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Märchentext der Gebrüder Grimm [1857]
Interpretation von Undine & Jens in Grün [2020]
Ich will euch etwas erzählen: Ich sah zwei gebratene Hühner fliegen, flogen schnell und hatten die Bäuche gen Himmel gekehrt, die Rücken nach der Hölle, und ein Amboß und ein Mühlstein schwammen über den Rhein, fein langsam und leise, und ein Frosch saß und fraß eine Pflugschar zu Pfingsten auf dem Eis. Da waren drei Kerle, wollten einen Hasen fangen, gingen auf Krücken und Stelzen, der eine war taub, der zweite blind, der dritte stumm und der vierte konnte keinen Fuß rühren. Wollt ihr wissen, wie das geschah? Der Blinde, der sah zuerst den Hasen über Feld traben, der Stumme rief dem Lahmen zu, und der Lahme faßte ihn beim Kragen. Etliche, die wollten zu Land segeln und spannten die Segel im Wind und schifften über große Äcker hin: da segelten sie über einen hohen Berg, da mußten sie elendig ersaufen. Ein Krebs jagte einen Hasen in die Flucht, und hoch auf dem Dach lag eine Kuh, die war hinaufgestiegen. In dem Lande sind die Fliegen so groß als hier die Ziegen. Mache das Fenster auf, damit die Lügen hinausfliegen.
Nun, vielleicht denken wir zunächst an eine dumme Geschichte auf Bierkneipen-Niveau. Ja, es geschieht oft, daß wir den Geist unserer Vorfahren aus eigener Überheblichkeit sehr unterschätzen. Sind gebratene Hühner noch lebendig? Was ist die Grenze zwischen Leben und Tod? Richtet sich unser Leben zum glücklichen Himmel oder zur leidvollen Hölle? Kann tote Materie wie Wellen auf dem Meer des Lebens schwimmen? Kann man einen Heiligen Geist, wie er zu Pfingsten herabkommen soll, durch Ernährung von toten Dingen und mit zu Eis erstarrten Dogmen erreichen? Können wir mit unseren Gedanken den Angsthasen in uns besiegen? Wann ist unser Geist blind, taub, stumm und lahm? Kann man auf dem festen Boden der Materie die Segel des Lebens setzen? Warum lieben wir die „großen Äcker“ einer Monokultur? Droht uns vielleicht auch ein leidvoller Untergang auf einer vergifteten und zugemüllten Erde? Woher kommt die Angst vor dem Krebs? Und wie kam die Kuh auf das Dach? Warum haben wir unser Weltbild umgekehrt und machen Fliegen zu Ziegen, ja sogar Mücken zu Elefanten oder winzige Viren zum größten Staatsfeind?
Öffnet doch eure Sinne, erweitert euer engstirniges Bewußtsein vom Ichbewußtsein zu einem Allbewußtsein, damit die Lügen verschwinden! Denn wir leben zunehmend in einer propagandistischen Werbewelt und werden in Filterblasen und Echokammern eingehüllt, in denen wir Wahrheit und Lüge kaum noch unterscheiden können. Das heißt, wir leben in einer Welt, die auf „Sand gebaut“ wird, wie auch das „Dietmarsische Land“ ein Marschland bzw. Schwemmland an der Nordsee ist, das angeblich von 1227 bis 1559 eine Bauernrepublik war, die ihre adlige Obrigkeit vertrieben hatte. Aus symbolischer Sicht können wir hier die Bauern als unsere Sinne und Gedanken und den König als unsere Vernunft betrachten. Und wie daraus ein Lügenmärchen wird, möchten wir im folgenden etwas näher untersuchen:
Was ist Wahrheit?
Diese Frage hat sich auch die Wissenschaft gestellt und daraufhin festgestellt, daß sie gar keine verläßliche Wahrheit finden kann. Sogar der fernsehberühmte Prof. Harald Lesch meint, daß Wissenschaftler über Wahrheit gar nichts sagen können:
Das klingt zunächst auch plausibel, denn in der Wissenschaft geht es vor allem um die Ebene der Gedanken und Sinne. Aus materialistischer Sicht könnte man dazu folgende Pyramide aufbauen:
Das heißt, aus der Materie entstehen lebendige Körper mit sensiblen Organen, und zwar rein zufällig, denn es gibt ja keinen zielgerichteten Geist. Dann werden die Sinnesinformationen durch die Gedanken im Gehirnorgan verarbeitet, ähnlich wie die Daten in einem Computer, und daraus kann eine Vernunft entstehen, oder wie Wikipedia sagt: „Der Begriff der Vernunft bezeichnet in seiner modernen Verwendung ein durch Denken bestimmtes geistiges menschliches Vermögen zur Erkenntnis.“ Deshalb beschränkt sich auch die moderne Wissenschaft vorrangig auf die Ebene der Gedanken, und weil Gedanken immer Unterscheidungen sind, müssen sie natürlich immer relativ sein, weil sie sich auf Unterschiede beziehen. Logisch! So lassen sich damit auch nur relative Wahrheiten finden, und entsprechend sagte erst kürzlich der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft: „Wissenschaft schafft keine absoluten Wahrheiten, sondern Wissen, das solange gültig ist, bis es durch neue Erkenntnisse bestätigt, ergänzt oder widerlegt wird... Dies ist in der heutigen Wissenschaft und Forschung völlig normal... Von einer Vertrauenskrise in die Wissenschaft kann deshalb in der gegenwärtigen Coronavirus-Krise keine Rede sein... Das Vertrauen steigt, wenn Wissenschaftler vor laufenden Kameras ihre aktuellen Erkenntnisprozesse darlegen und erklären, wo und wie sie dazugelernt haben...“ Nun, soweit also darf man der heutigen Wissenschaft vertrauen, nämlich bis zur nächsten Fernsehshow...
