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Märchentext der Gebrüder Grimm [1857]
Interpretation von Undine & Jens in Grün [2018]
Es war vor Zeiten ein König, der hatte einen schönen Lustgarten hinter seinem Schloß, darin stand ein Baum, der goldene Äpfel trug. Als die Äpfel reiften, wurden sie gezählt, aber gleich den nächsten Morgen fehlte einer. Das ward dem König gemeldet, und er befahl, daß alle Nächte unter dem Baume Wache sollte gehalten werden. Der König hatte drei Söhne, davon schickte er den ältesten bei einbrechender Nacht in den Garten. Wie es aber Mitternacht war, konnte er sich des Schlafes nicht wehren, und am nächsten Morgen fehlte wieder ein Apfel. In der folgenden Nacht mußte der zweite Sohn wachen, aber dem erging es nicht besser: als es zwölf Uhr geschlagen hatte, schlief er ein, und morgens fehlte ein Apfel. Jetzt kam die Reihe zu wachen an den dritten Sohn, der war auch bereit, aber der König traute ihm nicht viel zu und meinte, er würde noch weniger ausrichten als seine Brüder. Endlich aber gestattete er es doch. Der Jüngling legte sich also unter den Baum, wachte und ließ den Schlaf nicht Herr werden. Als es zwölf schlug, so rauschte etwas durch die Luft, und er sah im Mondschein einen Vogel daherfliegen, dessen Gefieder ganz von Gold glänzte. Der Vogel ließ sich auf dem Baume nieder und hatte eben einen Apfel abgepickt, als der Jüngling einen Pfeil nach ihm abschoß. Der Vogel entflog, aber der Pfeil hatte sein Gefieder getroffen, und eine seiner goldenen Federn fiel herab. Der Jüngling hob sie auf, brachte sie am andern Morgen dem König und erzählte ihm, was er in der Nacht gesehen hatte. Der König versammelte seinen Rat, und jedermann erklärte, eine Feder wie diese sei mehr wert als das gesamte Königreich. »Ist die Feder so kostbar,« erklärte der König, »so hilft mir auch die eine nichts, sondern ich will und muß den ganzen Vogel haben.«
Auch dieses Märchen beginnt mit vielen Symbolen, die uns schnell auf eine geistige Ebene führen. Dabei wollen wir nicht vergessen, daß man Symbole nicht einheitlich definieren kann. Sie sind wie Finger, die auf etwas viel Größeres zeigen, das schwer erklärbar ist. So sehen wir hier den König als herrschenden Geist, die Welt als Spielplatz des Geistes und den berühmten Apfelbaum als Baum des Lebens mit den goldenen Früchten des ewigen Lebens, die auf seltsame Weise entschwinden. Die Söhne des Königs könnte man als unsere Seelen betrachten, die in dieser Welt eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen haben. Und hier geht es um nichts Geringeres als die goldenen Äpfel vom Baum des Lebens. Darin ist die Vision der Bibel vom Baum des ewigen Lebens zu erkennen, und die Nachtwache erinnert uns an die Gefangennahme von Jesus, als seine Jünger in den Schlaf fielen, und er sprach: „Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach. [Bibel, Matthäus 26.41]“ Diese beständige Achtsamkeit ist auf dem geistigen Weg eine sehr wichtige Übung, damit man nicht immer wieder in den Traumzustand der Illusion fällt. Dafür sitzen die Yogis und meditieren, um ihren Geist auf das Wahre zu richten und die Ursache zu erkennen, die uns zu vergänglichen Wesen macht, die den Tod fürchten müssen. Und von den drei Brüdern war es natürlich wieder der einfältigste, der vermutlich in der Welt am wenigstens Leidenschaft zeigte, der die Kraft zu dieser Achtsamkeit hatte. So erkannte er den goldenen Vogel im Mondlicht, d.h. im kühlen und klaren Licht des Geistes, das in der Nacht scheint, wenn die äußere Welt schweigt. Dieser Vogel läßt sich zwar auf dem Baum des Lebens nieder, aber er bleibt nicht beständig, sondern fliegt mit unseren ewigen Früchten schnell davon. Denn das Ewige oder auch die Wahrheit ist nichts Totes, sondern lebendig wie ein goldener Vogel, der uns zwar täglich besucht, aber immer wieder entwischt, wenn wir in den Traum der Illusion zurücksinken, ihn fangen wollen oder unsere Pfeile auf ihn schießen, womit hier wahrscheinlich die Gedanken gemeint sind. Denn mit rationalen Gedanken läßt sich bekanntlich die ewige Wahrheit nicht ergreifen. Sie läßt sich weder im Netz der Gedanken fangen noch mit ihren Pfeilen treffen. So erinnert uns dieser goldene Vogel auch an den mystischen Phönix, der im Sinne von „Stirb und Werde“ in ähnlicher Weise das ewige Leben symbolisiert, das man nicht festhalten kann.
