Die geistige Botschaft unserer alten Märchen

Dietrichsage: Die Geschichte von Seeburg, Ecke und Fasolt

Sagentext nach Wilhelm Wägner und anderen Quellen
Interpretation von Undine & Jens in Grün [2025]

Zu Köln am blanken Rhein saß einst eine Königin, die hieß Seeburg. Sie war reich an Gütern, noch reicher an Schönheit. Sie war blühend wie ein frischer Maientag, wenn er blumenbekränzt, begrüßt von befiederten Sängern, durch die Länder zieht. Zwei Schwestern ruhten neben ihr auf dem Hochsitz, die eine zur Rechten, die andere zur Linken, jene heiter und lachend, gleich dem aufgehenden Morgen, diese ernst und sinnig, gleich dem Abend, wenn er hinter goldenen Wolken niedergeht. Viele fürstliche Helden hielten sich am Hofe der edlen Frauen auf und strebten durch kühne Taten nach ihrer Liebe. Unter allen ragten durch tapferen Mut, durch Ruhm und Besitztum drei Brüder hervor, Söhne des einst mächtigen Königs Mentiger und einer Meerjungfrau. Sie hießen Ecke, Fasolt und Ebenrot. Viele Abenteuer hatten sie bisher siegreich bestanden, und kein Kämpfer wagte es, gegen sie in die Schranken des Turnierplatzes zu treten. Sie saßen beim Gelage den Königinnen gegenüber und leerten die Becher mit Lust, welche die schönen Frauen ihnen füllten. „Den Recken möchte ich sehen“, rief Ecke, „der dieses Reich in Not bringen könnte, wenn wir seine Grenze behüten.“ - „Es lebt doch ein Held, der uns zu bestehen wagt“, sagte Fasolt nachdenklich, „er, der Grim und Hilde schlug, der kühne Dietrich von Bern.“ - „Hei, der schlug die Beiden, als er sie im Schlaf überfiel!“, rief Ebenrot mißmutig: „Wären sie wach gewesen, dann hätten sie dem wunderkühnen Mann die Gebeine arg zerklopft und den Wölfen zum Fraß vorgeworfen.“ - „Du lügst, Ebenrot“, rief Ecke: „Dietrich ist ein unverzagter Held, der im offenen Kampf, nicht hinterlistig, zu streiten gewohnt ist.“ - In dieses Lob stimmten alle Gäste ein, und jeder wußte von einer Heldentat des Berners zu erzählen.

Der Name Seeburg erinnert mit „See“ einerseits an die Seele als Prinzip der Verursachung und andererseits an das Meer als Meerfrau im Meer der Ursachen, die nun hier am Rhein als Fluß des Lebens in einer „Burg“ als menschliche Körperburg saß. Zusammen mit ihren beiden Schwestern können wir auch an die drei Nornen bzw. Schicksalsgöttinnen denken, von denen die älteste, schönste und lichtvollste hier Königin ist. Doch wer soll König in diesem Reich werden? Drei Brüder stehen zur näheren Auswahl. Bezüglich der bisherigen Symbolik können wir in Ecke die wachsende Vernunft sehen, in Fasolt den nachdenklichen Verstand und in Ebenrot die Körperlichkeit. Sie wollen natürlich das abgegrenzte Reich der Körperburg am Fluß des Lebens verteidigen und grübeln über die sagenhafte Macht von Dietrich, von dem auch die Königin bereits gehört hatte:

„Vieles habe ich schon von dem Löwenmut dieses Kämpfers gehört“, sagte die Königin Seeburg, „aber bald sagt man, er sei schön von Gestalt und Angesicht, gleich dem Gott Thor, bald vergleicht man ihn einem grimmigen Drachen, der lodernde Flammen aushauche. Ich möchte ihn wohl gern von Angesicht sehen. Fände ich einen Boten, der kühn genug wäre, ihn zu mir zu entbieten, dann würde ich ihn reich belohnen.“ - „Ich will dein Bote sein!“, rief Ecke freudig: „Längst schon gelüstete es mich, mit ihm zusammenzutreffen. Ich bringe ihn hierher zu deinen Füßen, du liebliche Frau. Ich bringe ihn dir, tot oder lebendig.“ - „Nicht so, tapferer Held!“, sagte Königin Seeburg: „Du bist uns Schutz und Schirm, bist uns teurer als Reich und Krone, und sollst nicht um einer Botschaft willen in Gefahr des Hauptes kommen.“ Da erhob sich Ecke, und seine Augen erglänzten vom Feuer des Mutes und der Liebe. „Um deiner Liebe willen gehe ich willig in Kampf und Tod!“, rief er: „Gib mir ein Pfand, daß du mir angehören willst, wenn ich ein glücklicher Bote bin!“ - Die Königin zog errötend einen Goldring von ihrer Hand und überreichte ihn dem jungen Helden mit den Worten: „Nimm hier dieses Pfand, das dir mein Reich und mich selbst zu eigen macht. Der Ring wurde von Zwergenhänden aus reinem Gold gefertigt und mit Zauberkraft geweiht.“

So handelt die Königin nun wortwörtlich als verursachende Schicksalsgöttin und „schickt“ einen Boten aus, um die Vernunft in die Menschenburg zu holen. Dazu meldet sich natürlich Ecke als wachsende Vernunft, die dann im Menschen auch König werden sollte. Und der goldene Ring als Symbol der wahren Ganzheit steht als Ziel zur mystischen Hochzeit zwischen Geist und Natur.

