungen war. Und die Menschen des Landes merkten bald darauf, wie wütend er wurde. (2220)

31. Der versteckte Drachenschatz

Von der Macht des Drachenschatzes hatte er keinerlei Ahnung, noch drang er aus Eigenwillen ein, um jemandem zu schaden, sondern aus schrecklicher Not. Er war ein namenloser Leibeigener, der vor lebensbedrohlichen Schlägen und seinem Herrn geflohen war. Er war ein Vertriebener, der in dieser Höhle Schutz suchte, ein Schuldgeplagter, der sich dort fliehend umschaute. Doch beim Anblick des schlafenden Untiers stand er wiederum voller Angst und Schrecken. Aber der Flüchtling fasste sich wieder, zog sich schnell zurück, und von der Gefahr getrieben nahm er im Fliehen einen goldenen Kelch aus dem Schatz mit. (2230)

Denn davon gab es sehr viele in dieser Felsenhöhle, uralte und wertvolle Schätze, die der Mensch im Laufe der Erdentage aus seinem großen und edlen Erbe gedankenvoll dort verborgen hatte. Sie alle holte der Tod in vergangener Zeit. Dann war nur noch ein alter Krieger am Leben, der letzte seines Stammes, der die verlorenen Freunde betrauerte und hoffte, sich noch eine kleine Weile am langgehüteten Schatz zu erfreuen. Sein Grabgewölbe bestand bereits an den steilen Klippen auf einer Landzunge nahe den Wasserwellen, welches künstlich gesichert nur schwer erreichbar war. Dort hatte der Eigentümer seinen ererbten Schatz versteckt, einen angehäuften Haufen aus Gold. Und der Hüter der Ringe sprach: „Nun halte du, oh Erde, die Besitztümer der Könige fest, die meine Krieger nicht mehr halten können. Die guten Männer haben sie einst von dir genommen, doch der Kriegstod hat sie alle dahingerafft, ein schrecklicher Mörder des Lebens, ein Verbrechen an jedem Einzelnen meines geliebten Stammes. Sie blickten das letzte Mal auf das freudvolle Leben in der Halle. So blieb mir niemand, der das Schwert führt oder den goldenen Kelch leert, den herrlichen Trinkbecher. Dahin sind die tapferen Krieger! Der eisenharte goldverzierte Helm verliert seinen Glanz, denn die Krieger schlafen, die den Glanz bewahren sollten. Auch die eiserne Rüstung, die im Kampf den Schild- und Schwerthieben trotzte, rostet nun und vergeht mit den Kriegern. Niemals wird der Brustpanzer die Helden wieder im kriegerischen Kampf beschützen! Die Harfe wird keine Freude mehr geben, wenn ihr Holz harmonisch erklingt. Kein edler Falke wird mehr durch die Halle schweben, und kein feuriges Ross wird mehr den Burghof stampfen. Der unheilvolle Tod hat das Leben all meiner Verwandten geraubt.“ (2266)

So beklagte der verlassene Mann mit traurigem Herzen Tag und Nacht sein leidvolles Unglück, bis die Welle des Todes (im Entstehen und Vergehen) sein Herz überwältigte. Da ließ nun der alte Nachtschleicher den geliebten Schatz nicht unbewacht, der in seinem Feuer die Grabstätten sucht, der nackte bösartige Drache, der des Nachts von Feuer umhüllt fliegt und mit Furcht und Schrecken die Erdenbewohner angreift. So muss er (im Tageslicht) das Unheil in der dunklen Erde suchen, wo er neidisch das Gold bewacht, viele Jahre lang, ohne es nutzen zu können und weiser zu werden. So bewachte der überaus mächtige Drache dreihundert Jahre lang den versteckten Schatz in der Erdhöhle, bis sein feuriger Zorn durch einen Mann erregt wurde. Dieser brachte seinem Herrn den goldenen Kelch und bat damit um dessen Schutz. So wurde der Schatz entdeckt, die Kostbarkeit weggetragen und dem geplagten Mann die Gunst gewährt. Denn zum ersten Mal erblickte sein Herr eine so alte Kostbarkeit, ein Werk aus längst vergangenen Zeiten. (2286)

Doch damit erwachte der Drachenwurm, sein Zorn entbrannte, und er schnüffelte am Felsen entlang. Bald fand der Unbarmherzige die Fußspur seines Feindes, der in seiner Unwissenheit dem Drachenkopf zu nahe gekommen war. So kann ein Mann, der nicht vom Schicksal verflucht wurde, der Not und dem Tod leichtfüßig entkommen, wenn er die Gnade seines Herrn erlangt. Eifrig suchte der Schatzwächter den Boden ab, denn er wollte den Mann finden, der ihn im Schlaf gestört hatte. Mit feurigem Zorn und wildem Sinn umkreiste er oft den Hügel, aber konnte in dieser Wildnis keinen Menschen entdecken, den er bekämpfen und töten konnte. Da kroch er wieder in das Felsengrab zurück, um seinen Drachenschatz zu hüten, doch bemerkte bald, dass jemand das Gold angetastet hatte, seinen kostbaren Schatz. Der gierige Schatzhüter konnte nur mit Mühe den Abend abwarten. Die Wut des Grabwächters begann zu kochen, und er wollte den Raub des goldenen Kelches mit Feuerflammen vergelten. So freute sich der Wurm, als der Tag wich und die Nacht hereinbrach. Nicht länger wollte er warten und in der Felsenhöhle verweilen, sondern flog mit loderndem Feuer dahin. Das war ein schrecklicher Ansturm für die Menschen des Landes. Doch schon bald fand der Schrecken durch ihren Schatzgeber (Beowulf) ein Ende. (2311)

32. Der Feuerdrache verwüstet das Königreich

Da begann der Drache, Feuer zu speien und die schön gebauten Häuser ringsum niederzubrennen, so dass überall die Flammen zum Entsetzen der Menschen aufloderten. Nichts Lebendiges wollte der gehässige Flugdrache verschonen. Das Wüten des Wurmes war weithin sichtbar, die Bosheit des quälenden Feindes in Nähe und Ferne. So griff er das Volk der Goten mit mörderischem Hass gewaltsam an. Und vor dem Tageslicht zog er sich zu seinem Schatz in die verborgene Höhle zurück. Die Bewohner des Landes wurden von lodernden Flammen ergriffen und in Feuer und Qualm gehüllt. Doch er fühlte sich sicher in seinem Höhlengrab hinter dicken Felswänden und vertraute seiner gewaltigen Macht. Aber sein Glaube täuschte ihn. (2323)

Beowulf selbst musste den Hass des Feindes direkt und unverzüglich erfahren, als seine eigene Burg, die schönste aller Wohnstätten, zusammen mit dem Königsthron der Goten von der Flammenglut verzehrt wurde. Das war für den gutmütigen Herrscher ein tiefer Kummer im Herzen, der größte aller Seelenkummer. Der Weise dachte, er habe die uralten Gebote des ewigen Herrschers übertreten und den Allmächtigen bitter erzürnt. In seinem Geist stiegen düstere Gedanken auf, die ihm bisher ferngeblieben waren. Der Feuerdrache brannte all die Festungen der Menschen auf dem Inselland im Meer nieder. Um ihm zu begegnen ließ der König als Beschützer der Kämpfer und Anführer der Goten einen außergewöhnlichen Schild aus reinem Eisen für den Kampf schmieden. Er wusste wohl, dass ihm das Holz der Linde oder anderer Bäume gegen dieses Feuer nicht helfen konnte. So war dem edlen alten Herrn das Ziel seiner Lebenszeit in dieser Welt bestimmt, wie auch dem Drachenwurm, obwohl er den reichen Schatz schon so lange behütet hatte. Doch es schien dem Geber der Ringe nicht ehrenhaft, mit einer zahlreichen Armee gegen den geflügelten Feind zu kämpfen. (2347)