Zumindest hat unser Jüngling bereits so viel Verdienst, daß ihm bei dem Versuch eine kleine Feder zufällt, die den unvergleichlichen Wert des goldenen Vogels bekundet. Und damit geht natürlich die Suche erst recht los. Das ist die übliche Art in der Natur, daß wir mit etwas Kleinem angefüttert werden, um das Große zu erreichen.
Der älteste Sohn machte sich auf den Weg, verließ sich auf seine Klugheit und meinte, den goldenen Vogel schon zu finden. Wie er eine Strecke gegangen war, sah er an dem Rande eines Waldes einen Fuchs sitzen, legte seine Flinte an und zielte auf ihn. Der Fuchs rief: »Schieß mich nicht, ich will dir dafür einen guten Rat geben. Du bist auf dem Weg nach dem goldenen Vogel, und wirst heut abend in ein Dorf kommen, wo zwei Wirtshäuser einander gegenüberstehen. Eins ist hell erleuchtet, und es geht darin lustig her: da kehr aber nicht ein, sondern geh ins andere, wenn es dich auch schlecht ansieht.« - »Wie kann mir wohl so ein albernes Tier einen vernünftigen Rat erteilen!«, dachte der Königssohn und drückte los, aber er verfehlte den Fuchs, der den Schwanz streckte und schnell in den Wald lief. Darauf setzte er seinen Weg fort und kam abends in das Dorf, wo die beiden Wirtshäuser standen: In dem einen ward gesungen und gesprungen, das andere hatte ein armseliges betrübtes Ansehen. »Ich wäre wohl ein Narr,« dachte er, »wenn ich in das lumpige Wirtshaus ginge und das schöne liegen ließ.« Also ging er in das lustige ein, lebte da in Saus und Braus, und vergaß den Vogel, seinen Vater und alle guten Lehren.
Der erste Sohn verläßt sich auf seinen Intellekt und scheitert, weil er die Welt mit rationalem Geist sieht, der auf persönlichen Gewinn ausgerichtet ist. Er begegnet dem Fuchs, der in der Natur als ein schlaues Tier gilt. Und wie sich der Fuchs mit seinem „vernünftigen Rat“ im Verlauf des ganzen Märchens verhält, können wir wohl annehmen, daß er hier als Symbol für Vernunft und Weisheit verwendet wird, die sich intuitiv in uns melden kann und oft seltsame Ratschläge gibt, die unserem gewöhnlichen Intellekt unverständlich erscheinen. Diesen „vernünftigen Rat“ verwirft der erste Sohn und versucht sogar, die Vernunft ganz zu töten. So geht er natürlich den gewöhnlichen Weg des gierigen Egos und verliert sich im Wirtshaus dieser Welt, das die Sinne betört, ohne weiter an den wahren Sinn seiner Reise zu denken und nach Hause zurückzukehren. Es ist auch typisch für unser gieriges Ego, daß es in der Vernunft Narrheit sieht und in der Narrheit Vernunft.
Als eine Zeit verstrichen und der älteste Sohn immer und immer nicht nach Haus gekommen war, so machte sich der zweite auf den Weg und wollte den goldenen Vogel suchen. Wie dem ältesten begegnete ihm der Fuchs und gab ihm den guten Rat, den er nicht achtete. Er kam zu den beiden Wirtshäusern, wo sein Bruder am Fenster des einen stand, aus dem der Jubel erschallte, und ihn anrief. Er konnte nicht widerstehen, ging hinein und lebte nur seinen Lüsten.
Dem zweiten Sohn geht es nicht besser. Er hat es sogar noch schwerer, weil er dem Vorbild seines älteren Bruders folgt. Die Zahl Drei wird für solche Symbolik gern verwendet. Während die Zwei mehr für die Natur steht, wo die gegensätzlichen Polaritäten herrschen und endlos hin und her schwingen würden, so finden wir in der Drei noch eine weitere Dimension für eine vernünftige Entwicklung zu höheren Zielen. Denken wir an die christliche Dreieinigkeit von Vater, Sohn und heiligem Geist, die gern auf der geistigen Ebene verwendet wird. Oder auch an die drei natürlichen Qualitäten von Leidenschaft, Dunkelheit und Güte im Reich der Natur, wie sie in der hinduistischen Philosophie als Wesen aller Entwicklungen beschrieben werden [z.B. MHB 12.212 oder 12.280]. Diese drei Qualitäten sind in allen Geschöpfen vorhanden, aber in verschiedenen Verhältnissen, ähnlich unseren drei Grundfarben von Rot, Blau und Gelb, aus denen sich alle anderen Farben bis hin zur Harmonie in Weiß mischen lassen. So könnten wir auch diese drei Söhne als Symbole für Leidenschaft, Dunkelheit und Güte betrachten: Die feurige Leidenschaft der Begierde und Klugheit, die dunkle Trägheit von Illusion und Lüge, und die helle Güte der Vernunft und Weisheit. Deshalb werden die beiden Älteren vom lasterhaften Leben angezogen, versumpfen im Wirtshaus der Welt, und vergessen ihre eigentliche Aufgabe im Leben. Dagegen wird der Jüngste als gutmütig und dankbar beschrieben und hat offensichtlich noch eine enge Verbindung zur Vernunft. Solche Menschen werden in der Gesellschaft gern belächelt und unterschätzt, denn sie neigen weder zur Leidenschaft noch zu List oder Betrug, um ihre Ziele zu erreichen.