Oder soll das ein selbstausgestelltes Armutszeugnis sein, um sich vor der Verantwortung zu drücken?
Nun, spätestens seit der wissenschaftlichen Erfindung von chemischen Waffen und Atombomben geht es mit dem, was man früher „menschliche Vernunft“ nannte, auch in der Wissenschaft rasant bergab. Denn eine gedankenbasierte Vernunft fördert vor allem das egoistische Denken, oder wie Goethe in [Faust I] sagte:
Er nennt's Vernunft und braucht's allein,
Nur tierischer als jedes Tier zu sein.
Trotzdem glaubt die Wissenschaft, sich mit dieser Art der „gedanklichen Vernunft“ immer mehr einer absoluten Wahrheit zu nähern, wie auch Prof. Harald Lesch in der Fortsetzung des obigen Videos behauptet. Wenn das so wäre, müßte die Illusion in unserer Welt stetig abnehmen. Doch praktisch leben wir zunehmend in einer propagandistischen Werbewelt und werden zu Zombies digitaler Medien, die mittlerweile die weltweite Propaganda fest im Griff haben. Von wachsender Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit kann man angesichts der gegenwärtigen Politik und Wissenschaft kaum noch sprechen, denn praktisch versinken wir in eine gedankliche Lügenwelt, in der die Menschen immer unfähiger werden, wirklich vernünftige Entscheidungen zu treffen. Und mit „vernünftig“ meinen wir nicht die moderne gedankenbasierte Vernunft, sondern die klassische Vernunft, wie sie noch in älteren Büchern, wie zum Beispiel im Duden erklärt wird: „Eine geistige Fähigkeit des Menschen, Einsichten zu gewinnen, sich ein Urteil zu bilden, die Zusammenhänge und die Ordnung des Wahrgenommenen zu erkennen und sich in seinem Handeln danach zu richten.“
Warum wollen wir diese klassische Vernunft in der Moderne nicht mehr haben?
Wie bereits festgestellt und wissenschaftlich bestätigt: Das unterscheidende Wissen der Gedanken ist nur relativ wahr und kann keine absolute Wahrheit erfassen. Dazu gehören auch unsere geliebten „Fakten“ und alle Sinnes-Wahrnehmungen, die wie der Name schon sagt, nur als wahr angenommen werden. Es sind also Annahmen, Ansichten, Theorien, Abstraktionen usw. Dieses unterscheidende Wissen kann natürlich nützlich sein, aber niemals verläßlich, und wir möchten dafür den Begriff „Verstand“ verwenden.
Was wäre nun ein Wissen, das nicht unterscheidet?
Damit kommen wir zu dem, was man auch universale Intelligenz nennt und eine ganzheitliche Sicht gewähren kann. Man kann es auch die klassische Vernunft nennen, die aus den Ansichten Einsichten macht und statt vieler Unterschiede die Zusammenhänge einer ganzheitlichen Ordnung erkennt, um entsprechend vernünftige Entscheidungen für ein langfristig heilsames Handeln zu treffen, wie es im obigen Zitat aus dem Duden erklärt wird. Auf diese Weise hat die Vernunft als universale Intelligenz eine wesentlich höhere Qualität als der gedankliche Verstand. Während der Verstand unterscheidet, kann die Vernunft entscheiden. So könnte man den gedanklichen Verstand mit Anwälten vergleichen, welche die Interessen einer Person vertreten, die fünf Sinne wären dann die Zeugen in diesem Prozeß, und die Vernunft wäre der Richter, der den Streit der Gegensätze im ganzheitlichen Sinne entscheidet und schlichtet. Damit könnte der Mensch zumindest in der Lage sein, Entscheidungen im Sinne einer absoluten Wahrheit zu treffen, und das auf einer ganz anderen Ebene als der Gedanken. Denn wir wissen, wenn der Richter spricht, müssen die Anwälte und Zeugen schweigen und das Urteil akzeptieren. Wenn also die Vernunft sprechen will, müssen Gedanken und Sinne schweigen. Das ist gut...
Doch wir schrecken zunächst zurück und fragen: Was bleibt uns, wenn Sinne und Gedanken schweigen? Nun, nach der obigen Pyramide aus materialistischer Sicht, bleibt nur noch tote Materie übrig, denn auch der kleine Zipfel Vernunft ist nur gedankenbasiert. Wie könnte also eine höhere Vernunft in diesem Weltbild funktionieren? Und wofür sollte man überhaupt eine höhere Vernunft entwickeln? Dann ist es vielleicht kein Zufall, daß materialistische Gesellschaften wie Sozialismus und Kapitalismus so wenig höhere Vernunft entwickelt haben. Das heißt, gedankliche bzw. einseitige Interessen können sie in Form von Monokulturen mit viel Kraft verwirklichen, aber zu ganzheitlichen Entscheidungen, die dem gesamten Organismus der Natur dienlich wären, sind sie offenbar nicht fähig.
Was nun?