Er hatte keine Angst um sich selbst in diesem Kampf, und so fürchtete er auch weder das Feuer noch die Macht des Drachenwurms. Er hatte schon so viele Gefahren und Prüfungen überlebt, so viele Schlachten überstanden, seitdem er Hrodgars Halle gereinigt und als siegreicher Held den gehässigen Grendel sowie dessen Mutter überwunden hatte. Eine der schwersten Schlachten war jene, in der Hygelak, der Goten-König, im Kampfgetümmel fiel. Da starb der Herr und Freund des Volkes in Friesland, wo Hredels Erbe vom feindlichen Schwert durchbohrt sein Herzblut vergoss. Doch Beowulf entkam mit eigener Kraft, indem er durch das Meer schwamm, denn er hatte die Kraft von dreißig Kämpfern in seinen Armen, als er in den Ozean sprang. Auch die Krieger der Hetwaren (deutbar als „Hass-Wächter“), die mit Lindenholz-Schilden gegen ihn kämpften, konnten sich nicht des Sieges erfreuen, denn nur wenige entkamen diesem Kämpfer, um in ihre Heimat zurückzukehren. Doch Ecgtheows Sohn schwamm einsam und allein durch das wilde Meer und kehrte zu seinem Volk zurück. Dort bot ihm Hygd (die „Verständige“) den Königsschatz, das Reich, die Krone und den Königsthron an, denn sie hatte kein Vertrauen in ihren jugendlichen Sohn Heardred („strenger Ratgeber“), dass er nach Hygelaks Tod (dem „Spiel des Verstandes“) den Thron gegen fremde Völker behaupten könne. Doch selbst das trauernde Volk konnte Beowulf nicht überzeugen, sich als Herrscher über Heardred zu erheben und das Königreich zu übernehmen. Dafür unterstütze er den Königssohn als Freund und Ratgeber mit Würde und Respekt, bis dieser erwachsen war und die Goten regieren konnte. (2379)

Da geschah es, dass die beiden Söhne von Ohtheres (Eadgils und Eanmund, siehe Stammbaum in Kapitel 28) das Meer überquerten und bei ihm Zuflucht suchten. Sie wurden aus ihrem Land vertrieben, weil sie gegen den König der Scylfinge (Onela) rebelliert hatten, dem mächtigen Herrscher jenseits des Meers, der in Schweden die Reichtümer verteilte. Heardred nahm sie freundlich auf, doch für seine Gastfreundschaft empfing Hygelaks Sohn eine tödliche Wunde vom feindlichen Schwert. (Denn Onela („kleiner Stammvater“) fiel in das Gotenreich ein, um seine beiden Neffen, die Söhne seines Bruders Ohthere („gefürchteter Krieger“), zu verfolgen. Dabei tötete er Heardred, als dieser versuchte, Eadgils und Eanmund zu beschützen. Und Weohstan („heiliger Stein“), ein alter Held Onelas, tötete in diesem Kampf Eanmund („Schutz des Geborenen“), während Eadgils („Geisel des Reichtums“) unter dem Schutz von Beowulf entkommen konnte.) Nachdem Heardred gestorben war, kehrte Ongentheows Sohn (Onela) in sein Reich nach Schweden zurück. Damit überließ er Beowulf (aus Furcht vor dessen Kraft) den Herrscherthron der Goten, und er wurde ein vorzüglicher König. Um den Tod des Königssohns (Heardred) zu rächen, schloss er mit dem hilflosen Eadgils Freundschaft und unterstützte den Sohn von Ohthere über das weite Meer mit Kämpfern und Waffen. Die Rache gelang, und im harten Kampf wurde der Schweden-König (Onela) von Eadgils getötet. (2396)

33. Der Weg zum Drachen und die Geschichte von Hredel

So hatte Beowulf, der Sohn von Ecgtheow, viele Feindschaften überstanden, mutige Taten vollbracht und schreckliche Kämpfe überlebt, bis zu jenem Tag, als er gegen den Drachenwurm kämpfen musste. Zu Zwölft zog der König der Goten mit seinem Gefolge vom (gerechten) Zorn getrieben aus, um den Drachen zu finden. Er hatte bereits erfahren, wie das Unheil entstanden war und zum feindseligen Schrecken des Volkes wurde, denn der goldene Kelch war aus der Hand des Finders zu ihm gelangt. Dieser musste als Dreizehnter der kleinen Gruppe folgen, der gequälte Leibeigene, der den Streit herbeigeführt hatte. Hilfreich sollte er nun den Weg weisen. Und so ging er trotz seiner fürchterlichen Angst zur dunklen Grabhöhle voran, zur Felsenklippe nahe den Wellen des Meeres. Im Inneren barg sie das edle Metall mit vielen Juwelen, aber auch den feindlichen Wächter, der den goldenen Schatz in der Erde bewachte und kampfbereit auf der Lauer lag. Das war kein leichtes Geschäft, das jeder Mensch vollbringen konnte. Bald saß der Heldenkönig auf der Landzunge und sprach aufmunternde Worte zu seinem Gefolge. Doch der Goldspender der Goten selbst war in seinem Herzen bekümmert. Unruhig erwartete er den Kampf, denn er war sich seines Schicksals bewusst, welches der alte Mann nun begrüßen musste, um den Schatz seiner Seele zu gewinnen, als sich das Leben von den Banden des Körpers löste. Nicht lange mehr sollte die edle Seele von der leiblichen Hülle umfangen sein. (2424)

Da sprach Beowulf, der Sohn von Ecgtheow: „Schon in meiner Jungend überlebte ich viele stürmische Kämpfe in Zeiten des Krieges. Ich erinnere mich noch gut. Als ich sieben Jahre alt war, holte mich der Schatzhüter, Herrscher und Freund des Volkes von meinem Vater zu sich an den Hof. Dort unterhielt (und unterrichtete) mich König Hredel („Befreier“), und ich empfang viele Schätze und Freuden in Erinnerung unserer Verwandtschaft. So war ich ihm unter den Burgbewohnern im Leben nicht weniger wert als seine eigenen Söhne, nämlich Herebald („Heerführer“), Haethkyn („hitziger König“) und der junge Hygelak („Spiel des Verstandes“), der dann mein König wurde. Der Älteste von ihnen wurde unglücklicherweise von seinem Blutsbruder Haethkyn mit einem scharfen Pfeil von seinem Hornbogen auf das Sterbebett niedergestreckt. Denn der tödliche Pfeil verfehlte sein Ziel und traf den Freund und Gefährten, so dass der Bruder den Bruder tötete. Das war eine schreckliche Schuld, die nicht wiedergutzumachen war, eine schwere Untat und ein herzzerreißender Kummer für König Hredel. Und doch musste der Tod des edlen Königssohns ungerächt bleiben (und Haethkyn vom König ungestraft). Denn zu schmerzlich ist es für einen alten Mann, seinen eigenen Sohn als Jüngling am Galgen hängen zu sehen. Jammervoll stimmt er dann ein Trauerlied an, wenn sich die Raben am erhängten Sohn erfreuen. Denn trotz seines Alters und aller Erfahrung kann er ihm nun nicht mehr helfen und nichts mehr geben. Morgen für Morgen erinnert er sich, dass sein Sohn aus dieser Welt gegangen ist. Er hofft nicht mehr, dass ihm in seiner Burg ein anderer Hüter des Erbes heranwächst, wenn er das feindliche Schicksal sieht, das ihm durch schreckliche Tat den Tod brachte. Traurig und kummervoll blickt er in das leere Gemach seines Sohnes wie in eine verödete Weinhalle, eine vom Wind zerstörte Wohnstätte, die aller Freude beraubt wurde. Denn der Ritter schläft, der Held liegt im Grab, die Harfe schweigt, und kein froher Jubel erklingt mehr, wie es früher einmal war. Dann geht er am Abend zu Bett und singt sein Klagelied, ein Mensch um einen Menschen, dessen Land und Wohnstätte nun allzuweit entfernt erscheint. So litt der Gotenkönig immer wieder großen Herzenskummer um Herebald. Es gelang ihm weder, die schwere Schuld des Mörders zu vergeben und ihn zu lieben, noch konnte er seinen Zorn gegenüber dem Bogenschützen mit harter Strafe zeigen. Mit diesem Kummer im Herzen gab er jede Freude am weltlichen Leben auf, wählte das göttliche Licht und ging aus dieser Welt. So überließ er seinen Erben Land und Burgen, wie es ein wohlhabender Mann tut, wenn er aus dem Leben scheidet.“ (2471)