Ecke sah ihr begeistert in die Augen, die von Huld und Liebe glänzten. „Nun bin ich stark wie zehn Riesen und fahre hinaus in jeden Kampf, ohne Helm und Rüstung. Mir genügen Schwert und Schild.“ Die Königin dagegen hieß ihn warten, winkte ihren Dienerinnen, und alsbald brachten diese Helm, Rüstung, Schild und Schwert aus den Gemächern der hohen Frau, und sie wappnete den Recken mit eigenen Händen. Sie sagte ihm, Helm und Rüstung, mit Goldspangen verziert, seien ein Werk des Zwergenkönigs Alberichs, der diese Rüstung einst dem Kaiser Ortnit verliehen habe. An Schwert und Schild hätten zehn Zwerge gearbeitet, und das Wasser zur Härtung aus einem Fluß geholt, der bei Alten-Troja fließe. Ecke zog das Schwert aus der goldenen Scheide und schwur, es im Dienst seiner Verlobten treu zu führen. Wie er die blanke Klinge erhob und senkte, da war es, als ob ein glühender Wurm daran auf und nieder liefe. Hell strahlten Edelsteine auf dem Helm, und silberne Glöckchen klangen um den unteren Rand der Brünne. Der junge Held erschien in der strahlenden Rüstung hoch und gewaltig, wie Thor, schön und blühend, wie Freyer, als er die geliebte Gerda erwartete.

So zeigt sich die Königin zunächst als äußerliche Natur und gibt Ecke äußerliche Mittel als Waffe und Rüstung zum Kampf und Schutz, wie sie ein Kaiser als Sinnbild einer ganzheitlichen Vernunft tragen sollte. Doch diese Mittel kommen natürlich noch nicht aus seinem eigenen Wesen, wie sich ein Siegfried natürliche Rüstung und Schwert der Weisheit selbst geschaffen hatte, sondern aus der äußerlichen Natur, von Naturgeistern geschaffen. Und doch ist der junge Held bereits auf einem guten Weg, denn er sucht die mächtige Vernunft nicht in der äußeren körperlichen Welt, sondern läßt sein Körperpferd zurück und verläßt sich auf seine eigenen Füße und die Kraft der Liebe, womit er gut vorankommt:

Dann wanderte er hin über die einsame Heide mächtigen Schrittes zu Fuß, denn er glaubte nicht, daß ihn ein Roß auf der weiten Reise tragen könne. Weder Moorlachen noch breite Bäche hemmten seine Schritte. Er setzte kräftig darüber weg, als ob er Flügel habe. So kam er endlich gegen Abend in einen tiefen Wald, wo er nicht mehr Weg noch Steg erkennen konnte. Doch das machte ihm nur wenig Sorge, denn ein Lager von Moos und ein Dach von dichtem Gezweig war ihm als Herberge genug. Schwerer dagegen dünkte es ihm, in der Wildnis die gewöhnte Abendkost zu finden. Während er sich nun durch Dickicht und Dornhecken Bahn brach, hörte er einen Mann mit tönender Stimme ein Lied singen. Er folgte der Stimme und gelangte an eine einsame Behausung. Was sich nun weiter begab, soll uns der Dichter berichten:

Eingegangen in die Klause,
Sitzt beim Mahle froh der Mann;
Da tritt in dem Waldeshause
Spät ein Gast zu ihm heran.
Stattlich steht er da in Rüstung,
Glänzend, licht, wie Sonnengold,
Lehnt sich auf des Fensters Brüstung;
Nachtherberg' er haben wollt'.

Ehrlich bietet er ihm die Rechte:
 „Viel willkommen! Grüß dich Gott!
Ob dich lange Wandrung schwächte,
Labe dich mein gastlich Brot.“
Von Gewild ein fetter Braten
Und der blau gesottne Fisch
Zu dem leckren Mahle laden
Auf dem blanken Eichentisch.

Waldeswirt dem Gaste wählet,
Was ihm köstlich dünkt und gut,
Was die Kräfte wieder stählet,
Wenn man abends müde ruht.
Edlen Weines einen Becher
Reicht er, sprechend ohne Scheu:
 „Herb ist Rheinlands Sorgenbrecher,
Labend doch wie deutsche Treu.“