Wiederum verstrich eine Zeit, da wollte der jüngste Königssohn ausziehen und sein Heil versuchen, der Vater aber wollte es nicht zulassen. »Es ist vergeblich,« sprach er, »der wird den goldenen Vogel noch weniger finden als seine Brüder, und wenn ihm ein Unglück zustößt, so weiß er sich nicht zu helfen. Es fehlt ihm am Besten.« Doch endlich, wie keine Ruhe mehr da war, ließ er ihn ziehen. Vor dem Walde saß wieder der Fuchs, bat um sein Leben und erteilte den guten Rat. Der Jüngling war gutmütig und sagte: »Sei ruhig, Füchslein, ich tue dir nichts zuleid.« - »Es soll dich nicht gereuen,« antwortete der Fuchs, »und damit du schneller fortkommst, so steig hinten auf meinen Schwanz.« Und kaum hatte er sich aufgesetzt, so fing der Fuchs an zu laufen, und da ging’s über Stock und Stein, daß die Haare im Winde pfiffen. Als sie zu dem Dorfe kamen, stieg der Jüngling ab, befolgte den guten Rat und kehrte, ohne sich umzusehen, in das geringe Wirtshaus ein, wo er ruhig übernachtete. Am andern Morgen, wie er auf das Feld kam, saß da schon der Fuchs und sagte: »Ich will dir weiter sagen, was du zu tun hast. Geh du immer geradeaus, endlich wirst du an ein Schloß kommen, vor dem eine ganze Schar Soldaten liegt, aber kümmre dich nicht darum, denn sie werden alle schlafen und schnarchen: geh mitten durch und geradeswegs in das Schloß hinein, und geh durch alle Stuben, zuletzt wirst du in eine Kammer kommen, wo ein goldener Vogel in einem hölzernen Käfig sitzt. Nebenan steht ein leerer Goldkäfig zum Prunk, aber hüte dich, daß du den Vogel nicht aus seinem schlechten Käfig herausnimmst und in den prächtigen tust, sonst möchte es dir schlimm ergehen.« Nach diesen Worten streckte der Fuchs wieder seinen Schwanz aus, und der Königssohn setzte sich auf: da ging’s über Stock und Stein, daß die Haare im Winde pfiffen. Als er bei dem Schloß angelangt war, fand er alles so, wie der Fuchs gesagt hatte. Der Königssohn kam in die Kammer, wo der goldene Vogel in einem hölzernen Käfig saß, und ein goldener stand daneben: die drei goldenen Äpfel aber lagen in der Stube umher. Da dachte er, es wäre lächerlich, wenn er den schönen Vogel in dem gemeinen und häßlichen Käfig lassen wollte, öffnete die Türe, packte ihn und setzte ihn in den goldenen. In dem Augenblick aber tat der Vogel einen durchdringenden Schrei. Die Soldaten erwachten, stürzten herein und führten ihn ins Gefängnis. Den andern Morgen wurde er vor ein Gericht gestellt und, da er alles bekannte, zum Tode verurteilt. Doch sagte der König, er wollte ihm unter einer Bedingung das Leben schenken, wenn er ihm nämlich das goldene Pferd brächte, welches noch schneller liefe als der Wind, und dann sollte er obendrein zur Belohnung den goldenen Vogel erhalten.