Stammbaum Beowulf: Swerting, Hredel, Hygelac, Heardred

34. Die Geschichte von Hygelak und Beginn des Drachenkampfes

Beowulf fuhr fort: „Nachdem König Hredel gestorben war, gab es Angriffe und Streit zwischen den Schweden und Goten, obwohl sie durch weites Wasser getrennt waren. Kriegerischer Hass entbrannte, denn Ongentheow („Diener der Trennung“) und dessen kampfbegierige Söhne (Onela und Ohthere) wollten den Frieden über das Meer hinweg nicht länger halten. So unternahmen sie rund um Hreosnabeorh („ruinöser Berg“) viele grausame und bösartige Raubzüge. Wohl rächten meine Verwandten die verbrecherischen Angriffe, als sie bekannt wurden, doch der König selbst musste dafür mit seinem Leben bezahlen, was ein harter Handel für Haethkyn war, dem Herrscher der Goten, der im Schlachtgetümmel fiel. Doch wie ich hörte, rächte dann am Morgen ein Bruder den anderen mit blitzender Schwertschneide am Mörder. Da wurde Ongentheow von Eofor („Eber“, Gefolgsmann und späterer Schwiegersohn von König Hygelak) angegriffen, sein Kampfhelm zerbrach und der alte Scylfing (Schwede) fiel erbleichend im Kampf, denn die Hand erinnerte sich an zahlreiche Fehden und hielt den Todesschlag nicht zurück. (2489)

Dadurch wurde Hygelak zum König der Goten, und so gut ich konnte, vergalt ich im Kampf mit blitzendem Schwert die Schätze, die der König mir verliehen hatte, das Land und den Burgsitz, die er mir schenkte. Daher war es ihm nicht nötig, dass er bei den Dänen, Schweden oder anderen Völkern einen ihm weniger bekannten Kämpfer suchen und sich mit Reichtum erkaufen musste. Im kämpfenden Fußvolk wollte ich ihm immer vorangehen, vorn an der Spitze. So werde ich auch weiterhin kämpfen, solange dieses Schwert aushält, das mir früh und spät gedient hat, seit ich Däghrefn („Tag-Rabe“), den Helden der Hugen, inmitten seiner Recken besiegt hatte (vermutlich, nachdem König Hygelak im Kampf gegen die Friesen von Däghrefn getötet wurde). Es glückte ihm nicht (noch einmal, siehe Kapitel 18), den kostbaren Brustschmuck dem Friesenkönig als Beute zu bringen. Der Bannerträger fiel zusammen mit seinem mächtigen Gefolge. Ich tötete ihn nicht mit der Schneide des Schwertes, sondern erfasste im Kampf sein pochendes Herz (Wesen) im Knochenhaus, bis es zerbrach (und er sein Leben aushauchte). Doch jetzt muss ich mit der scharfen Schneide, meiner mächtigen Hand und dem harten Schwert um den Schatz kämpfen.“ (2509)

Dann sprach Beowulf weiter und erneuerte zum letzten Mal sein Kampfgelübde: „Ich habe in meiner Jugend genügend Kämpfe bestanden. Doch nun will ich als greiser König des Volkes noch einmal den Ruhm des Siegers suchen, wenn dieser Unheilstifter seine irdische Höhle verlässt, um gegen mich zu kämpfen.“ Dann sprach er zum letzten Mal zu den mutigen Helmträgern und geliebten Gefährten: „Ich würde kein Schwert als Waffe gegen den Drachenwurm tragen, wenn ich wüsste, wie man das Ungeheuer anders besiegen könnte. Ich werde ihn nicht wie Grendel packen können, denn die wilde Hitze des wütenden Feuers und der giftige Aushauch sind zu befürchten. Deshalb trage ich diesmal Rüstung und Schild. Aber von der Bergwarte werde ich keinen Fußbreit fliehen. Am Felsen muss der Kampf geschehen, wie es das Schicksal (Wyrd) uns zuteilt und für alle Menschen (aus dem Schicksalsbrunnen) schöpft. Entschlossen bin ich, und furchtlos erwarte ich den geflügelten Drachen, doch ohne zu prahlen. Und ihr, gerüstete Gesellen, wartet hier am Hügel! Bald werdet ihr sehen, wer von uns beiden die Wunden im Kampf besser ertragen kann. Es ist nicht eure Aufgabe oder die anderer Kämpfer, außer mir allein, mit ganzer Kraft gegen dieses Ungeheuer zu kämpfen, um das Höchste zu erreichen. Mit ganzem Mut werde ich das Gold gewinnen, oder euer König stirbt gewaltsam im Rachen des Todes.“ (2537)

Dann erhob sich der mächtige Kämpfer auf sein Schild gestützt und betrat mit Helm und Rüstung die Felsenklippe, ganz allein im Vertrauen auf die Stärke eines Menschen. So handelt kein Feigling! Dort sah der edle König, der schon so viele Kämpfe im Schlachtgetümmel und Schwertfechten überlebt hatte, dass aus dem Felsengewölbe ein schrecklicher Bach sprudelte. Er drang aus dem Grabhügel hervor und kochte von tödlichem Feuer. Daher konnte er sich dem Schatz nicht nähern, ohne in der Tiefe im lodernden Drachenfeuer zu verbrennen. Da ließ der tapfere Goten-König aus tiefer Brust mit lauter Stimme ein zornvolles Wort erschallen, das in das alte graue Gestein drang und widerhallend zum Kampf rief. Der Schatzwächter erkannte die Menschenstimme, und sein Hass entbrannte. Es blieb keine Zeit mehr, um Frieden zu schließen. Zuerst drang der Atem des Ungeheuers aus dem Felsen, ein feurigheißer Kampfdampf, und die ganze Erde bebte. Der heldenhafte Herr der Goten schwang am Grabhügel seinen Schild gegen den schrecklichen Fremdling, der wie eine sich windende Schlange herankroch, deren Herz zum Angriff erregt war. Sogleich zückte der edle Kampfkönig sein Schwert, das uralte Erbstück (von König Hredel) mit schärfster Schneide. Schrecklich trafen die beiden Kämpfer aufeinander. Hinter seinem hohen Schild stand der tapfere Anführer seiner Freunde und wartete furchtlos, während sich der Drachenwurm zum schnellen Angriff krümmte. Dann schoss der Feind feuerspeiend wie eine giftige Schlange gegen den Gewappneten hervor und eilte seinem Schicksal entgegen. Der eiserne Schild sicherte wie eine Mauer Leib und Leben des großen Königs, doch nur für kürzere Zeit, als er sich von diesem Eisenschild erhofft hatte, das er nun zum ersten Mal führte. Es schien, als wollte ihm das Schicksal den Sieg im Kampf verwehren. Da schwang der Gotenkönig das geerbte Schwert in seiner Hand und schlug mit aller Kraft gegen den buntgeschuppten Drachenwurm. Doch die scharfe Schneide versagte an der Hornhaut und biss weniger ein, als es der König in seiner gegenwärtigen Not erwartet hatte. Im Gegenteil, der Schwertschlag reizte den Bergwächter nur noch mehr, so dass er in rasendem Zorn sein vernichtendes Feuer spie, dessen Flammen sich weithin verbreiteten. (2583)