Die Männer saßen bis spät in die Nacht beisammen, zechten, sangen und plauderten wie zwei alte Freunde. Da sprach Ecke auch von seinem Vorhaben, den kühnen Berner tot oder lebendig nach Köln zu der ihm verlobten Königin Seeburg zu bringen. „Den Berner Dietrich!“, rief der Waldmann erschrocken: „Und um eines Weibes willen! Freund, um Frauengunst gehe ich nicht einen Schritt aus meiner Klause. Denn die Weiber sind alle wie schwankendes Schilfrohr, das der Wind hin und her weht, wie ich selbst erfahren habe. Und um solchen Quark willst du nach Bern gehen? Höre, Freund, vor dem Schwert und dem Feueratem des Berners besteht weder Recke noch Riese, denn er ist der Sohn eines höllischen Geistes.“ - „Dieses Schwert ist Zwergenwerk und zweifach gehärtet!“, rief Ecke: „Dieser Helm und diese Rüstung gehörten einst dem Ortnit und sind fest gegen alle Waffen, und diese Faust hat sich in manchem Kampf bewährt. Darauf darf ich vertrauen, auch wenn Dietrich der kühnste Recke in allen Ländern ist. Gewinne ich ihn mit Glimpf, daß er willig zu meiner Königin folgt, dann werde ich selbst sein treuester Geselle. Ist er aber harten Herzens, dann fällt er von meiner Hand, oder ich von der seinen. Das eine wie das andere ist dem Helden Gewinn, der höhere Güter kennt als das vergängliche Gut des Erdenlebens.“ - „Frau Sälde (die Selige oder Segnende) sei mit dir auf deiner Fahrt!“, sagte der Waldmann: „Aber nun laß uns trinken und die Sorgen vergessen.“ - „Nur noch diesen Becher trinke ich zum Abschied“, versetzte der Gast, „denn die Unruhe treibt mich aus deinem gastlichen Haus. Ich muß fort nach Bern zum kühnen Wagespiel der Waffen. Ich bin Ecke, der lange um die Liebe der Königin Seeburg warb. Und nun hat sie mir diesen Goldring und alles Streitgewand als Zeichen ihrer Huld verliehen. Da kann ich nicht säumen. Zeigt dir ein anderer diesen Ring, dann bin ich im ehrlichen Kampf gefallen. Aber ich hoffe auf Siegesruhm.“ - „Du bist Ecke, von dessen Taten die fahrenden Sänger erzählen.“, sagte der Waldmann: „Du hast das Land so lange mit starker Hand beschützt. Bleibe hier in meiner Klause zur Nacht, denn ich fürchte, ich werde dich nicht mehr von Angesicht schauen.“

Doch er läßt sich nicht bewegen;
Drauf der Wirt gibt ihm Geleit.
Mondlicht spielt in den Gehegen
Und der Geist der Einsamkeit.
Rings Gesichte sich erheben
Auf und nieder im Gezweig,
Flüsternd viel von Liebeleben
In des Waldes stummem Reich.

„Uhu! Uhu!“ tönte es über dem kühnen Mann. Ein Schwarm Eulen strich mit unheimlichem Geheul um altes Gemäuer, Käuzlein krächzten, in den Moorlachen riefen Unken eine schauerliche Weise. Waren es Zeichen von Niederlage, vielleicht Anzeichen des nahen Todes? Aber da leuchtete der erste Morgenschein auf die Wipfel der Bäume, und die Vögel erwachten und begannen ihre Jubellieder, und die Silberglöckchen am Saum seiner Brünne tönten melodisch dazu. Oh, das waren glückliche Vorbedeutungen, und vor seinem Geist erhob sich im Morgenrot Frau Sälde, einen Lorbeerzweig in der Hand, und darüber erschien die geliebte Königin, geschmückt für ihn mit dem Myrtenkranz. So schritt er selig weiter nach Bern.

In dieser geistigen Welt, wo Zeit und Raum verblassen, trifft der junge Held als wachsende Vernunft zuerst den Geist der Natur als „Waldmann und Einsiedler“, der „mit tönender Stimme“ sein Lied im Wald der Vorstellungen singt, ihn einlädt und mit Nahrung versorgt. Dann sprachen sie miteinander „wie zwei alte Freunde“, und das sind Geist und Vernunft natürlich. Von der Weiblichkeit scheint er nicht besonders begeistert zu sein. Dabei meint er wohl vor allem die äußere Natur mit ihrer Vergänglichkeit und Unzuverlässigkeit, daß man daran nicht anhaften und auch das Ziel des Lebens nicht darin suchen soll. Vor Dietrich warnt er und erinnert an dessen Abstammung, vielleicht eine Anspielung auf seinen Vater Dietmar und den Mahr bzw. Nachtalb, der bei der Zeugung des Sohnes dabeigewesen sein soll. Doch im Grunde meint er wohl: Wer die ganzheitliche Vernunft in irgendeiner äußerlichen Form zwingen und fassen will, sozusagen „tot oder lebendig“, der macht sie sich zu einem Teufel.

So gibt er dem jungen Helden schließlich noch eine andere Weiblichkeit mit auf den Weg, nämlich Frau Sälde oder Selbe, in der wir die segensreiche Seele der Natur sehen können, die Seelheit oder Seligkeit, die ganzheitlich besteht, sowohl in Seeburg als auch in Virginal und überall in der Natur. Sie zeigt sich dann auch der wachsenden Vernunft im Morgenlicht des geistigen Reiches als geliebte Königin mit dem Lorbeerzweig des Sieges und dem Myrtenkranz der Liebe. Und doch verläßt Ecke das geistige Reich und sucht die Vernunft wieder in der körperlichen Welt der Körperburgen:

Endlich lagen Stadt und Burg Bern vor ihm, und bald durchmaß er die Straßen, wo das Volk staunend dem gewaltigen Recken nachgaffte. Er kehrte in einer Herberge ein, die gerade an seinem Weg einlud. Er mußte sich unter der niedrigen Decke bücken und nahm Platz unter allerlei Volk, das ehrerbietig zurückwich. Ein reichliches Mahl und trinkbarer Wein mundeten ihm trefflich. Als die anfängliche Scheu der Leute geschwunden war, sprachen sie von ihren Geschäften, und weiter kam die Rede auf den herrlichen Herrscher des Landes. Da erfuhr dann Ecke, derselbe sei allein ausgezogen, um Unholde zu vertilgen, die sich in dem Wald Osning angesiedelt hatten. Er vernahm ferner, daß es derselbe Wald war, den er in anderer Richtung durchwandert hatte. Er ließ sich die Gegend beschreiben und hoffte nun, dem zu begegnen, den er suchte. So verließ er Bern, ohne in der Königsburg einzukehren. Ehe er aber den wilden Wald betrat, versah er sich mit Wein- und Speisevorrat.