Nun, der gutmütige Sohn läßt sich zunächst von der Vernunft führen und nicht von den Lastern der Welt verführen. Daß er auf dem Schwanz des Fuchses getragen wird, könnte hier bedeuten, daß man der Vernunft nicht im Nacken sitzen und sie wie ein Pferd reiten sollte, sondern sich von ihr führen und tragen lassen soll. Diese Gefahr besteht immer, daß unser Ego danach greift und sogar die Vernunft auf eigene Wege zwingen und für eigene Zwecke beherrschen will. So folgt der gutmütige Sohn der Vernunft und läßt sich zu einem wundersamen Schloß tragen, in dessen innerster Kammer er den goldenen Vogel finden kann. Dieses Schloß könnte unser Körper sein, in dem die Seele ‚eingeschlossen‘ ist. Und der Weg ins Innere ist auch bekanntlich der Weg zur goldenen Wahrheit des Lebens. Die Szene erinnert uns natürlich wieder an einen Yogi, der in der Stille sitzt, so daß alle Gedanken und Sinne schweigen, wie die Soldaten und ihr König. Nur dann ist der Geist klar, und man kann bis zum Grund schauen. Auf diesem Weg findet der Gutmütige die lebendige Wahrheit zusammen mit den ewigen Früchten. Auch hier begegnen wir dem Rat der Vernunft, auf das Einfache zu vertrauen und sich nicht vom äußeren Glanz des Goldes verführen zu lassen. Aber das ist einfach gesagt, denn die Begierde sitzt tief in unserem Wesen und ist schwer zu überwinden. So erwacht dann wieder der rationale Intellekt, und der Sohn versucht die Wahrheit in einen goldenen Käfig zu sperren, weil sie natürlich etwas ‚Besonderes‘ sein soll. Das ist ein wundervolles Symbol, wie es hier meisterhaft verwendet wird. Denn mit dem Intellekt erwachen sogleich die egoistischen Gedanken und Sinne und verurteilen diese verwegene Tat. Warum? Unser Ego ist ein natürlicher Feind der Wahrheit, denn es weiß im Inneren, daß es in der Wahrheit untergehen muß. Deshalb verurteilt unser Ego gewöhnlich alles, was nach der Wahrheit sucht, und wenn es den Angreifer nicht töten kann, dann verkompliziert es die Suche mit immer neuen Forderungen. Denn diese Begierde nach immer mehr ist nun einmal sein Wesen. Und so geht die Suche weiter:
Der Königssohn machte sich auf den Weg, seufzte aber und war traurig, denn wo sollte er das goldene Pferd finden? Da sah er auf einmal seinen alten Freund, den Fuchs, an dem Wege sitzen. »Siehst du,« sprach der Fuchs, »so ist es gekommen, weil du mir nicht gehört hast. Doch sei guten Mutes, ich will mich deiner annehmen und dir sagen, wie du zu dem goldenen Pferd gelangst. Du mußt geraden Weges fortgehen, so wirst du zu einem Schloß kommen, wo das Pferd im Stalle steht. Vor dem Stall werden die Stallknechte liegen, aber sie werden schlafen und schnarchen, und du kannst geruhig das goldene Pferd herausführen. Aber eins mußt du in acht nehmen, leg ihm den schlechten Sattel von Holz und Leder auf und ja nicht den goldenen, der dabeihängt, sonst wird es dir schlimm ergehen.« Dann streckte der Fuchs seinen Schwanz aus, der Königssohn setzte sich auf, und es ging fort über Stock und Stein, daß die Haare im Winde pfiffen. Alles traf so ein, wie der Fuchs gesagt hatte, er kam in den Stall, wo das goldene Pferd stand. Als er ihm aber den schlechten Sattel auflegen wollte, so dachte er: »Ein so schönes Tier wird verschändet, wenn ich ihm nicht den guten Sattel auflege, der ihm gebührt.« Kaum aber berührte der goldene Sattel das Pferd, so fing es an laut zu wiehern. Die Stallknechte erwachten, ergriffen den Jüngling und warfen ihn ins Gefängnis. Am andern Morgen wurde er vom Gerichte zum Tode verurteilt, doch versprach ihm der König das Leben zu schenken und dazu das goldene Pferd, wenn er die schöne Königstochter vom goldenen Schlosse herbeischaffen könnte.
Wie wir es auch aus unserem Leben kennen, so dreht sich vieles immer wieder im Kreis, bis das Problem endlich gelöst ist. Auf diese Weise führt uns die Natur. Unserem gutmütigen Sohn geht es nicht besser. Auf oberer Ebene könnten wir hier unseren Kindern sagen: „Wie kann man nur so dumm sein, und den gleichen Fehler noch einmal machen!?“ Aber ehrlich, das geschieht uns andauernd. Und so geschieht auch hier das gleiche Spiel noch einmal mit einem goldenen Pferd, das schneller wie der Wind läuft. Dieses Symbol erinnert uns an den reinen Geist, der in einem Augenblick das ganze Universum durchdringen kann. Das macht auch Sinn, denn zum goldenen Vogel der reinen Wahrheit des ewigen Lebens gehört natürlich auch ein reiner Geist. Und zum reinen Geist gehört wiederum eine reine Natur, welche zunächst in Form der schönen Königstocher vom goldenen Schlosse gewonnen werden soll. Damit sind wir wieder bei einer Dreiheit, die man hier als Geist, Natur und ewiges Leben erkennen kann.