Die Freude des Siegers war dem Geber der Goldringe nicht gegönnt. Sein gutes Kampfschwert versagte wie ein altes Eisen und verweigerte pflichtvergessen seinen Dienst in größter Not. Es war kein leichter Weg, den der ruhmreiche Sohn von Ecgtheow („Diener der Schwertschneide“) nun gehen musste und gezwungen war, seine Wohnstätte ins Ungewisse zu verlassen, wie jeder Mensch das Pachtrecht seiner Tage aufgeben muss. Nicht lange dauerte es, da stießen die erbitterten Kämpfer erneut aufeinander. Der Schatzwächter erneuerte seine Kraft, atmete tief ein, dass seine Brust schwoll, und fauchte dem Menschenkönig eine vernichtende Feuersbrunst entgegen. Bei diesem schrecklichen Anblick flohen seine Gefährten, die Söhne der Edlen, die den Kampf ringsherum beobachtet hatten, weit in den Wald, um ihr Leben zu schützen. Nur bei einem von ihnen wandte sich die Sorge im Herzen dem Beistand zu, denn wahre Verwandtschaft vergisst niemals die Pflicht. (2601)

35. Wiglafs Beistand

Wiglaf („Kampf-Erbe“) hieß er, der Sohn von Weohstan („Kampf-Stein“), dem edlen Schildkämpfer und Krieger der Scylfinge (Schweden), ein Verwandter von Älfhere („Elfen- oder Alben-Heer“). Er sah seinen Herrn unter dem Kampfhelm in der Gluthitze leiden und erinnerte sich an die Ehre, die er von ihm empfangen hatte, den reichen Erbsitz der Waegmundings („Weg-Beschützer“) mit allen herrschaftlichen Rechten, die sein Vater Weohstan besessen hatte. Da konnte er sich nicht länger zurückhalten. Seine Hand ergriff den runden Schild aus gelblichem Lindenholz, und aus der Scheide zog er sein altes Schwert. Dieses war unter den Menschen ein Vermächtnis von Eanmund („Schutz des Geborenen“), dem Sohn von Ohthere („gefürchteter Krieger“). Eanmund führte es damals im Kampf, als er in der Verbannung seiner Freunde beraubt war und von Weohstan mit scharfer Schwertschneide (unter dem Regiment von König Onela) getötet wurde. Dieser brachte seinen Verwandten als Beute den strahlenden Helm, die beringte Rüstung und das alte Riesenschwert (der Eoten bzw. Friesen). Denn König Onela („kleiner Stammvater“), der Bruder von Ohthere, schenkte ihm die Kampfausrüstung seines getöteten Neffen und schwieg von der Blutschuld, obwohl er den Sohn seines Bruders getötet hatte. Weohstan behielt die Schätze viele Jahre lang, Helm, Rüstung und Schwert, bis sein Sohn herangewachsen war und die gleichen Heldentaten wie sein alter Vater vollbringen konnte. Dann übergab er ihm im Reich der Goten die mächtige Kampfausrüstung und ging als Weiser seinen Weg aus dem irdischen Leben. (2625)

Nun war es für den jungen Helden das erste Mal, dass er den Kampf an der Seite seines Königs bestehen sollte. Sein mutiges Herz schwankte nicht, noch versagte das Erbe seines Vaters im Kampf, was der Drachenwurm bald erfahren musste, als sie aufeinandertrafen. Zuvor sprach Wiglaf voller Sorge zu seinen Gefährten: „Ich gedenke der Zeit, als wir gemeinsam Met tranken und im Biersaal unserem Herrn gelobten, dass wir dem Geber der goldenen Ringe die reiche Gabe lohnen würden, wenn er uns mit Helm, Rüstung und Schwert benötigen sollte. Deshalb hat er uns aus seinem Heer für diesen Kampf nach seinem Wunsch ausgewählt. Er hielt uns des Ruhmes würdig und gab uns die Schätze, weil er uns als hervorragende Speerkämpfer und mutige Helmträger betrachtete, auch wenn der König ganz allein dieses Heldenwerk für uns zu vollbringen beabsichtigt. Denn er ist der Beschützer seines Volkes, weil er von allen Menschen die höchsten Taten vollbracht und den größten Ruhm gewonnen hat. Nun ist die Zeit gekommen, dass unser edler König die rüstige Kraft guter Kämpfer benötigt. Lasst uns dem Führer im Kampf zu Hilfe kommen, da ihn die Hitze schwer bedrängt, die schreckliche Feuersbrunst! Gott sei mein Zeuge, dass es mir lieber wäre, wenn das Feuer meinen Körper zusammen mit meinem Goldgeber verzehrt. Ungerecht erscheint es mir, wenn wir die Schilde nach Hause zurücktragen, ohne zuvor den Feind besiegt und den König der Goten verteidigt zu haben. Ich weiß genau: Er hat niemals so gehandelt, dass er nun als Einziger der edlen Goten Unglück erleiden und im Kampf untergehen sollte. Helm, Rüstung und Schwert müssen wir beide gemeinsam führen.“ (2660)

Dann durchschritt der gerüstete Held den Rauch des Kampfes, um seinem König zu helfen, und sprach nur die wenigen Worte: „Lieber Beowulf, halte durch! Erinnere dich an die Gelübde aus deiner Jugendzeit und lass deine Macht nicht schwinden, solange du lebst. Verteidige mit kühnen Taten, edlem Geist und aller Kraft das Leben. Dazu werde ich dir Beistand leisten.“

Kaum waren diese Worte gesprochen, kroch der zornige Drachenwurm ein zweites Mal heran. Der schrecklich grausame Angreifer überflutete seine Gegner, die verhassten Menschen, mit seiner feindselig vernichtenden Feuersbrunst. Die lodernden Flammen schlugen wie Wellen hervor, und sogleich brannte der Schild des Jünglings. Auch die Rüstung half dem jungen Speerkämpfer wenig. Darum sprang er schnell hinter den eisernen Schild seines Verwandten, als sein eigener vom Feuer verzehrt war. Nun erinnerte sich der König wieder an seine Macht und schlug mit ganzer Kraft sein Schwert in den Drachenkopf, dass es dort steckenblieb. Doch dabei zerbrach Nägling, Beowulfs altes, silberdurchzogenes Schwert, und versagte im Kampf. Es war nicht sein Schicksal, dass ihm die eiserne Schneide in diesem Kampf helfen konnte. Man sagt, seine Hand war so stark, dass keine Klinge diese Kraft ertragen (und auswirken) konnte. So nützte ihm in diesem Kampf auch die wunderbar härteste Waffe nichts. (2687)

Danach stürzte sich der Feuerdrache und Schrecken der Menschen ein drittes Mal mit feindseligem Hass auf den tapferen Mann. Und als sich die Gelegenheit bot, packte er Beowulf im Flammenmeer und bohrte ihm seine spitzen Zähne in den Hals, dass sein Lebensblut hervorquoll und in wallenden Wogen aus der Wunde strömte. (2693)