Das ist wieder ein gutes Zeichen, daß er das Gesuchte in der äußerlichen Welt der Körperburgen nicht gefunden hat. Er versorgt sich dort zwar mit Nahrung, aber kehrt dann doch in die geistige Welt zurück, wo er die deutlichen Spuren der Vernunft findet:

Auf seiner Wanderung kam er an eine Lichtung, da standen viele Waldleute um einen ungeheuren toten Flugdrachen. Auf seine Erkundigung hin hörte er, der kühne Berner habe das Ungetüm, den Schrecken das Volkes, erschlagen und den jungen Recken Sintram, den Sohn Reginbalds von Fenedi (Venedig), aus dessen Rachen befreit. Das war ein neuer Ansporn für Ecke, nicht zu säumen. Doch die Nacht überraschte ihn auf der Wanderung. Sie war finster, kein Mondschein noch Sternenlicht erhellte sie. Ecke lagerte sich unter einen Baum und träumte halb entschlafen von Ruhm und Liebe. Da weckte ihn Hufschlag, und er sah einen Schimmer, wie wenn jemand eine Leuchte trage. Er sprang auf, eilte nach und erkannte, daß Helm und Schild eines Reiters diesen Schein verbreiteten. „Es ist der König“, sagte ihm eine Ahnung, und sie betrog ihn nicht. Er rief nachjagend dem Reiter zu, er solle anhalten, wenn er nicht ein Feigling sei. Da hielt der Mann sein Roß an und erkannte nun selbst, daß ihm ein gewappneter Recke folgte, denn auch Eckes Rüstung leuchtete wie Sternenlicht. Dietrich sprang nun von seinem Hengst, um den Ankömmling nach seinem Begehren zu fragen. Doch als er alles vernommen hatte, erklärte er, er werde nicht nach Köln gehen, um sich wie ein Wunder von neugierigen Weibern begaffen zu lassen. Auch scheine es ihm ein schlechtes Tagewerk, wenn er und Ecke sich deshalb die Hälse brechen wollten. Der junge Recke bat flehentlich, der König möge mit ihm nach Köln kommen, und fügte hinzu, er werde dort hoch in Ehren und er selbst sein Leben lang des Berners treuester Heergeselle sein. Als aber Dietrich auf seiner Meinung beharrte und auf seinen Hengst sprang, um seinen Weg fortzusetzen, schalt er ihn einen Feigling, dessen Ruhm erlogen sei und dessen Feigheit er in allen Landen verkünden werde. Zugleich schlug er an seinen Schwertknauf und forderte zur Waffenentscheidung auf. Ob dieser Rede entbrannte Dietrichs Zorn, doch sagte er, man müsse den Tag zum Waffengang auf Leben und Tod abwarten, denn in der Dunkelheit könne auch der Schwächling Sieg gewinnen und eines Meuchlers Mordwaffe den stärksten Mann fällen. „Wohlgesprochen!“, rief Ecke: „Nun erkenne ich den königlichen Helden, der seines Namens würdig ist. Aber hier im Bergwald könnten uns Lindwürmer überfallen und zum Fraß fortschleppen. Darum wollen wir Wache halten, du in der ersten Hälfte der Nacht, ich in der zweiten. Treuere Wächter finden wir nicht, wenn wir auch die ganze Welt durchsuchten.“ Nachdem er solches gesprochen hatte, streckte er sich auf den Rasen, nahm den Schild unter das Haupt und entschlief bald getrost und harmlos, wie ein Kind in den Armen der Mutter.

Natürlich besteht hier die Gefahr der Lindwürmer und Ego-Drachen, und offenbar sind auch beide Helden nicht frei davon, denn das „Ich will“ und „Ich will nicht“ führt sie zum gegenseitigen Kampf auf Leben und Tod. Dabei steckt wohl noch der größere Ego-Drachen im „Ich will“ von Ecke. Doch wie hätte Dietrich als vollkommene Vernunft reagieren sollen? Gegenfrage: Wäre denn eine reine Vernunft im Wald der Vorstellungen unterwegs, um Ego-Drachen zu töten? Wie besiegt man diesen Ego-Drachen ganzheitlich an der Wurzel, ohne daß immer neue auftauchen? Das sind sehr tiefgründige Fragen, die im Laufe der Geschichte noch von verschiedensten Seiten betrachtet werden.