Mit schwerem Herzen machte sich der Jüngling auf den Weg, doch zu seinem Glücke fand er bald den treuen Fuchs. »Ich sollte dich nur deinem Unglück überlassen,« sagte der Fuchs, »aber ich habe Mitleiden mit dir und will dir noch einmal aus deiner Not helfen. Dein Weg führt dich gerade zu dem goldenen Schlosse: abends wirst du anlangen, und nachts, wenn alles still ist, dann geht die schöne Königstochter ins Badehaus, um da zu baden. Und wenn sie hineingeht, so spring auf sie zu und gib ihr einen Kuß, dann folgt sie dir, und du kannst sie mit dir fortführen. Nur dulde nicht, daß sie vorher von ihren Eltern Abschied nimmt, sonst kann es dir schlimm ergehen.« Dann streckte der Fuchs seinen Schwanz, der Königssohn setzte sich auf, und so ging es über Stock und Stein, daß die Haare im Winde pfiffen. Als er beim goldenen Schloß ankam, war es so, wie der Fuchs gesagt hatte. Er wartete bis um Mitternacht, als alles in tiefem Schlaf lag und die schöne Jungfrau ins Badehaus ging, da sprang er hervor und gab ihr einen Kuß. Sie sagte, sie wollte gerne mit ihm gehen, bat ihn aber flehentlich und mit Tränen, er möchte ihr erlauben, vorher von ihren Eltern Abschied zu nehmen. Er widerstand anfänglich ihren Bitten, als sie aber immer mehr weinte und ihm zu Füßen fiel, so gab er endlich nach. Kaum aber war die Jungfrau zu dem Bette ihres Vaters getreten, so wachte er und alle anderen, die im Schloß waren, auf, und der Jüngling ward festgehalten und ins Gefängnis gesetzt.
Auch hier trägt die Vernunft unseren gutmütigen Sohn zum goldenen Schloß, wo er die Liebe der schönen Königstochter gewinnen soll. Das Bad in der Nacht erinnert an die alten Osterbräuche, wo Jungfrauen des Nachts schweigend zu Quellen gingen, sich dort wuschen und Osterwasser schöpften. Die Nacht ist allgemein eine Zeit der Reinigung, nicht nur im Schlaf sondern auch in der Meditation. Denn wenn draußen alles dunkel ist und schläft, kann das innere Licht erwachen. Und die neue Herausforderung der Natur ist hier vermutlich die weltliche Anhaftung an Vater und Mutter. Ähnliches finden wir in der Bibel, wo es heißt: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht wert. [Bibel Matthäus 10.37]“ So werden die Herausforderungen immer schwerer. Dazu erklärte auch Dadaji: „Was ist wahre Liebe? Das ist die Liebe, die nicht kommt und geht. Nur die wahre Liebe ist beständig und stets die gleiche. Wahre Liebe ist göttliche Liebe. Jede andere Liebe, die schwankt und zu- und abnimmt, ist keine wahre Liebe, sondern persönliche Anhaftung... [Aptavani 1.117]“
Doch unser Jüngling ist noch nicht soweit, läßt sich mehr von Intellekt und Gefühlen als von der Vernunft leiten, so daß er am Ende wieder in der Falle sitzt. Damit erscheint natürlich die nächste Herausforderung, die es zu meistern gilt:
Am andern Morgen sprach der König zu ihm: »Dein Leben ist verwirkt, und du kannst bloß Gnade finden, wenn du den Berg abträgst, der vor meinen Fenstern liegt, und über welchen ich nicht hinaussehen kann, und das mußt du binnen acht Tagen zustande bringen. Gelingt dir das, so sollst du meine Tochter zur Belohnung haben.« Der Königssohn fing an, grub und schaufelte, ohne abzulassen, als er aber nach sieben Tagen sah, wie wenig er ausgerichtet hatte, und alle seine Arbeit so gut wie nichts war, so fiel er in große Traurigkeit und gab alle Hoffnung auf. Am Abend des siebenten Tags aber erschien der Fuchs und sagte: »Du verdienst nicht, daß ich mich deiner annehme, aber geh nur hin und lege dich schlafen, ich will die Arbeit für dich tun.« Am andern Morgen, als er erwachte und zum Fenster hinaussah, so war der Berg verschwunden. Der Jüngling eilte vor Freude zum König und meldete ihm, daß die Bedingung erfüllt wäre, und der König mochte wollen oder nicht, er mußte Wort halten und ihm seine Tochter geben.
Was bedeutet dieses Symbol des Berges, der dem König die Sicht aus den Fenstern versperrt? Hier denken wir wieder an den Körper mit den fünf Sinnen, durch die der Geist wie durch fünf Fenster in die Welt schaut. Und was behindert unsere wahre Sicht? Damit könnten all die vielen angesammelten Dinge gemeint sein, wie auch Vorurteile, Lügen, Illusion, Unwissenheit und Sünde. In Indien würde man vom Karma-Berg sprechen, den es hier abzutragen gilt. Das ist natürlich eine gewaltige Herausforderung, denn gewöhnlich sehen wir davon nur die Spitze des Eisberges. Und mit unserem Intellekt kommt man hier praktisch nicht voran. Das bedeuten vermutlich auch die sieben Tage unserer weltlichen Woche, die sich ständig nur im Kreis drehen. Am mystischen achten Tag, der im Christentum als Tag der Auferstehung gilt, erscheint die reine Vernunft und trägt den Berg ab, ohne daß der Jüngling persönlich handeln muß. Denn dieses Werk kann das Ego-Ich nicht persönlich vollbringen. Deshalb spricht man hier auch von der Gnade der reinen Vernunft oder Erkenntnis. Und damit gewinnt der gutmütige Jüngling auch die reine Seele bzw. Natur als seine weibliche Hälfte.