36. Der Drache fällt

Ich hörte, wie nun der edle Jüngling neben dem notbedrängten König seinen angeborenen Mut mit Heldenstärke bewies. Er sorgte sich nicht um seinen eigenen Kopf. Und obwohl die Hand des mutigen Mannes dabei verbrannte, nutze er seine Stärke und schlug sein goldstrahlendes Schwert noch tiefer in die Wunde des feindlichen Fremdlings, dem Krieger in seiner Kriegsrüstung, so dass das Feuer zu erlöschen begann. Da kehrten auch dem greisen König seine Sinne zurück, und er zog einen spitzen und haarscharfen Dolch, den er an seiner Rüstung trug. Damit ritzte und schnitt der Beschützter der Goten den Drachenwurm mittendurch, so dass der Feind fiel. Gemeinsam besiegten die edlen Verwandten den tödlichen Angreifer. Ja, so sollten Kämpfer handeln, wenn ihr König in Not ist! Für den König selbst war es der letzte große Sieg seines Lebens, der Erfolg all seiner Taten in der Welt. (2711)

Die Wunde, die ihm der irdische Drache zugefügt hatte, brannte und schwoll weiter an. Bald bemerkte der das tödliche Gift, das ihm in der Brust quoll und schmerzte. Mit Weisheit erkannte der greise König seinen Zustand und setzte sich auf einen Stein an der Felsenklippe. Hier betrachtete er das Riesenwerk, wie Steinbögen auf festen Säulen die ewige Erdenhalle im Inneren stützen. Da schöpfte der treffliche Jüngling und treue Helfer etwas Wasser aus der Quelle und labte den geliebten Herrn, der vom Kampf blutete und ermüdet war. Behutsam löste er die Bänder seines Helmes. Beowulf wusste, dass nun die Tage seines Lebens vollendet und die irdischen Freuden ausgekostet waren. Der Tod war nah. Doch trotz seiner schmerzlichen Todeswunde sprach er: „Nun würde ich meine Kampfausrüstung gern einem Sohn übergeben, wenn mir das Schicksal einen körperlichen Hüter des Erbes beschieden hätte. Fünfzig Jahre lang habe ich das Volk regiert. Kein König der Nachbarvölker wagte es, mich anzugreifen und gegen mich die Waffen zu führen. Solange es mir vergönnt war, ertrug ich das Erdenleben, bewahrte mein Gut, suchte keine listigen Feindschaften und schwor keine falschen Eide. Dessen erfreue ich mich nun, trotz der tödlichen Wunde. Der Herrscher der Menschheit wird mir keinen grausamen Mord an Verwandten vorwerfen müssen, wenn meine Seele den Körper verlässt. - Nun geh schnell, lieber Wiglaf, um den Schatz in dem uralten grauen Gestein zu sehen! Der Drachenwurm liegt jetzt da und schläft schwer verwundet, seines Schatzes beraubt. Beeile dich, dass ich den alten Reichtum des Goldschatzes mit den strahlenden Juwelen und Edelsteinen noch sehen darf, damit ich mein Leben und mein Volk, das ich lange beherrschte, um so freudiger für den Schatz verlassen kann.“ (2751)

37. Beowulf stirbt

Wie ich hörte, folgte der Sohn von Weohstan willig den Worten des im Kampf verwundeten Königs. Schnell eilte er vom steinernen Sitz mit Rüstung und Kettenhemd in die steinerne Höhle des Grabhügels. Dort sah der siegreiche junge Held viele kostbare Schätze aus strahlendem Gold auf dem Boden sowie Wunder an den Wänden in der Höhle des alten Drachenwurms, der im nächtlichen Dämmerlicht flog. Da standen Kelche und Gefäße längst vergangener Menschen, die schon lange nicht mehr poliert worden waren, so dass ihre Verzierungen verschwunden waren. Da gab es viele alte Helme, die nun dahinrosteten, und viele kunstvolle Armreifen, die lange nicht getragen worden waren. Wie leicht können Schätze und Gold in der Erde verborgen werden! Jeder Mensch kann sie verbergen, wie er will. Hoch über dem Schatz sah er ein Banner ganz aus Gold hängen, was wohl das größte, von Menschenhand geschaffene Wunder war. Es strahlte ein Licht aus, so dass er die Schätze am Grund erkennen und betrachten konnte. Vom Drachenwurm war nichts mehr zu sehen, denn die Schwertschneide („Ecg“) hatte ihn erledigt. (2772)

Wie ich weiterhin hörte, packte dann der Jüngling (Wiglaf als „Kampf-Erbe“) den Schatz im Grabhügel zusammen, in diesem alten Riesenwerk, und trug auf seinem Rücken Kelche und sonstige Gefäße nach freiem Belieben hervor, wie auch das leuchtende Banner. Denn der alte König war bereits schwer vom Drachenzahn verwundet, dessen Schneide scharfen Eisen glich. Lange Zeit hatte der Wurm den Schatz als sein Eigentum behütet und dafür mit schrecklichem Feuer viele Nächte hindurch tödlich gewütet, bis er selber seinen Tod fand. Der Bote eilte, sehnte sich nach der Rückkehr, angetrieben vom Schatz. Würde er den edlen König der Goten noch lebend dort wiederfinden, wo er ihn sterbend zurückgelassen hatte? So brachte er den Schatz seinem ruhmreichen König und Herrn, der blutend das Ziel seines Lebens fand. Er benetzte ihn erneut mit Wasser, bis der Alte das Gold bei dem Jungen sah und aus dem Schatz seines Herzens die Botschaft mit folgenden Worten hervordrang: „Dank sei dem Allmächtigen für die Schätze, die ich hier sehen darf! Dank sei dem König der Herrlichkeit, dass ich am Todestag noch solchen Reichtum für mein Volk gewinnen konnte! Für diesen Schatz, der dem Volk zum Wohlergehen dienen soll, gebe ich nun gern meine Lebenszeit, denn ich kann nicht länger hierbleiben. Gebiete nun den ruhmreichen Kämpfern, am Ufer des Meeres einen Grabhügel zu errichten, strahlend nach dem Leichenfeuer. Er soll weithin sichtbar das Volk an das Ziel der Wale („Kampf-Meereswesen“) erinnern, so dass ihn später die Seefahrer „Beowulfs Hügel“ nennen werden, wenn sie ihre Schiffe aus der Ferne durch die Nebel der Meere führen.“ Dann nahm der ruhmreiche König einen goldenen Ring, den er (an einem Band) um seinen Hals trug, und übergab ihn zusammen mit seinem goldenen Helm und der goldstrahlenden Rüstung dem jungen Speerkämpfer mit den Worten: „Gebrauche sie heilsam und gut! Du bist der letzte Verbleibende unseres Geschlechts der Waegmundigen („Weg-Beschützer“). Alle meine anderen Verwandten hat das Schicksal hinweggefegt, die tapferen Edelinge, und ich werde ihnen nun folgen.“ (2816)

Das waren die letzten Worte des alten Mannes, die Gedanken aus dem Schatz seines Herzens, bevor die heißen Flammen seinen Leib im Leichenfeuer verzehrten. Doch die Seele erhob sich, um die Wahrheit zu suchen, das Urteil der Heiligen. (2820)