Dietrich wachte über dem Haupt des Mannes, der nach seinem Blut begierig war. Er betrachtete bei Sternenlicht die kraftvollen Glieder des Schläfers und sein männlich schönes Angesicht. „Und morgen, wenn der Tag erscheint“, dachte er, „senkt sich vielleicht der Todesschlaf auf seine Lider, und er ist bleich, kalt, ohne Atem und Bewegung. Er oder ich, darauf beharrt er, und andere Wahl ist mir nicht gegeben. Treuere Wächter finden wir nicht, wenn wir auch die ganze Welt durchsuchten, denn das ist die Sprache des Helden, der seinem ebenbürtigen Gegner vertraut.“

Interessante Symbolik: Die beiden wollen sich in der Nacht gegenseitig vor dem Ego-Drachen beschützen, um sich dann am Tag gegenseitig zu töten. Ja, einen treueren Wächter als die Vernunft gibt es wirklich nicht. Doch wen bewacht hier die Vernunft, vielleicht den Ego-Drachen selbst?

Als Mitternacht vorüber war, rief er Ecke wach und schlief nun selbst unter dessen Obhut. Dieser war ungeduldig, begierig den Streit auszufechten, der ihm die Königin erwerben sollte. Er schalt die Sonne, daß sie säume, und begrüßte jauchzend den aufsteigenden Morgen und weckte den König. Nun saßen Beide zusammen und teilten ihr Frühmahl, und jeder suchte den anderen nochmals, wiewohl vergeblich, für seine Vorschläge zu gewinnen. Darüber erhitzten sich die Gemüter, und sie griffen nach den Waffen. Der Kampf der starken Männer war entsetzlich. Die Streiche schallten wie Donnerschläge, daß Vögel und scheues Wild eilends entwichen. Schon bluteten sie aus tiefen Wunden. Doch war Eckes Rüstung noch unverletzt, da nur an den Gelenken und an dem nicht fest schließenden Halsberg das Schwert des Feindes eingedrungen war. Jeder war schon wiederholt in das blutgetränkte Gras gesunken, aber immer wieder aufgesprungen und mit neuer, von Scham und Zorn erhöhter Kraft in den Streit zurückgekehrt. Zum fünften Mal raffte sich Ecke auf, spaltete mit einem furchtbaren Schlag Dietrichs Schild und drängte den halb Entwehrten in ein Dickicht, wo er von den Zweigen einigen Schutz erhielt. Der Berner raffte nun alle Kräfte zu einem entscheidenden Streich zusammen, den er mit beiden Händen führte. Ecke fiel fast ohne Besinnung zu Boden, Dietrich warf sich über ihn und befahl ihm, sich zu ergeben. Statt der Antwort schwang ihn der Recke von sich ab und umklammerte ihn wie mit Zangen. Die Helden rangen am Boden, und bald war der eine, bald der andere oben. Indessen gelang es dem König, eine Hand freizumachen, womit er das Schwert fassen konnte. Er stieß die scharfe Klinge dem tapferen Feind unter der Brünne tief in den Leib. Es war geschehen: Die umklammernden Arme des Helden lösten sich, der Boden wurde rot von Blut, das Angesicht von den Schauern des Todes bleich. „König“, stöhnte er, „nimm den Goldring von meiner Hand, bringe ihn meiner Verlobten und sage ihr, daß ich Treue gehalten habe bis in den Tod. Was du dem Lebenden versagt hast, wirst du dem Sterbenden versprechen und dem Toten erfüllen.“ - „So tue ich“, sprach der Berner, „nun gehe ich, junger Held, zu deiner Königin, um ihr deinen letzten Gruß zu bringen.“


Kampf zwischen Ecke und Dietrich mit kleinem Regiefehler, denn sie kämpfen im geistigen Reich natürlich nicht auf ihren Pferden. Doch man sieht gut, wie Dietrich den Arm von Ecke zurückhält, der ihn mit dem Todschläger der Dualität erschlagen will.

So mußte nun Dietrich den nächsten Ego-Drachen töten, um sich diesmal selbst aus seinem tödlichen Rachen zu befreien, was ihm gerade noch so mit größter Mühe und vielen Wunden gelang. Dabei tötet er aber auch die wachsende Vernunft, und bald wäre die Vernunft wieder einmal ganz gestorben, wie es schon so oft in vielen Menschen geschehen ist. Und schließlich muß er dann tun, was er nicht wollte, gebunden vom Band der Ehre und seiner Schuld, die er natürlich vor der Seele der Natur als Prinzip der Verursachung begleichen muß.

Auch der siegreiche König war von Kampf und Wunden erschöpft, sein Helm und seine Rüstung zerhauen und fast unbrauchbar. Doch hätte er gern den kühnen Ecke wieder ins Leben gerufen, wenn ihm solche Macht vergönnt gewesen wäre. Zunächst nahm er den Goldring nach dem Willen des Sterbenden, dann aber entkleidete er ihn auch des Streitgewandes, das sich in dem schweren Kampf bewährt hatte. Und nicht minder glaubte er, daß das Schwert Eckes, genannt Eckesachs, durch den Sieg sein rechtmäßiges Eigentum und wohl mit Mimung zu vergleichen sei. Die Waffenbeute lud er auf den Rücken seines Hengstes, doch er selbst konnte aus Erschöpfung nicht aufsteigen. Er schleppte sich mühsam, das Roß am Zügel führend, durch den einsamen Wald. Brennender Durst quälte ihn, wie das bei Verwundeten gewöhnlich ist. Nach langem Suchen fand er eine strömende Quelle, dessen helle Flut ihn jetzt mehr erquickte, als sonst der funkelnde Wein. Als er den Durst gestillt hatte, erblickte er auf der anderen Seite des Wassers eine liebliche Maid, die furchtlos in diesem abgelegenen Wald entschlummert war.