Nun zogen die beiden zusammen fort, und es währte nicht lange, so kam der treue Fuchs zu ihnen. »Das Beste hast du zwar,« sagte er, »aber zu der Jungfrau aus dem goldenen Schloß gehört auch das goldene Pferd.« - »Wie soll ich das bekommen?« fragte der Jüngling. »Das will ich dir sagen,« antwortete der Fuchs, »zuerst bring dem Könige, der dich nach dem goldenen Schlosse geschickt hat, die schöne Jungfrau. Da wird unerhörte Freude sein, sie werden dir das goldene Pferd gerne geben und werden dir’s vorführen. Setz dich alsbald auf und reiche allen zum Abschied die Hand herab, zuletzt der schönen Jungfrau, und, wenn du sie gefaßt hast, so zieh sie mit einem Schwung hinauf und jage davon: und niemand ist imstande, dich einzuholen, denn das Pferd läuft schneller als der Wind.«
Alles wurde glücklich vollbracht und der Königssohn führte die schöne Jungfrau auf dem goldenen Pferde fort. Der Fuchs blieb nicht zurück und sprach zu dem Jüngling: »Jetzt will ich dir auch zu dem goldenen Vogel verhelfen. Wenn du nahe bei dem Schlosse bist, wo sich der Vogel befindet, so laß die Jungfrau absitzen, und ich will sie in meine Obhut nehmen. Dann reit mit dem goldenen Pferd in den Schloßhof. Bei dem Anblick wird große Freude sein, und sie werden dir den goldenen Vogel herausbringen. Wie du den Käfig in der Hand hast, so jage zu uns zurück und hole dir die Jungfrau wieder ab.«
Nun geht es darum, das Ganze nach Hause zu bringen. Das Ego wartet natürlich auf den verschiedenen Ebenen wie ein Geier auf seinen Gewinn. Und wieder hilft die Vernunft mit dem goldenen Pferd, d.h. dem reinen Geist. Auch hier kommt es darauf an, sich nicht von der großen Freude über den Gewinn überwältigen zu lassen, sondern mit dem reinen Geist das Wahre zu ergreifen und den Weg zurück zum Ursprung zu gehen, zum Vater. Diesmal folgt der Jüngling der Vernunft, das große Werk gelingt und man möchte meinen, nun ist es geschafft.
Als der Anschlag geglückt war und der Königssohn mit seinen Schätzen heimreiten wollte, so sagte der Fuchs: »Nun sollst du mich für meinen Beistand belohnen.« - »Was verlangst du dafür?« fragte der Jüngling. »Wenn wir dort in den Wald kommen, so schieß mich tot und hau mir Kopf und Pfoten ab.« - »Das wäre eine schöne Dankbarkeit,« sagte der Königssohn, »das kann ich dir unmöglich gewähren.« Sprach der Fuchs: »Wenn du es nicht tun willst, so muß ich dich verlassen. Ehe ich aber fortgehe, will ich dir noch einen guten Rat geben. Vor zwei Stücken hüte dich, kauf kein Galgenfleisch und setze dich an keinen Brunnenrand.« Damit lief er in den Wald.
Doch jetzt wird es plötzlich noch komplizierter. Warum soll er den Fuchs töten, die Vernunft, die ihm bisher so gut gedient hat? Das Problem der Anhaftung ist wirklich sehr subtil. Jedes Mittel, daß uns auf dem Weg geholfen hat, muß man zur rechten Zeit auch wieder loslassen können. Das erinnert uns an die berühmten Worte von Buddha: „Als Floß, ihr Mönche, will ich euch die Lehre weisen, zum Entrinnen tauglich, nicht zum Festhalten. Das höret und achtet wohl auf meine Rede.“ Doch hier fehlt es dem Jüngling wieder an Vertrauen, und er kann sich dazu noch nicht überwinden. So nimmt er auch den weiteren Rat nicht ernst, der vor Anhaftung und Unachtsamkeit warnt.