Drehen wir doch einfach die Pyramide entsprechend dem ganzheitlich-beseelten Weltbild um, das wir im Märchen „Daumesdick“ bereits beschrieben haben:
Damit entspricht die Pyramide einer ganzheitlich-beseelten Weltanschauung, wie sie über viele Jahrtausende von der Menschheit gepflegt wurde. Hier ist die Vernunft als eine universale Intelligenz die ganzheitliche Grundlage und lebendige Basis für alle Geschöpfe. Aus diesem Prinzip der Einheit entsteht das unterscheidende Denken, das die gedanklichen Trennungen hervorbringt und damit auch das Ichbewußtsein mit der Vorstellung von „Ich“ und „Du“ oder „Mein“ und „Dein“. Auf der Basis dieser bewußten Unterscheidung entsteht dann das Sinnesbewußtsein, und auf der Basis der fünf Sinne erscheint die Vorstellung von materieller Körperlichkeit und des Teilchencharakters der Materie. Damit wäre Materie ein träger bzw. verhärteter Geist, wie es auch die Quantenphysik nahelegt, und viele praktische Erfahrungen wären wesentlich erklärbarer, wie die zahlreichen psychosomatischen Krankheiten, die Funktion von Placebos und Homöopathie, Intuition, Mitgefühl, Déjà-vus, Nahtoderfahrungen, Telepathie, Geisterwelten, und auch warum man bis heute im Gehirn keinen lokalisierbaren Datenspeicher gefunden hat.
In dieser Pyramide sieht man auch gut, daß Materie nur ein winziger Teil im Universum ist, wie es die moderne Physik bestätigt. Doch viel wichtiger ist die Frage nach dem Weg zur Vernunft und damit auch zur Wahrheit. Während man in der vorhergehenden Pyramide aus materialistischer Sicht eine höhere Vernunft durch Gedanken und Sinneswahrnehmung auf der Basis toter Materie aufzubauen versucht, geht es in diesem ganzheitlich-beseelten Weltbild darum, die sinnliche und gedankliche Anhaftung an die Materie aufzulösen, und was dann übrigbleibt, ist die höhere Vernunft, also ein Richter, der weder von materiellem Reichtum noch von gedanklichen und sinnlichen bzw. persönlichen Interessen abhängig ist. Denn nur ein Richter, der nicht korrupt und bestechlich ist, kann die Wahrheit vertreten.
Das wäre der Weg zur Vernunft, und deshalb verstand man früher auch unter „Entwicklung“ nicht das Einwickeln in neue Schalen, sondern das Auswickeln von etwas Eingewickeltem. Vernunft kann man also nicht „ausbilden“ oder „aufbauen“ sondern nur „entdecken“, oder wie es heißt: „Suchet und ihr werdet finden!“
Was ist es, das die Vernunft verdeckt? Wie man in der obigen Pyramide sieht, gehört zu den verdeckenden Schalen das Wissen der gegensätzlichen Gedanken und die Vorstellung von toter Materie. So ging es früher auf dem geistigen Weg um die Reinigung vom gedanklichen Wissen, das man entsprechend auch als Unwissenheit bezeichnete, damit die Vernunft und damit auch die Wahrheit wieder hervorkommt bzw. entdeckt wird. Und diese Unwissenheit ist vor allem die sinnliche und gedankliche Anhaftung an die Materie, also quantenphysisch kurzgefaßt: tote Teilchen zu sehen, wo lebendige Wellen sind.
Welches Weltbild ist das richtige?
Ein Weltbild kann niemals absolute Wahrheit sein, denn es ist ein Bild, eine Ansicht und eine gedankliche Vorstellung, also eine relative Wahrheit. Es sollte vor allem ein Weg sein, den man im Leben geht, um die höhere Vernunft zu erreichen. Und erfahrungsgemäß gibt es viele Wege zum Gipfel eines Berges. Doch diesbezüglich hat es nach unserer Meinung das materialistische Weltbild wesentlich schwerer, einer wahrhaften Vernunft näher zu kommen. Aber praktisch sollte man an keinem Weltbild dogmatisch anhaften, denn damit würde man am Weg anhaften und nie das Ziel erreichen. Den Weg muß man erfahrungsgemäß hinter sich lassen, um ans Ziel zu kommen. Und das große Ziel ist natürlich ein freibeweglicher Geist, der in verschiedenen Weltbildern denken und sich bewegen kann, sozusagen auf dem Gipfel sitzt und ringsherum alle Wege überschauen kann.
Ich will euch etwas erzählen: Ich sah zwei gebratene Hühner fliegen, flogen schnell und hatten die Bäuche gen Himmel gekehrt, die Rücken nach der Hölle.
Was ist Leben? Was ist Tod? Und wer legt die Grenze zwischen beiden fest? Die zwei gebratenen Hühner sind uns bereits im Märchen „Die kluge Gretel“ begegnet, und auch dort haben wir über Vernunft und Gedanken gesprochen, und wie es die Gedanken durch hungrige Begierde schaffen, aus Lebendigem etwas Totes zu machen, das naturgemäß stets in Gegensätzen auftritt. Nun, hier können wir lesen: Soweit wir es schaffen, das vermeintlich Tote lebendig und beweglich werden zu lassen, drehen wir der leidvollen Hölle den Rücken zu und wenden uns zum himmlischen Glück. Tod ist Leiden, Leben ist Glückseligkeit. Und je mehr das Ichbewußtsein in einer toten Welt verschwindet, und je weiter man das Allbewußtsein in einer lebendigen Welt entwickeln kann, um so größer wird das Leben, und man sagt, auf diesem Weg kann man sogar das ewige Leben erreichen.
Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's erhalten - und das ewige Leben dazu. [Bibel Matthäus 16.24 / Johannes 12.24]
Ein Amboß und ein Mühlstein schwammen über den Rhein, fein langsam und leise, und ein Frosch saß und fraß eine Pflugschar zu Pfingsten auf dem Eis.
Das Wasser war schon immer ein Symbol des Lebens, und in Flüssen sah man das fließende Leben. Wie kann schwere und feste Materie vom leichtbeweglichen Leben getragen werden? Die Bibel berichtet, wie Jesus einst über das Wasser ging, und sein Jünger, der es ihm nachtun wollte, versank nach wenigen Schritten. Jesus reichte ihm die Hand und sprach: „Kleingläubiger, warum vertraust du nicht?“
Warum leben wir, als ob unser Körper aus toter Materie besteht? Weil wir ihn von vermeintlich toter Materie ernähren, wie von den oben genannten gebratenen Hühnern. Wir vertrauen mehr auf das Tote als auf das Lebendige. Und so entstand auch unser materielles Weltbild, das die tote Materie als Grundlage von allem und damit auch des Lebens betrachtet. Wir sehen gewöhnlich die Materie als absolute Wahrheit an und versuchen, das Leben mit toter Materie zu ernähren, wie auch der Frosch, der ebenfalls ein altes Symbol für das Leben ist, von einer Pflugschar leben soll. Heute würde man von Maschinen, Technologie und Chemie sprechen, wovon wir leben wollen. Nun, damit kann auch der Heilige Geist zu Pfingsten nicht herabkommen, denn so tot wie unsere körperliche Nahrung, so ist auch unsere geistige Nahrung kein lebendiges Wasser mehr, sondern ein zu Eis kristallisierter, endlos wachsender Berg an Definitionen und Dogmen in einer Welt des „wissenschaftlichen Materialismus“.
Wo Dogmatik hinführt, kennen wir aus der Entwicklung der christlichen Kirche, die lange Zeit mit viel Gewalt versuchte, eine geistige Monokultur auf der ganzen Erde zu errichten. Dabei kennt sie doch das biblische Gleichnis vom Turmbau zu Babel und sollte wissen, daß Gott selbst jede Monokultur zerschlägt, denn die lebendige Natur braucht eine lebendige Vielfalt an Multikultur im Äußeren wie im Inneren. Nicht umsonst kam auch der Heilige Geist zu Pfingsten in einer Vielfalt der Sprachen herab, so daß sich jede Kultur darin wiederfinden konnte. Man kann also noch so viele künstliche Gedankengebäude wie im Turmbau zu Babel aufbauen, mit einseitigen Ansichten kommt man dem Himmel und damit auch der Wahrheit nicht näher. Der Weg zur Wahrheit ist ein Abbauen von Ansichten und nicht ein Aufbauen. Das bestätigt auch das zweite Gebot von Moses:
Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, oder des, das im Wasser unter der Erde ist. [Bibel, 2.Moses 20.4]
Denn einseitige Ansichten können schnell zu Eis erstarren und zu Dogmen werden. Daraus entsteht ein gewaltsamer Kampf gegen alle anderen Ansichten und Andersdenkende, wie wir es von den christlichen Kreuzzügen und der Inquisition gegen Ketzer und Häretiker aus der Geschichte kennen und heute wieder in Form der Falsifizierung und Rufmordhetze gegen Verschwörungstheoretiker, Esoteriker und Querdenker in der modernen Wissenschaft und Politik erleben. Was theoretisch nicht möglich ist, darf auch praktisch nicht sein. So will man sogar den Beruf der Heilpraktiker gesetzlich verbieten, weil sie praktische Erfolge haben, die der materialistischen Theorie widersprechen. Verrückt! Aber das ist ein typisches Zeichen für ein zerbröckelndes Weltbild, das sich verzweifelt mit allen Mitteln noch erhalten will, aber nicht mehr lange zu halten ist. Nach dem christlichen Weltbild kam das materialistische Weltbild. Was wird wohl danach als nächstes kommen? Zunächst erleben wir eine große Angst:
Da waren drei Kerle, wollten einen Hasen fangen, gingen auf Krücken und Stelzen, der eine war taub, der zweite blind, der dritte stumm und der vierte konnte keinen Fuß rühren. Wollt ihr wissen, wie das geschah? Der Blinde, der sah zuerst den Hasen über Feld traben, der Stumme rief dem Lahmen zu, und der Lahme faßte ihn beim Kragen. (Eine andere Version lautet: Es wollten ihrer vier einen Hasen fangen, sie kamen auf Krücken und Stelzen gegangen: Der eine konnte nicht hören, der andere war blind, der dritte war lahm, der vierte konnte nicht reden. Nun weiß ich nicht, wie das geschah, und daß der Blinde den Hasen sah im weiten Felde grasen, der Stumme sagt‘s dem Tauben an, der Lahme erwischt den Hasen. Quelle: Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder B.1, Ludwig Uhland, 1845)
Der Hase ist ein typisches Symbol für Angst und dem entsprechenden Fluchtreflex. Angst aktiviert angeblich unser „Reptiliengehirn“, also unser tierisches Wesen. Das erklärt, warum Menschen in Angst wie Tiere reagieren und entweder blindlinks aggressiv werden oder sich verstecken, abducken, totstellen oder fliehen. Das kann in einigen Situationen nützlich sein, doch wenn sich ein Mensch im Laufe seiner Entwicklung von dieser Angst im Alltag nicht befreien kann, wird er sich auch nicht aus seinem tierischen Wesen erheben können und das entwickeln, was der menschliche Reichtum sein sollte, nämlich die höhere Vernunft. Denn unter Angst sind Menschen unfähig, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Kein Richter kann unter Angst die Wahrheit vertreten. Unter Angst gibt es höchstens kurzfristige Lösungen.