So gewinnt nun Dietrich die Rüstung eines Kaisers und das Schwert Eckesachs, das der Zwergenkönig Alberich schmiedete. Den Namen Eckesachs könnte man als „einschneidiges Schwert“ deuten, und als Schwert der Weisheit wäre dies eine ganzheitlich durchdringende Macht, sozusagen noch besser als sein bisheriges Schwert Nagelring, das der Zwerg und Meisterdieb Elbegast schmiedete und dessen Namen wir als „Ring der Ganzheit im Reich der Nägel bzw. Dornen der Gegensätze“ gedeutet hatten. Dann findet Dietrich in dieser geistigen Welt auch seine innere Quelle wieder, aus der alle Lebenskraft und Heilung kommt. Hier am Wasser des Lebens erblickt er symbolisch wieder die Meerjungfrau als Seele der Natur oder auch Norne bzw. Schicksalsgöttin, die ihn zur ewigen Heilung, Ruhe und Erlösung in ihr Wasserreich im Meer der Ursachen einlädt:

Er schleppte sich mühsam hinüber zu ihr, weckte sie und bat sie, seine Wunden zu verbinden. Während sie damit beschäftigt war, redete sie ihm freundlich zu, er solle mit ihr gehen, unter dem Wasser habe sie einen schönen Saal. Wer da eintrete, genese sogleich von aller Krankheit und werde von allen Schmerzen der Erde frei. Es herrsche daselbst immer ein glücklicher Frieden. Aber wer eintrete, müsse auch immer in dem stillen Saal bleiben, denn es gäbe wohl viele Wege, die hinunterführten, aber ein Ausgang sei nicht vorhanden. Nur sie selbst, die Herrin, könne zur Oberwelt aufsteigen, um die mit Schmerzen beladenen Menschen zu sich einzuladen. „In deinen Saal der starren Ruhe folge ich dir nicht.“, sagte Dietrich: „Der tätige Mensch, der Held muß dulden, kämpfen und gewinnen, solange er Kraft in sich fühlt, solange er Atem und Leben hat.“ Da hieß ihn die Maid weiterziehen, bis er, müde der getragenen Last, Zuflucht bei ihr suche.

Hier wird trefflich beschrieben, wie es im Meer der Ursachen nur eine ganzheitliche Seele gibt, die sich auf dem Meer in vielfältigen Wellen bzw. Formen zeigt. Das ist die große Königin und „Herrin“, die den Geist heilt und aus der Welt der Trennung in die Ganzheit bzw. Gottheit zurückholt, aus dem Leiden in die Heilung, aus der Anhaftung in die Erlösung und Freiheit. Doch dahin kann Dietrich noch nicht zurückkehren, weil er noch seine Schulden zu begleichen und Aufgaben zu erfüllen hat, wofür er auch die nötige Lebenskraft aus dieser Quelle empfängt. Und solgleich erscheint eine solche Aufgabe:

Der König wankte weiter. Da hörte er den Hilferuf einer weiblichen Stimme. Gleich darauf stürzte flüchtigen Fußes ein Moosweibchen, verfolgt von zwei grimmigen Rüden, auf ihn zu und flehte seine Kniee umklammernd um Schutz. Mit einem Schwertstreich fällte er den einen Hund, und der andere entfloh heulend. Durch die Anstrengung war eine Wunde des Helden wieder aufgebrochen, und er sank erschöpft auf den Rasen. Sobald das Moosweib dies bemerkte, untersuchte sie die Wunden, drückte Eiter und Blut heraus, reinigte und verband sie mit Heilbalsam und dem Saft einer Wurzel, die sie ausdrückte. Dietrich fühlte sich sehr gekräftigt und meinte, nun könne er wieder fechten, wie zuvor. Als man jedoch abermals Hundegekläff und das „Halloh“ der Jäger hörte, bat ihn das Weib zitternd, er möge mit ihr in eine Bergkluft flüchten, wohin ihnen der schreckliche Fasolt mit seinen Bestien nicht folgen könne. Der Berner, nicht gewohnt zu fliehen, erwartete die Jagd. Ein riesiger Recke jagte mit Hunden voraus. Als er den Helden mit seiner Gefährtin und zugleich die getötete Bestie im Abendlicht erblickte, rief er: „Hast meinen Machmet totgeschlagen und dir das Moosweib zugelegt, das ich schon den ganzen Tag jage! Da, nimm den Lohn!“ Mit diesen Worten warf er sein Pferd herum und führte einen so furchtbaren Streich auf des Helden Haupt, daß derselbe, wie vom Blitz getroffen, zu Boden fiel. „Ich denke, du hast einen Paß für die Hölle!“, lachte er höhnisch: „Nun magst du das Moosweib behalten, daß sie dir den geborstenen Schädel zusammenflickt, wenn sie kann.“ Mit diesen Worten jagte er fort. Das Weib aber richtete den Berner auf, und da sie fand, daß der Schwertstreich nicht das Haupt ihres Beschützers beschädigt hatte, verband sie nochmals die alten Wunden mit ihren Heilmitteln und gab dem Recken auch einen Trank, der ihn völlig herstellte. Darauf hieß sie ihn, sich zum Schlummer niederzulegen, und sang ein Schlummerlied, erst schallend in grellen Tönen vom Sturm, der durch die Wipfel der Bäume rast und Blüten und Blätter herabstört, dann leiser und leiser von den milden Frühlingslüften, deren Atem Blumen und Knospen und grüne Saaten hervorruft. Der müde Held schlief allmählich ein, und sie hütete ihn, wie eine Mutter über ihrem Kind wacht.