Der Jüngling dachte: »Das ist ein wunderliches Tier, das seltsame Grillen hat. Wer wird Galgenfleisch kaufen! Und die Lust, mich an einen Brunnenrand zu setzen, ist mir noch niemals gekommen.« Er ritt mit der schönen Jungfrau weiter, und sein Weg führte ihn wieder durch das Dorf, in welchem seine beiden Brüder geblieben waren. Da war großer Auflauf und Lärmen, und als er fragte, was da los wäre, hieß es, es sollten zwei Leute aufgehängt werden. Als er näher hinzukam, sah er, daß es seine Brüder waren, die allerhand schlimme Streiche verübt und all ihr Gut vertan hatten. Er fragte, ob sie nicht könnten freigemacht werden. »Wenn Ihr für sie bezahlen wollt,« antworteten die Leute, »aber was wollt Ihr an die schlechten Menschen Euer Geld hängen und sie loskaufen.« Er besann sich aber nicht, zahlte für sie, und als sie freigegeben waren, so setzten sie die Reise gemeinschaftlich fort.
Sie kamen in den Wald, wo ihnen der Fuchs zuerst begegnet war, und da es darin kühl und lieblich war und die Sonne heiß brannte, so sagten die beiden Brüder: »Laßt uns hier an dem Brunnen ein wenig ausruhen, essen und trinken.« Er willigte ein, und während des Gesprächs vergaß er sich, setzte sich an den Brunnenrand und versah sich nichts Arges. Aber die beiden Brüder warfen ihn rückwärts in den Brunnen, nahmen die Jungfrau, das Pferd und den Vogel, und zogen heim zu ihrem Vater. »Da bringen wir nicht bloß den goldenen Vogel,« sagten sie, »wir haben auch das goldene Pferd und die Jungfrau von dem goldenen Schlosse erbeutet.« Da war große Freude, aber das Pferd, das fraß nicht, der Vogel, der pfiff nicht, und die Jungfrau, die saß und weinte.
Damit fällt der Jüngling in die Dunkelheit der Welt zurück, denn er wird von seinen Brüdern überwältigt, die man hier tatsächlich als Leidenschaft und Betrug betrachten könnte und eigentlich schon so gut wie tot waren. Aber klar, wer würde seine leiblichen Brüder nicht aus der Not retten? Oder war hier das Mitgefühl an der falschen Stelle? Deshalb sagt man, daß unser Mitgefühl immer mit Weisheit und Vernunft verbunden sein sollte. Dabei geht es hier nicht darum, Leidenschaft und Trägheit in der Welt völlig zu vernichten, sondern ihre Übermacht zu vermeiden, die uns sprichwörtlich an den Galgen bringt bzw. in den Brunnen fallen läßt. Denn ohne die Güte der Weisheit und Dankbarkeit zerstören sie Vernunft, Tugend und Gerechtigkeit. Dann fehlt es natürlich jeglichem Gewinn und Erfolg am wahrhaften Geist, der ihnen das wahre Leben gibt.
Der jüngste Bruder war aber nicht umgekommen. Der Brunnen war zum Glück trocken, und er fiel auf weiches Moos, ohne Schaden zu nehmen, konnte aber nicht wieder heraus. Auch in dieser Not verließ ihn der treue Fuchs nicht, kam zu ihm herabgesprungen und schalt ihn, daß er seinen Rat vergessen hätte. »Ich kann’s aber doch nicht lassen,« sagte er, »ich will dir wieder an das Tageslicht helfen.« Er sagte ihm, er sollte seinen Schwanz anpacken und sich fest daran halten, und zog ihn dann in die Höhe. »Noch bist du nicht aus aller Gefahr,« sagte der Fuchs, »deine Brüder waren deines Todes nicht gewiß und haben den Wald mit Wächtern umstellt, die sollen dich töten, wenn du dich sehen ließest.« Da saß ein armer Mann am Weg, mit dem vertauschte der Jüngling die Kleider und gelangte auf diese Weise an des Königs Hof. Niemand erkannte ihn, aber der Vogel fing an zu pfeifen, das Pferd fing an zu fressen, und die schöne Jungfrau hörte auf zu weinen. Der König fragte verwundert: »Was hat das zu bedeuten?« Da sprach die Jungfrau: »Ich weiß es nicht, aber ich war so traurig, und nun bin ich so fröhlich. Es ist mir, als wäre mein rechter Bräutigam gekommen.« Sie erzählte ihm alles, was geschehen war, obgleich die andern Brüder ihr den Tod angedroht hatten, wenn sie etwas verraten würde. Der König hieß alle Leute vor sich bringen, die in seinem Schloß waren, da kam auch der Jüngling als ein armer Mann in seinen Lumpenkleidern, aber die Jungfrau erkannte ihn gleich und fiel ihm um den Hals. Die gottlosen Brüder wurden ergriffen und hingerichtet, er aber ward mit der schönen Jungfrau vermählt und zum Erben des Königs bestimmt.