Was ist ein Geist, der an Krücken geht? Das könnten die Gedanken sein, die sich auf die trügerischen Sinne stützen. Und was ist ein Geist, der auf Stelzen geht? Das könnte das Ichbewußtsein sein, das sich als etwas Getrenntes betrachtet und über die Erde stolziert. Beides wurde früher als Unwissenheit oder Blindheit bezeichnet, weil es die Vernunft verdunkelt und verhüllt. Weder mit Gedanken noch mit dem Ichbewußtsein kann man das tierische Wesen der Angst erkennen, einfangen und besiegen. Man kann es versuchen, aber es wird keinen langfristigen Erfolg haben. Hier kann nur die höhere Vernunft helfen, vor der die Gedanken schweigen und das trennende Ichbewußtsein zu einem ganzheitlichen Allbewußtsein wird. Nur auf diese Weise kann die Angst an der Wurzel besiegt werden.
Was ist die Wurzel der Angst? Fehlendes Vertrauen, denn ohne Vertrauen ist alles unsicher. Doch woher soll wahrhaftes Vertrauen kommen, solange bezahlte Anwälte regieren, die nur persönliche Interessen vertreten, und es keinen wahrhaften Richter gibt, der im Sinne der Wahrheit entscheidet? Wenn also die Gedanken ohne eine höhere Vernunft regieren, kann es auch kein wahres Vertrauen geben, und wir leben in beständiger Angst. So sagt man auch: Ohne diese höhere Vernunft ist der Mensch bezüglich der Wahrheit blind, taub, stumm und lahm. Dazu gibt es auch in der Bibel viele Gleichnisse, in denen Jesus solche Menschen heilt, und zwar nicht nur körperlich, sondern vor allem geistig, wozu sicherlich auch das Erwachen eines erweiterten Bewußtseins der höheren Vernunft und das entsprechende Vertrauen zählt.
Diese höhere Vernunft hat es natürlich in einem materialistischen Weltbild sehr schwer, und deshalb versuchen wir gegenwärtig aus Hilflosigkeit viele gesellschaftliche Probleme durch geschürte Angst zu lösen: Öffentliche Ordnung durch Angst vor Strafe, fleißige Arbeit durch Existenzangst, Umweltschutz durch Klimaangst, Frieden durch Kriegs- und Verlustangst, Versicherungen durch Zukunftsängste oder Gesundheitsförderung durch Krankheitsängste wie die Horrorbilder auf Zigarettenschachteln, die Schockgeschichten für Impfkampanien und Vorsorgeuntersuchungen sowie vieles mehr. Auf die höhere Vernunft vertraut heute kaum noch jemand, und sie wird auch gesellschaftlich nicht gefördert. Das ist verständlich, denn wahre Vernunft wäre für das materialistisch-egoistische Weltbild, das heute viele Menschen als Grundlage der Marktwirtschaft pflegen, der Untergang:
Etliche, die wollten zu Land segeln und spannten die Segel im Wind und schifften über große Äcker hin: da segelten sie über einen hohen Berg, da mußten sie elendig ersaufen.
Nun, ein Leben, das sich auf tote Materie gründet, ist sozusagen auf Sand gebaut. Leben braucht eine lebendige Grundlage, ein Meer aus lebendigem Wasser voller Wellen, auf dem wir die Segel der Gedanken im Wind des Geistes setzen. Wind, Geist und Leben sind in vielen alten Sprachen begrifflich verwandt, wie wir auch heute noch vom Lebensatem sprechen, der früher von Gott eingehaucht wurde, unter dem man sich eine universale Intelligenz oder einen ganzheitlichen Geist vorstellen kann.
Doch offenbar gab es eine Zeit, als immer mehr Menschen ihr Vertrauen in die geistige Grundlage des Lebens verloren. Sicherlich haben hier die Dogmen und politischen Lügen der christlichen Kirche ihren Beitrag geleistet, und es bildete sich ein materialistisches Weltbild, das mit wissenschaftlicher Sicherheit auf dem festen Boden der Materie stehen wollte. Damit begann das Zeitalter der wissenschaftlich-technischen Revolution, und die geistige Monokultur wurde auch zur landwirtschaftlichen Monokultur der „großen Äcker“. Doch zunächst ging es bergauf, die dogmatisch vertrocknete Kreativität der Menschen erwachte wieder und versprach viel materiellen Reichtum. Das dafür nötige Opfer der geistigen Werte an Tugend und Wahrhaftigkeit schien sich auszuzahlen. Doch mittlerweile gibt es immer mehr Stimmen, die sagen: „Das geht nicht mehr lange gut!“ Trotz aller materiellen Sicherheit und dem Glauben, auf festem Boden zu stehen, ist das menschliche Leben heute zunehmend bedroht, nicht nur durch das vernichtende Potential angesammelter Chemie- und Atomwaffen, sondern auch durch die gestörten Gleichgewichte in der Natur und die geistige und körperliche Degeneration der Menschen selbst. Wir versinken global in einer propagandistischen Werbewelt, die zunehmend eine Lügenwelt wird, ein kranker Organismus, der natürlich zur Selbstzerstörung neigt, wie der wahnsinnige Lockdown in der Coronakrise bereits angedeutet hat. Man könnte auch von einem globalen Krebsgeschwür sprechen, das immer mehr Ängste erzeugt:
Ein Krebs jagte einen Hasen in die Flucht, und hoch auf dem Dach lag eine Kuh, die war hinaufgestiegen.