38. Wiglaf tadelt seine Gesellen

Schmerzlich traf es den jungen Helden, seinen geliebten König zu sehen, wie er am Ende seines Lebens auf der Erde lag und erbleichte. Doch auch der Mörder lag dort, der schreckliche Drache aus der Grabhöhle, des Lebens beraubt und vom Schwert bezwungen. So konnte der unheilvolle schlangenartige Wurm den Goldschatz nicht länger beherrschen. Eiserne Klingen, hartgehämmert und kampferprobt, hatten ihn erobert. Nun lag der weitfliegende Drache von Wunden gelähmt und niedergestreckt vor seiner Schatzhöhle am Boden. Er erschien nicht mehr mitten in der Nacht, wie er durch die Lüfte fliegt, schrecklich anzuschauen und voller Stolz auf seine wertvollen Besitztümer. Er fiel durch das Handwerk führender Kämpfer. Das gelingt wohl nur wenigen Menschen auf Erden, selbst wenn sie über Kühnheit und Stärke verfügen, gegen den giftigen Feueratem des Zerstörers anzukämpfen, wenn sein Hass erwacht, weil er als Wächter des Schatzes im Grabhügel angetastet wurde. Dafür bezahlte Beowulf den Anteil am Goldschatz mit seinem Leben. Und beide Gegner erreichten das Ende ihres vergänglichen Lebens. (2843)

Nun dauerte es nicht lange, da kamen die kampfflüchtigen Gesellen aus dem Wald zurück, die zehn Treulosen, die es mit ihren Waffen nicht gewagt hatten, ihrem König in größter Not beizustehen. Beschämt schlichen sie sich nun mit Schild und Rüstung zu dem alten König und erblickten dort Wiglaf. Der vom Kampf erschöpfte Held saß dicht an der Schulter seines Herrn und versuchte, ihn mit Wasser wieder zum Leben zu erwecken. Doch es half nichts. So sehr er es auch wünschte, er konnte das Leben seines Königs nicht zurückrufen und den Willen des Allmächtigen nicht wenden. Denn Gottes Urteil entscheidet über die Taten aller Menschen, wie es auch heute noch geschieht.

Da empfing nun der Jüngling die flüchtigen Feiglinge mit missmutigem Gruß. Traurig schaute Wiglaf, Weohstans Sohn, in die Runde der lieblosen Gesellen und sprach: „Wer die Wahrheit liebt, muss sagen: Der König hat euch all die Schätze und die Kampfausrüstung gegeben, in der ihr hier steht. Oft verehrte der Herrscher den Hallengästen auf der Bierbank Helm und Rüstung, den besten Gesellen, die er in der Nähe und Ferne finden konnte. Aber eure Kampfausrüstungen hatte er wohl nutzlos verschwendet. Denn als ihn der große Kampf einholte, konnte sich der König des Volkes seiner Kampfgefährten nicht rühmen. Dennoch gewährte ihm Gott, der den Sieg gibt, dass er sich mit einer einzigen Klinge rächen konnte, als seine Kraft gefragt war. Ich selbst konnte ihm in diesem Kampf nur wenig Schutz bieten, und doch versuchte ich, meinem Verwandten mit aller Kraft zu helfen. Dadurch gelang es mir, den Todfeind mit dem Schwert zu treffen, so dass die schreckliche Feuersbrunst nicht mehr so mächtig aus dem Drachenkopf loderte. Zu wenige Kämpfer drängten sich um den König, als er in Not kam. Welcher König wird euch und euren Nachkommen künftig noch Schätze spenden, Schwerter schenken und große Freuden gewähren? Alle eure Verwandten werden Land und Gut verlieren, wenn die edlen Herrscher von eurer Flucht und ruhmlosen Tat erfahren. Jedem edlen Menschen ist doch der Tod im Kampf lieber als ein Leben in Schande zu führen.“ (2891)

39. Der Bote des Kampfes und die Geschichte von Ongentheow

Dann befahl Wiglaf, den Ausgang des Kampfes in der Festung zu verkünden, oberhalb der Klippen, wo die Schar der Gefolgsleute den ganzen Morgen lang mit besorgten Herzen gesessen hatte, die edlen Schildträger, mit bangem Zweifel, ob sie den Tod oder die Rückkehr ihres geliebten Königs vernehmen würden. Der Bote, der von der Landzunge kam, verschwieg nichts, sondern sprach wahrheitsgemäß von allem, was geschehen war: „Der Schatzgeber des Volkes, der König der Goten, liegt regungslos auf seinem Sterbebett, getötet im Kampf durch das Gift des Drachenwurms. Doch neben ihm liegt sein Gegner, tödlich verwundet vom spitzen Dolch. Denn mit seinem Schwert (Nägling) konnte er dem schrecklichen Wesen keine tödliche Wunde zufügen. Wiglaf, der Sohn von Weohstan, sitzt nun an der Leiche von Beowulf, der lebende Kämpfer über dem toten, und hält mit traurigem Geist die Totenwache für Freund und Feind. (2910)

So droht unserem Volk wieder eine kriegerische Zeit, denn bald werden die Friesen und Franken in der Ferne vom Tod unseres Königs erfahren. Die Feindschaft mit den Hugen (der Friesen) besteht schon lange, seit Hygelak damals mit seiner Flotte ins Land der Friesen einfiel, wo ihn die Hetwaren (deutbar als „Hass-Wächter“) mit ihrer Übermacht so sehr bedrängten, dass der wohlgerüstete Kämpfer erliegen musste. Er fiel mitten unter seinem Fußvolk, und der König konnte seinem Gefolge den Schatz des Sieges nicht geben. So blieb uns seitdem die Freundschaft der Merowinger (dem Königsgeschlecht der Franken) vorenthalten. Auch den Schweden ist nicht zu trauen, und ich erwarte von ihnen weder Frieden noch Waffenstillstand. Denn es ist weithin bekannt, dass Ongentheow („Diener der Trennung“) den edlen Haethkyn („hitzigen König“), Hredels Sohn, im Rabenwald seines Lebens beraubte, nachdem das Goten-Volk im Übermut die kriegerischen Scylfinge (Schweden) angegriffen hatte. Ongentheow, der kluge, alte und ergraute Vater von Ohthere rächte sich grimmig für diesen Angriff mit all seiner Kraft und erschlug den Goten-König. Damit ehrte er seine kluge und alte Ehefrau, die Mutter von Onela und Ohthere, die ihres Goldes beraubt worden war. Dann verfolgte er seine Feinde, die ohne ihren König in den Rabenwald flohen. Dort belagerte er den großen Wald, wo die Überlebenden und vom Schwert Verwundeten ermüdet Zuflucht suchten. Zum Anbruch der Nacht drohte er der bedrängten Kämpferschar ihren Untergang an und sprach, am Morgen sollten sie durch des Schwertes Schneide fallen oder am Galgen zum Festschmaus der Raben enden. Doch Rettung erschien den bekümmerten Herzen in der Dämmerung des neuen Tages, als sie Hygelaks Horn hörten und seinen Schlachtruf erkannten. So kam der edle Held mit den besten Kämpfern, um die Stammesgenossen zu retten.“ (2945)