Dieses Auf und Ab macht diese Geschichte sehr realistisch. Denn so läuft es nun mal im Leben, und man sollte immer genügend Vertrauen haben, daß nach jedem Tief wieder ein Hoch kommt. So hilft auch hier wieder die Vernunft und bringt den Jüngling zurück ans Licht. Doch schon gibt es die nächste Herausforderung, nämlich vor den Wächtern des Waldes unerkannt zu bleiben. Was oberflächlich so einfach beschrieben wird, ist auf geistiger Ebene sehr schwer. Denn hier geht es nicht darum, sich ein wenig zu verkleiden, sondern die eigene Identität loszulassen, an der wir gewöhnlich extrem anhaften. Dazu gehören unser Name, Körper und Beruf sowie auch unsere persönliche Geschichte und das äußere Bild. Dieses Loslassenkönnen ist der unvergleichliche Reichtum wahrer Armut bzw. Askese. Damit gelangt der Jüngling unerkannt an den Hof seines Vaters. Nur die Wahrheit von Geist, Leben und Natur erkannte ihn, weil er mit ihr nicht über äußere Formen sondern innerlich verbunden war. Das erkennt wiederum der herrschende Geist in Gestalt des Königs, richtet die faule Lüge, vereint das Getrennte und vererbt seine Herrschaft dem wahrhaft Würdigen.
Aber wie ist es dem armen Fuchs ergangen? Lange danach ging der Königssohn einmal wieder in den Wald, da begegnete ihm der Fuchs und sagte: »Du hast nun alles, was du dir wünschen kannst, aber mit meinem Unglück will es kein Ende nehmen, und es steht doch in deiner Macht, mich zu erlösen.« Und abermals bat er flehentlich, er möchte ihn totschießen und ihm Kopf und Pfoten abhauen. Also tat er’s, und kaum war es geschehen, so verwandelte sich der Fuchs in einen Menschen, und war niemand anders als der Bruder der schönen Königstochter, der endlich von dem Zauber, der auf ihm lag, erlöst war. Und nun fehlte nichts mehr zu ihrem Glück, solange sie lebten.
Wie bereits gesagt: Jedes ungelöste Problem begegnet uns immer wieder, bis es endlich gelöst wird. Und so kann sich der Königssohn endlich auch entschließen, den Fuchs zu erlösen. Was heißt es, ihm Kopf und Pfoten abzuhauen? Angesichts der ganzen Geschichte, geht es vermutlich darum, auch den letzten Rest des Ich-Egos zu überwinden, das sich noch in der Vernunft versteckt und sich im Körper mit den Gedanken, Sinneserfahrungen und Taten, also Kopf und Händen, persönlich identifiziert. Und der Geist, der darin verborgen war, offenbart sich nun als der Bruder der Königstochter vom goldenen Schlosse, d.h. ein Wesen der Ewigkeit. So beschreibt dieses Märchen, wie die Vernunft in einen engen Körper gebannt wird, um die Gegensätze von Männlich und Weiblich in der wahren Liebe zu vereinen, den goldenen Vogel des ewigen Lebens zu finden und endlich selbst aus diesem körperlichen Gefängnis erlöst zu werden. Diese Symbolik ist dann sicherlich der Gipfel dieses Märchens, auf den wir uns hier nur theoretisch begeben können, sozusagen mit dem Finger auf der Landkarte. Auf dieser hohen geistigen Ebene verschwinden Leidenschaft, Lüge, Illusion, Stolz, Anhaftung, Ego und sogar die persönliche Identität. Wir sehen, wie in unserer Geschichte auf geistiger Ebene alles miteinander zusammenhängt und verbunden ist, wie hier jedes Wesen seine Rolle spielt und seinen Platz im Leben hat. Dann gibt es im Grunde nur einen Geist, der sich in verschiedenen Formen verkörpert und einen großen, lebendigen Organismus bildet. Hier werden Vater, Sohn, Vernunft, Seele und Natur zu einem Ganzen, zu einem großen Meer, auf dem die einzelnen Wellen mit- und gegeneinander spielen. Schließlich vereinen sich die üblichen Gegensätze von Mann und Frau in der mystischen Hochzeit wahrer Liebe, unser Märchen endet und die große Glückseligkeit beginnt.
Das ist eine höchst erstaunliche Geschichte, und es könnte damit sogar die Erlösung oder Befreiung gemeint sein, von der die großen Religionen sprechen. Und auch hier sollten wir nicht denken, daß dieses Erwachen etwas höchst Besonderes oder völlig Außergewöhnliches ist. Dann würden wir den goldenen Vogel der Wahrheit wieder in einen goldenen Käfig sperren und viel Geschrei darum machen, wie es auch gelegentlich geschieht. Doch praktisch spielt sich so etwas mehr im Einfachen und Verborgenen ab. Denken wir an Jesus in der stillen Wüste, an Buddha in seiner einsamen Askese oder an Krishna im abgelegenen Hirtendorf, auch wenn ihr Licht später über die ganze Welt erstrahlte. Keiner von ihnen brauchte einen goldenen Käfig für die Wahrheit.
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[1857] Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen, 7. Auflage, Berlin 1857 |