Der Krebs ist aber auch ein altes Symbol für das Leben, wie wir es auch im Märchen vom „Doktor Allwissend“ finden, und wahres Vertrauen in das Leben, kann jede Angst in die Flucht schlagen. Warum haben wir heute so wenig Vertrauen in das Leben? Wie konnte nur die Kuh auf das Dach steigen und sich unser Weltbild so grundlegend umkehren?
Nun haben wir's an einem andern Zipfel,
Was ehmals Grund war, ist nun Gipfel.
Sie gründen auch hierauf die rechten Lehren,
Das Unterste ins Oberste zu kehren. [Faust II]
Nun, gerade das ist unsere Freiheit, die im Denken liegt. „Ich denke, also bin ich!“ Gedanken sind schöpferisch, können ein „Ich“ mit ganzen Welten erzeugen und aus lebendigen Wellen tote Teilchen machen. Auf diese Weise konnte auch das materialistische Weltbild entstehen, das sich auf die Wahrheit von toten Teilchen gründet. Zuerst waren es die Atome, dann die Elementarteilchen und nun sind es Quarks und ähnliche Teilchen, die praktisch immer ungreifbarer und unverläßlicher werden.
Worauf kann man sich verlassen? Was ist absolute Wahrheit?
Nun, aus materialistischer Sicht ist das Verläßliche die Materie, die aus klar getrennten Teilchen besteht, und aus geistiger Sicht ist es der Geist, der durch Gott besteht. Und wie die Elementarteilchen immer ungreifbarer werden, je tiefer man sucht, so ist auch die Gottheit in der Tiefe ungreifbar. Das wußten schon die ältesten Kulturen, und auch die christlichen und vedischen Schriften sagen: Die absolute Wahrheit hat keine Form, die man mit den Sinnen und Gedanken er- und begreifen könnte. Deshalb spricht man diesbezüglich vom Ungeschaffenen, Ungestalteten und Ungeborenen. Das muß auch so sein, denn hätte die Wahrheit eine feste Form, könnten die Gedanken niemals so frei und kreativ sein, es gäbe keinen freien Willen, und wir wären wie Roboter, die vollständig von ihrer Programmierung und technischen Basis abhängig wären. Seltsamerweise glauben das sogar manche Materialisten, oder wünschen es sich zumindest und versuchen, die Menschen wie Autos zu reparieren und ihr Gehirn mit einem Smartphone zu ersetzen. Wenn das die einzige Wahrheit wäre, wäre es eine traurige Wahrheit.
Aus christlicher Sicht ist der Inbegriff von Wahrheit der „Gott“ als ungeborener Vater und die „Welt“ als geborener Sohn:
Darum gibt es ein inneres Werk, das weder Zeit noch Raum umschließen noch umfassen kann, und in demselben ist etwas, das göttlich und Gott gleich ist, den weder Zeit noch Raum umschließt - er ist allenthalben und allzeit gleich gegenwärtig -, und es ist auch darin Gott gleich, daß ihn keine Kreatur vollkommen in sich aufzunehmen noch Gottes Gutheit in sich einzuformen vermag. Und deshalb muß es etwas Innerlicheres und Höheres und Ungeschaffenes geben, ohne Maß und ohne Weise, in das der himmlische Vater sich ganz einzuprägen und einzugießen und in dem er sich zu offenbaren vermag: Das sind der Sohn und der Heilige Geist. [Meister Eckhart, Buch der göttlichen Tröstung]
...als ob du Gott nähmest, wändest ihm einen Mantel um das Haupt und schöbest ihn unter eine Bank. Denn wer Gott in einer (bestimmten) Weise sucht, der nimmt die Weise und verfehlt Gott, der in der Weise verborgen ist. Wer aber Gott ohne Weise sucht, der erfaßt ihn, wie er in sich selbst ist; und ein solcher Mensch lebt mit dem Sohne, und er ist das Leben selbst. [Meister Eckhart, Predigt 6]
Warum war der Mensch mit dem Geist Gottes nicht zufrieden? Warum entstand ein materialistisches Weltbild?