40. Die Geschichte der Brüder Eofor und Wulf

Der Bote von Wiglaf sprach weiter: „Die blutige Spur des erbitterten Kampfes zwischen Schweden und Goten, das tödliche Gemetzel der Menschen, war weithin sichtbar. Niemand konnte ihre mörderische Feindschaft übersehen. Da suchte der alte, kluge König Ongentheow mit seinem Gefolge voller Sorge und Schmerz den Schutz einer Festung und zog sich in eine hoch aufragende Burg zurück. Er kannte nun Hygelaks Heldenstärke und den tapferen Kampfesmut des mächtigen Königs und glaubte nicht mehr daran, die Seefahrer zu schlagen und gegen den Kampferfahrenen seinen Schatz, sowie Frauen und Kinder verteidigen zu können. Daher zog sich der Altgewordene hinter dicke Mauern zurück. Doch Hygelak verfolgte unter seinem Banner die Schweden und überwältigte bald diesen Zufluchtsort, so dass die Hredlinge („Befreier“) hinter die Mauern vordringen konnten. Dort zwang man den alten Ongentheow, den grauhaarigen König, sich den Schwertern im Kampf zu stellen, wobei sich der Stammeskönig allein dem Urteil von Eofor („Eber“) unterwerfen musste. Den ersten Schlag erhielt er von Wulf („Wolf“), dem anderen Sohn von Wonred („Rat-Sucher“), dass ihm das Blut in Strömen unter dem grauen Haar hervorquoll. Aber der alte Scylfing (Schwede) schreckte nicht zurück, sondern vergalt ihm den harten Schlag mit einem noch schrecklicheren, als sich der Stammeskönig gegen den Feind wandte. Da konnte der wackere Sohn Wonreds dem Hieb des Greises nichts entgegensetzen. Der Helm wurde ihm auf dem Kopf zerschlagen, und er stürzte blutüberströmt zu Boden. Doch der Tod war ihm nicht bestimmt, und er erholte sich bald wieder von der Wunde. In der Zwischenzeit schwang Eofor aus dem Gefolge von Hygelak sein altes Riesenschwert, um den Bruder zu rächen. Dies zerschmetterte den Helm des Königs, der ein Werk der Riesen war, und der Herrscher seines Volkes fiel, zu Tode getroffen. Andere Gefährten verbanden inzwischen die Wunde des Bruders und führten ihn fort, da sie nun als Sieger das Schlachtfeld beherrschten. Dann nahmen sie die eiserne Rüstung, das harte Kampfschwert und auch den Helm von Ongentheow und trugen die Kampfausrüstung als Beute zu ihrem König Hygelak. Dieser nahm die Schätze, versprach ihnen dafür würdige Belohnung und hielt sein Wort. Denn als sie nach Hause zurückgekehrt waren, vergalt der Gotenkönig, Hredels Sohn, den Kampf und beschenkte Eofor und Wulf mit einer Fülle von Schätzen. Er gab ihnen hunderttausendfach Land und ineinander verschlungene Goldringe. Und niemand in Midgard (im „Mittelgarten“ der Menschenwelt) hatte Grund, diese Geschenke für das ruhmreiche Heldenwerk zu tadeln. Zudem gab er Eofor seine einzige Tochter zur Ehefrau, was eine große Ehre für sein Haus und ein Pfand der Freundschaft war. (2998)

Das ist der Streit und die Feindschaft, der tödliche Hass unter den Menschen, wegen dem ich fürchte, dass uns die Schweden wieder angreifen werden, wenn sie vom Tod unseres Königs erfahren. Er hatte unser Königreich und unseren Schatz bisher vor Angreifern bewahrt. Denn nachdem die Helden der mächtigen Scyldings (der Dänen in der Hirschhalle) gefallen waren, hatte er mit tapferen Heldentaten die Gerechtigkeit unter den Menschen wieder aufgerichtet. Nun ist Eile geboten, den edlen König unseres Volkes noch einmal zu sehen, bevor der Geber der goldenen Ringe auf seiner Reise zum Scheiterhaufen gebracht wird. Nicht nur ein Teil des unzähligen Goldschatzes soll mit dem Großmütigen im Feuer verschmelzen. Er wurde bitter erkauft, und schließlich bezahlte er die goldenen Ringe mit seinem Leben. So soll die Flamme alles verzehren, vom lodernden Feuer umhüllt! Kein Mensch soll diese Schätze zur Erinnerung tragen. Kein schönes Mädchen soll mit dem Ringschmuck ihren Hals schmücken. Mit traurigem Herzen und des Goldes beraubt werden sie nicht einmal mehr ferne Länder besuchen können, denn nun hat unser Führer im großen Kampf Lachen, Freude und Fröhlichkeit verloren. Jeden Morgen wird man die kalten Speere mit zitternden Händen ergreifen und hochhalten müssen. Kein Harfenklang wird die Kämpfer mehr wecken, sondern der dunkel-düstere Rabe in seiner Gier nach Totem. Er wird vieles sprechen und dem Adler erzählen, wie ihm sein Fraß gelang, als er zusammen mit dem Wolf die Getöteten plünderte, die Leichen der Schlacht.“ (3027)

So verkündete der tapfere Bote seine traurige Botschaft, und er irrte sich kaum im Erzählten und Vorausgesagten. Die ganze Gesellschaft erhob sich und ging traurig zur Adlerklippe, um mit weinenden Augen das Wunder zu sehen. Dort fanden sie im Sand den entseelten Leib ihres Königs, der früher die Ringe gab und nun über sein Ruhebett herrschte. Der edle König hatte den letzten Tag seines Lebens im Kampf erreicht, der Herrscher der Goten, der einen wundersamen Tod starb. Doch vor allem sahen sie dort ein seltsames Geschöpf, den schrecklichen Drachenwurm, der tot am Boden lag, gleich gegenüber dem König. Der Feuerdrache war ein schrecklich-grimmiges Ungeheuer, dessen Feuer nun ausgebrannt war. Er war wohl fünfzig Fuß (ca. 15m) lang, als er ausgestreckt auf der Erde lag. Nachdem er während der Nacht mit Genuss die Lüfte beherrschte, kam er wieder herab und kehrte in seine Höhle zurück. Nun hielt ihn der Tod fest, und der Genuss hatte in der Erdhöhle sein Ende gefunden. Ringsherum standen Kelche und Becher, Kannen und Schüsseln, sowie vom Rost zerfressene Schwerter, als hätten sie tausend Jahre in der Erde gelegen. Denn einst wurde dieser überaus mächtige Erbschatz, das Gold der Ahnen, von einem Zauber geschützt, so dass kein Mensch diese Ringhalle besuchen konnte. Es sei denn, Gott selbst, der König der Wahrheit und des Sieges, erlaubte es einem Auserwählten, der ihm würdig erschien, den Schatz zu öffnen. Denn er ist der Beschützer und Führer der Menschen. (3057)

41. Wiglafs Trauer und das Heben des Goldschatzes

So zeigte es sich, dass dem alle Mühe nicht glückt, der den Goldschatz zu Unrecht in seiner Höhle verstecken will. Der Wächter hatte dafür sogar Menschen getötet, und dieser Hass wurde bitter gerächt. Wunderlich ist es oft, wie ein ruhmreicher Held die Reise seines Lebens schicksalhaft beendet, so dass er nicht länger unter seinen Verwandten in der Met-Halle verweilen kann. So erging es auch Beowulf, als er den Wächter der Grabhöhle im Kampf angriff. Er selbst wusste nicht, wie er diese Welt verlassen würde. Denn es war der Wille der großen Herrscher, die den Goldschatz dorthin brachten, dass bis zum Jüngsten Tag jeder Mensch, der diesen Schatz antastet, des Verbrechens schuldig sein und als Strafe aus der heiligen Welt in die Hölle verbannt werden solle. Sie waren nicht großzügig mit dem Gold, noch zeigten sie jemals die Güte eines Herrn, der den Schatz wahrhaft erworben hatte. (3075)

Wiglaf, der Sohn von Weohstan, sprach: „Der Wille eines einzigen schafft oft vielen Menschen viel Kummer und Leid. Wir konnten den geliebten König, den Hüter unseres Reiches, durch keinen Rat davon überzeugen, den Goldschatz nicht zu berühren, sondern ihn dort liegenzulassen, wo er schon lange lag und bis zum Ende der Welt liegen könnte. Nun ist der Schatz freigelegt, doch teuer erkauft. Zu grausam war das Schicksal, das ihn dorthin trieb. (3086)