Die Ursachen liegen sicherlich schon weit zurück. Irgendwann wurde der materielle Reichtum viel wichtiger als der geistige, und schon die alten Griechen und Römer klagten viel über den dazugehörigen Verfall an Tugend. Ähnlich beschrieb auch Francesco Petrarca um 1350 in seinem Buch „Heilung von Glück und Leid“ den Verfall der Vernunft und erkannte schon damals eine krankhafte und suchtartige Entwicklung des Geistes. Schon 1325 wurde Meister Eckhart, einer der genialsten geistigen Gelehrten seiner Zeit, von seinen eigenen Ordensbrüdern der Häresie und Ketzerei angeklagt und später sogar verurteilt. Ähnliches geschieht auch heute mit vielen Wissenschaftlern, die sich getrauen, den Begriff Geist oder sogar Gott zu verwenden. So steckt die Wissenschaft auf fast allen Gebieten seit Jahrzehnten in einer stagnierenden Krise. Die Erkenntnisse der Quantenphysik sind seit fast hundert Jahren bekannt, aber ihre philosophischen Konsequenzen sind bis heute nicht im praktischen Leben der Wissenschaftler angekommen. Fast schon fanatisch wird das klassische materialistische Weltbild verteidigt, weil es nun einmal die Grundlage der kapitalistischen Gesellschaft ist. Und diesbezüglich kann man heute vielen Wissenschaftlern bewußte Lügen vorwerfen, denn sie wissen es besser, aber weder leben sie danach noch lehren sie es anderen. Nicht, daß man auch unserer geistigen Elite bald vorwerfen muß:
Wehe den Pharisäern! Sie gleichen einem Hunde, der auf der Futterkrippe für Rinder liegt. Denn weder frißt er selbst, noch läßt er die Rinder fressen. [Thomas-Evangelium 102] - Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich zuschließet vor den Menschen! Ihr kommt nicht hinein, und die hinein wollen, laßt ihr nicht hineingehen. [Bibel Matthäus 23.13]
Auch heute sieht man die Wissenschaft immer weniger um Wahrheit kämpfen, sondern zunehmend gegen alle Andersdenkenden, wie zu Zeiten der Inquisition, um ein wackliges Weltbild aufrechtzuerhalten, das nicht mehr zu halten ist. Eine Lügenwelt?
In dem Lande sind die Fliegen so groß als hier die Ziegen.
Wie kann es sein, daß aus kleinen Problemen große Probleme entstehen, oder wie wir heute sagen, daß aus Mücken Elefanten gemacht werden? Gedankliche Probleme haben normalerweise die Eigenschaft, daß sie solange im Kopf herumkreisen, bis sie entschieden und gelöst wurden. Dabei fordern sie immer mehr Aufmerksamkeit, und alles andere ringsherum erscheint plötzlich unwichtig. So wird das leise Summen einer Fliege schnell zum lauten Meckern einer Ziege. Das liegt vor allem am unterscheidenden Wesen der Gedanken, so daß sie nur relative Wahrheit erfassen können. Sie betrachten die Fliege und die Ziege als eigenständige Objekte von bestimmten Standpunkten aus. An Körpergröße und Fleischgehalt als Nahrungsmittel erscheint dann die Ziege deutlich größer. Aus anderer Sicht kann aber auch die Fliege wesentlich mehr nerven als eine Ziege und sogar mehr Krankheiten übertragen. Und wenn dann glaubwürdige Forscher auch noch herausfinden, daß Fliegen höchst tödliche Krankheiten übertragen, dann werden sie schnell zum größten Feind, und wir beginnen, mit Kanonen auf Fliegen zu schießen, wollen am liebsten alle ausrotten und führen einen erbitterten Weltkrieg. Nun, das geschieht, wenn keine Vernunft entwickelt wurde, die diesen Teufelskreis der Gedanken durchbrechen kann und aus ganzheitlicher Sicht erkennt, daß die Fliege kein eigenständiges Objekt sondern ein Teil des gesamten natürlichen Organismus ist, der einem gesunden Gleichgewicht dient. So kann man sicherlich sagen: Überall, wo es an höherer Vernunft mangelt, verliert der Mensch die Verhältnismäßigkeit und neigt zur Übertreibung, weil er auf gedanklicher Basis allein keine vernünftigen Entscheidungen treffen kann. Auch das wissen die Menschen schon sehr lange: Ne quid nimis - Nichts im Übermaß! - Wie sonst könnte man ein natürliches Gleichgewicht erhalten?
Doch wie schwer es ist, ohne Vernunft aus der Gedankenmühle auszubrechen, hat sicherlich jeder schon erfahren, der einmal bewußt nach innen geschaut hat, und viele Menschen wissen sich hier nicht anders zu helfen, als sich äußerlich abzulenken. Deshalb ist unsere Gesellschaft meisterhaft in sinnlicher und gedanklicher Ablenkung geworden. Je aggressiver die Ablenkung, um so wirksamer. Das Angebot an Skandalen, Horror, Gewalt, Sex und Drogen ist schier unerschöpflich. Unsere Medien arbeiten fleißig daran, uns täglich alle greifbaren Sensationen von Glück und Leid aus der ganzen Welt zusammenzutragen und so sensationell wie möglich darzustellen. Wir wissen aber auch alle, daß dies nur eine kurzfristige und kurzsichtige Lösung ist, mit der wir uns selbst belügen:
Mache das Fenster auf, damit die Lügen hinausfliegen.
Dieser letzte Satz wurde vermutlich von den Gebrüdern Grimm hinzugefügt und zeigt, wie tief sie den Sinn der Lügengeschichte verstanden haben. Es heißt nicht: „Macht die Tore auf und erzählt die Lügen weiter!“ Denn wenn einer eine Lüge erzählt, gibt es bald hundert andere, die sie als Wahrheit weitererzählen. Und im Zeitalter von Facebook und ähnlichen globalen Medien können es sogar Millionen Menschen sein. Das nennt man eine virale Verbreitung von Lügen bzw. „Fake-News“, und diese sind mittlerweile völlig normal geworden, ja, nicht einmal die rechtlich-öffentlichen Medien sind dagegen noch immun.
Also, lieber die Fenster aufmachen, den Geist lüften, den Nebel der Gedanken auflösen und sich nicht mehr in einem engen Gedankengebäude einschließen! Oder wie Goethe in [Faust I] schrieb:
Weh! steck ich in dem Kerker noch?
Verfluchtes dumpfes Mauerloch,
Wo selbst das liebe Himmelslicht
Trüb durch gemalte Scheiben bricht!
Beschränkt mit diesem Bücherhauf,
den Würme nagen, Staub bedeckt,
Den bis ans hohe Gewölb hinauf
Ein angeraucht Papier umsteckt;
Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt,
Mit Instrumenten vollgepfropft,
Urväter Hausrat drein gestopft-
Das ist deine Welt! das heißt eine Welt!
Und fragst du noch, warum dein Herz
Sich bang in deinem Busen klemmt?
Warum ein unerklärter Schmerz
Dir alle Lebensregung hemmt?
Statt der lebendigen Natur,
Da Gott die Menschen schuf hinein,
Umgibt in Rauch und Moder nur
Dich Tiergeripp und Totenbein.
Das „Fenster, wo selbst das liebe Himmelslicht trüb durch gemalte Scheiben bricht“ meint vor allem unsere sinnliche und körperliche Beschränkung, sozusagen die geistige bzw. gedankliche Anhaftung an Sinne und Körper. Und dieses Fenster zu öffnen bedeutet, dem Gefängnis der Körperlichkeit zu entkommen und dem Geist seine Freiheit wiederzugeben.
Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich ich sage dir: Es sei denn daß jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Laß dich's nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden. Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist. [Bibel, Johannes 3.5]
Auch in diesem biblischen Gleichnis finden wir die symbolischen Beziehungen von Wasser, Wind, Leben und Geist wieder. Und die beiden Arten der Geburt aus körperlicher und geistiger Quelle erinnern uns an die beiden Weltbilder, die wir oben vorgestellt haben. Ähnlich spricht man auch in den Überlieferungen der indischen Veden von den „Zweifachgeborenen“ (Sanskrit Dvija), die nach ihrer körperlichen Geburt in einem gewissen Alter, wenn die Vernunft erwacht, rituell die heilige Schnur empfangen, so daß ihre geistige Geburt bzw. Schulung bei einem Guru bzw. vedischen Lehrer beginnt. Das große Ziel dieser Schulung war damals keine „Ausbildung des Geistes“ im Sinne gedanklicher und begrifflicher „Einbildung“, sondern die geistige Beweglichkeit bis zur Befreiung des Geistes von der sinnlichen und körperlichen Anhaftung (Sanskrit Moksha). Um dieses große Ziel zu erreichen gab es vier allgemeine Lebensweisen, die man nacheinander annehmen konnte, nämlich Schüler, Hausvater, Waldeinsiedler und besitzloser Bettelmönch. Damit war das ganze Leben auf eine Befreiung des Geistes von körperlicher und sinnlicher Anhaftung ausgerichtet. Wenn wir im heutigen Bildungssystem den Geist vor allem auf seine Funktion innerhalb des gesellschaftlichen Wirtschaftssystems prägen, so war damals das wirtschaftlich orientierte Leben als Hausvater nur ein Mittel zum Zweck für die beiden höheren Stufen. Die Waldeinsiedler könnte man mit unseren heutigen Rentnern vergleichen, die sich aufgrund des natürlichen Verfalls der Sinne und des Körpers aus der Arbeitswelt zurückziehen. Auch sie suchen nach Heilung und Urlaub, nur daß man heute unter Heilung den Ärzte-Marathon versteht und unter Urlaub einen kommerziellen Tourismus für den Sinnesrausch, um so lange wie möglich am materiellen Genuß festzuhalten. Und das entspricht auch der Entwicklungsrichtung der obigen Pyramide aus materieller Sicht. Für die Waldeinsiedler war der Urlaub ein Rückzug aus dem Hausleben in die natürliche Einsamkeit der Wälder, und ihre Heilung suchten sie auf geistigen Wegen, indem sie daran arbeiteten, durch Yoga und Meditation die sinnliche und körperliche Anhaftung aufzulösen und ihr Bewußtsein zu erweitern, was vermutlich dem natürliche Sinn der körperlichen Vergänglichkeit wesentlich näher kam und damit auch der Wahrheit.
Mögen auch wir unsere Fenster öffnen! Mögen wir dem Leben vertrauen! Mögen wir nicht blind, taub, stumm und lahm in einer Werbe- und Lügenwelt versinken und jämmerlich ersaufen! Mögen wir Vernunft entwickeln, um Einsichten zu gewinnen, die Zusammenhänge und die Ordnung des Wahrgenommenen zu erkennen, vernünftige Entscheidungen zu treffen und sich im Handeln danach zu richten!
Nachtrag vom 8. August 2020: „Die Wissenschaft weiß nicht alles - ist aber die einzige vernünftige Wissensbasis, die wir haben!“ Dieses Glaubensbekenntnis mußte erst kürzlich der berühmte Kabarettist Dieter Nuhr vor dem Inquisitionsgericht der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) ablegen, um weiter leben zu dürfen.
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[1857] Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen, 7. Auflage, Berlin 1857 |