Ich war im Inneren der Grabhöhle und habe mir alles angeschaut, was dort angesammelt wurde, nachdem mir der Weg freigemacht worden war. Nicht einfach war der Auftrag, den ich innerhalb der Erdhöhle bekam. Eilig packte ich vieles mit meinen Händen, eine gewaltige Last an Schätzen, und brachte sie hierher zu meinem König. Da lebte er noch, war bei Bewusstsein und sprach noch vieles. Der sterbende Greis bat mich, euch zu grüßen, und gebot, entsprechend den Taten eures Freundes an der Stätte des Leichenfeuers einen hohen Grabhügel zu errichten, groß und hervorragend, wie er auch selbst unter den Menschen ein höchst geehrter Kämpfer auf dieser weiten Erde war, solange er den Wohlstand in seinem Reich genießen konnte. (3100)

Nun lasst uns noch einmal eilen, um den wundervollen Schatz in der Felsenhöhle zu suchen und zu sehen. Ich werde euch führen, damit ihr aus der Nähe die Ringe und das ausgebreitete Gold betrachten könnt. Lasst die Bahre vorbereitet hier stehen, und wenn wir zurückkehren, dann tragt unseren toten König, den geliebten Herrn, dorthin, wo er lange unter dem Schutz des Allmächtigen verweilen muss.“ (3109)

Dann befahl Weohstans Sohn, der heldenhafte Jüngling, mehreren Kriegern und Hausvätern, aus der weiten Umgebung Holz für den Scheiterhaufen herbeizuholen, um die Leiche ihres geliebten Königs zu verbrennen: „Nun soll im Feuer die Flamme aus dem Dunklen wachsen und den Führer der Kämpfer verschlingen, der oftmals einen Eisenhagel ertrug, wenn der Sturm der Pfeile von der Bogensehne getrieben über die Schildmauer fegte, und der Pfeil von Federn getragen treu seinen Dienst tat und im Flug der Pfeilspitze folgte.“ (3119)

Danach berief Weohstans weiser Sohn aus dem Kämpfergefolge des Königs insgesamt sieben der Besten, und er selbst betrat als achter der Helden die dunkle Höhle. Einer der Kämpfer ging mit der Feuerfackel in der Hand voran. So war es kein Zufall, wer diesen Schatz heben sollte, den die Männer nun ohne Wächter in der Grabhöhle freizügig liegen sahen. Niemand wehrte sich mehr dagegen, als sie die kostbaren Schätze eilig heraustrugen. Die Leiche des Drachenwurmes, der den Schatz bisher bewacht hatte, stießen sie von der Felsenklippe in die Wellen des wogenden Meeres. Das zusammengetragene Gold in vielfältigsten Formen wurde auf einen Wagen geladen. Und den König, den grauhaarigen Kämpfer, trug man zum Kap der Wale (Hronesness). (3136)

42. Leichenfeuer und Bestattung

Dort errichtete nun das Volk der Goten einen mächtigen Scheiterhaufen auf der Erde, wie er es geboten hatte, der mit Helmen, Kampfschilden und strahlenden Rüstungen behängt wurde. In dessen Mitte legten dann die klagenden Helden ihren rumreichen König, den geliebten Herrn, und die Kämpfer begannen, auf der Landzunge ein großes Feuer zu entzünden. Dunkler Rauch stieg in der Hitze aus dem Holz empor, und die lodernden Flammen vermischten sich mit vielen Tränen. Sogar der Sturmwind schwieg, bis das Haus aus Knochen in der heißen Glut zusammengebrochen war. Mit verzweifelten Herzen beklagten sie ihren Kummer, den Tod ihres Königs. Wie eine verlassene Frau das Totenlied für ihren geliebten Ehemann singt, so beklagten die Goten Beowulf, den sie grausam verloren hatten. Sie sangen traurig und verzweifelt vom schrecklichen Schicksal, das sie nun befürchteten, von Tagen des Unheils, von mörderischen Schlachten und der Angst vor übermächtigen Feinden, Raub und Knechtschaft, bis der Himmel allen Rauch verschlungen hatte. Dann errichtete das Gotenvolk (über der Asche) einen hohen und markanten Grabhügel auf der Landzunge, so dass ihn die Seefahrer auf den Wellen des Meeres weithin sehen konnten. Nach zehn Tagen war das Werk vollbracht. Auf die Spitze setzten sie das Leuchtfeuer des Königs aus den Überresten seines Leichenfeuers und umgaben es mit einer Mauer, wie es ihren weisesten Männern am würdigsten erschien (was wir heute wohl als „Leuchtturm“ kennen). (3162)

In den Grabhügel legten sie auch die Ringe und Kostbarkeiten, den ganzen Schatz, den gierige Krieger einst als Eigentum erbeutet hatten. So überließen sie den Schatz der Könige wieder der Erde, das Gold dem sandigen Boden, wo es immer noch liegt, für die Menschen nutzlos wie zuvor. Dann ritten zwölf rüstige Helden, kampferfahrene Söhne der Edlen, um den Grabhügel. Und alle beklagten ihren Kummer, trauerten um ihren König, sangen Klagelieder und priesen ihren Herrscher. Sie lobten seine Heldentaten, seinen Mut und seine Herrscherkraft. Denn es ist angemessen, dass man seinen Freund und Herrn im Geist verehrt, wenn er seinen Körper verlassen musste. So betrauerte das Volk der Goten mit vielen Gefolgsleuten den Verlust ihres Königs. Man sagte, er sei von allen Königen der Welt der großzügigste und wohlwollendste gewesen, der sein Volk am besten beschützte und am meisten nach höchstem Ruhm strebte. (3182)

Quellenverzeichnis

Quellen für Text und Bilder:
Deutsche Heldensagen, Wilhelm Wägner, 1878
Deutsche Heldensagen, 6. Auflage, Wilhelm Wägner, 1898
Die Nibelungen: nach nordischer und deutscher Dichtung erzählt, Wilhelm Wägner, 1882 (PDF Auszug)
Das kleine Heldenbuch, Band 3, Karl Joseph Simrock, 1857
Das Heldenbuch (Gudrunlied), Band 1, Karl Joseph Simrock, 1883
Das Heldenbuch, Bände 3-4, Karl Joseph Simrock, 1883
Das Heldenbuch (Amelungenlied), Band 5, Karl Joseph Simrock, 1864
Der Nibelungen Klage, Band 1, Hagen, 1852
Heldenbuch, Dietrichs von Bern und Nibelungen, Band 1, Hagen, 1855
Herbstabende und Winternächte, Band 2, Ettmüller, 1866
Das Lied der Nibelungen, Büsching, 1815
Garmanias Sagenborn, Engelmann, 1890
Deutsche Dichtungen des Mittelalters, Band 3, Genthe, 1864
Der Rosengarten, Wilhelm Grimm, 1836
Waltharius: lateinisches Gedicht, Scheffel und Holder, 1874
Das Waltharilied, Althof, 1896
Der grosse Wolfdieterich, Adolf Holtzmann, 1865
Die Sagen von den Wölsungen und Niflungen, August Raszmann, 1858
Sigenot nach dem alten Nürnberger Drucke, Schade, 1854
Die Klage mit den Lesarten sämmtlicher Handschriften, Bartsch, 1875
Kudrun (mittelhochdeutsch), Bartsch, 1880
Die deutsche Litteraturgeschichte - Kudrun (Zusammenfassung), Pfalz, 1883
Beowulf nebst dem Finnsburg-Bruchstück, Hugo Gering, 1906
Beowulf on Steorarume, Benjamin Slade, 2002
Beowulf: A New Verse Translation, Seamus Heaney, 1999
The Oldest English Epic Beowulf, Gummere, 1909
Beowulf-Urtext im Vergleich mit verschiedenen Übersetzungen, 2025