Hier finden wir nun Fasolt, den Bruder von Ecke, in der Rolle des begrifflichen Verstandes wieder, wie er mit den beiden Jagdhunden seiner gegensätzlichen Gedanken das Naturwesen jagt und fassen will, und es gewöhnlich dabei auch tötet, indem er tote Konzepte daraus macht. Und es wird auch trefflich beschrieben, wie man im Spiel dieser gedanklichen Gegensätze nur eine Seite unwirksam machen muß, so daß die andere von selbst verschwindet. Der Name Machmet erinnert uns an den „Macher von Met“, der ein süßer Göttertrank für den gedanklichen Verstand sein soll, doch für ihn nur ein bitterer Wein der Illusion wird. So erkennt er im trüben Abendlicht auch jenen nicht, der das weibliche Wesen der Natur beschützt und die gegensätzlichen Gedanken wirkungslos macht, und versucht ihn totzuschlagen, ohne die wilde Jagd zu unterbrechen. Dabei ist es gerade dieses Naturwesen, das unsere geistigen Wunden reinigt und heilt sowie die nötige Zeit und Ruhe zur Heilung gibt, wenn wir es vernünftig erkennen und lebendig beschützen.

Er erwachte am Morgen und stieg zu Pferde, um seinen Weg fortzusehen. Das Weibchen aber sprang flüchtig wie ein scheues Reh über und durch die Büsche. Plötzlich stieß sie ein lautes Geschrei aus und nahm abermals, von Fasolt verfolgt, Zuflucht zu dem Helden. „Hei, Mordbube“, schrie der Wilde, „trägst meines Bruders Ecke Rüstung. Hast ihn im Schlaf ermordet! Nun fahre zur Hölle!“ Mit diesen Worten führte er einen gewaltigen Schlag nach Dietrichs Haupt, aber dieser vermied ihn, indem er sich bis auf die Mähne seines Rosses herabbückte, und erwiderte ihn so kräftig, daß Fasolt kopfüber den Sattel räumte. Der Held sprang von seinem Hengst, und schon blitzte sein Schwert über des Gegners Haupt. Da bat dieser um Gnade und versprach hoch und heilig, ihm ein treuer Geselle und Dienstmann zu sein. Er wiederholte feierlich den Eid, als er den Namen seines Überwinders und die näheren Umstände von dem Kampf mit Ecke erfuhr.

Im Tageslicht erkennt nun der Verstand die Vernunft an der Rüstung des Kaisers, aber sieht nur einen Mörder und will den Mörder töten. Doch die ganzheitliche Vernunft überwältigt den begrifflichen Verstand, und dieser versucht, sein Leben zu retten, indem er Treue schwört und als Geselle dienen will. Und das ist im Prinzip auch gut, denn Dietrich hat noch weitere Aufgaben zu erfüllen:

Beide Helden zogen nun miteinander durch das grüne Waldgebirge Osning (Asening), wo einst Asgard gestanden und die Asen ihre goldenen Hallen erbaut hatten. Dietrich bestand gefährliche Abenteuer, er hatte mit Riesen und Riesenweibern zu kämpfen, die mit entwurzelten Bäumen auf ihn losschlugen, aber blieb immer Sieger. Er verzieh auch seinem Begleiter, der sich mehrmals treulos bewies. So kamen sie endlich in die Klause des Waldmanns, der Ecke gastlich bewirtet hatte und stolz auf sein Haus war, das dem Wanderer stets offenstand. Bei einem Sorgenbrecher saß er nach dem Abendimbiß mit ihnen zusammen, aber nicht fröhlich, wie sonst, sondern wischte manchmal eine Träne aus den Augen. „Herr“, wandte er sich dann an Dietrich, „du bist der Berner Held und hast meinen armen Gastfreund Ecke erschlagen, denn du trägst seine strahlende Rüstung.“ Der Held leugnete nicht. „Wohl“, fuhr der Wirt fort, „ich würde den edlen Helden zu rächen versuchen, wäret ihr nicht meine Gäste. Nun seid ihr gut behütet, denn in des Waldes grünen Lauben geht der Falschheit Wolf nicht um.“ - Der Berner schlug vertrauensvoll in die dargebotene Hand, aber der Waldwirt gewahrte einen tückischen Blick von Fasolt und setzte noch hinzu: „Traue nicht jedem, denn es gibt auch treubrüchige Verräter.“

So gehört es natürlich auch zu den Aufgaben einer ganzheitlichen Vernunft, die übermächtigen Riesen in der Natur zu bezwingen und ihre Kräfte wieder auszugleichen, um die natürliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Und es macht auch Sinn, daß hier der begriffliche Verstand nur wenig helfen kann, und noch weniger der egoische, der sich durch sein Wesen immer wieder als treulos erweisen wird. Der Wald Osning oder Asening wird hier als das geistige Reich der Asen bzw. germanischen Götter beschrieben, wo sie ihre goldene Halle der Wahrheit erbaut und auch diese Erde und Natur geschaffen hatten. Und hier wirkt auch immer noch ihr Geist in der Natur, den wir nun als gastlichen „Waldmann“ wiederfinden. Doch er ist traurig, weil sein Freund Ecke als wachsende Vernunft getötet wurde, denn der göttliche Geist ist natürlich immer ein Freund der Vernunft. So ist er auch ein Freund von Dietrich:

An den Wänden rings in der Klause waren Mooslager, die den drei Männern zu bequemen Ruhestätten dienten. Auch der Waldmann ruhte darauf, aber schlief nicht. Um Mitternacht sah er, wie Fasolt sich erhob, das Schwert Dietrichs in einem Winkel verbarg und sich darauf mit seiner eigenen Waffe dem Helden näherte. Er warf noch einen schielenden Blick nach dem Wirt, und als er denselben wach sah, flüsterte er: „Still! Es gilt Rache für meines Bruders Blut zu nehmen.“ Er zog das Schwert, aber der Waldbewohner stürzte auf ihn zu und versuchte, es ihm zu entreißen. Im Ringen der Männer fiel es klirrend auf die Erde. Dietrich erwachte, begriff, was sich begeben hatte, und durchbohrte den Verräter mit dessen eigener Klinge. „König“, sagte der Klausner, als er die Leiche fortgeschafft hatte, „meine gelobte Treue habe ich dir ehrlich gehalten. Aber kehre nie wieder hier ein, denn ich werde dir nicht mehr die Hand bieten, und suchtest du nochmals hier ein Lager, dann fändest du den Tod für Eckes Tod.“

So hilft nun der göttliche Geist in der Natur auch der wachsenden Vernunft in Dietrich als der egoisch-begriffliche Verstand das Schwert der Weisheit verbergen wollte, um die Vernunft hinterhältig zu ermorden. Und so mußte Dietrich wieder einen Ego-Drachen töten. Darüber war der Waldmann nicht besonders erfreut und warnte ihn, mit diesem tödlichen Geist noch einmal hier einzukehren. Damit meinte er wohl, daß Dietrich nun endlich mit dem Töten aufhören sollte, sonst findet er auch selbst seinen Tod. Mit diesem wohlgemeinten Rat verließ er das geistige Reich und kam wieder in das körperliche:

Der Berner ritt fort durch Wald und Heide, bis er nach Köln kam. Als die Königin vom hohen Söller herab in der Ferne die glänzende, wohlbekannte Rüstung erblickte, schmückte sie sich zum Empfang des geliebten Freundes und hieß auch ihre Schwestern und Frauen das Gleiche tun. Der Held ritt in den Burghof ein. Da eilten Recken und Diener zum Empfang herbei, aber blieben stumm und regungslos, denn unter dem leuchtenden Helm schaute ein anderes Angesicht hervor als das erwartete. Kaum trat auf sein Geheiß ein Knecht herzu, ihm das Roß zu halten. Er ging darauf unangemeldet in die Königshalle, wo die Herrin den Thron eingenommen hatte. Erstaunt, bald aber zitternd über das, was sie hören sollte, blickte sie auf den Helden. „Wo ist der edle Recke, dem ich diese Rüstung verliehen habe?“, fragte sie, als Dietrich noch immer schwieg. Er fand keine Worte, das Schreckliche zu berichten, und eine peinliche Stille war im Saal. Mit Mühe brachte sie das Wort hervor: „Tot?“ - „Er starb als Held“, antwortete der König jetzt gefaßt, „als Held deiner gedenkend und deiner würdig. Hier das Pfand seiner Treue bis in den Tod.“ Er überreichte der Herrin den Goldring, und sie nahm ihn und entfernte sich ohne Dank und Gruß. Seitdem trug sie stets Trauerkleider und blieb unvermählt.

Schweigsam, ohne Dank und Gruß, verharrten auch die Hofleute, als der König den Saal verließ. Mancher Recke sandte ihm drohende Blicke nach und hätte ihm noch lieber scharfe Speere nachgeschleudert, wenn ihm zuvor der Fehdehandschuh überreicht worden wäre. Indessen konnten die Drohungen künftiger Rache den Ruhm nicht schmälern, den die siegreich bestandenen Abenteuer dem Helden von Bern brachten.

So erschien es nun auf den ersten Blick, als käme die Vernunft siegreich mit der Rüstung des Kaisers und dem Schwert der Weisheit in die Körperburg zurück. Und es war auch die Vernunft, nur mit einem anderen Gesicht, das Seeburg zwar sehen wollte, aber an der Seite ihres Verlobten. Wie hatte sich das die Herrin der Körperburg vorgestellt? Kann es zwei „Vernünfte“ geben? Oder nur eine ganzheitliche? Wo ist nun die wachsende Ecke-Vernunft, die vom Schicksal ausgeschickt wurde, um im geistigen Reich die ruhmreiche Vernunft zu gewinnen und in die Körperburg vor die Augen der „Herrin“ zu holen? Tot? Und Dietrich hat im Grunde das gleiche Problem: Wenn er schon mit Virginal als reine Seele der Natur verheiratet ist, wie kann er sich mit einer anderen Seele verheiraten? Diese Ganzheitlichkeit hatte er offenbar noch nicht erreicht. Er trug zwar die Rüstung eines Kaisers, aber lebte noch in einer Welt der Trennung und gab der Seele den Goldring als Zeichen der wahren Einheit zurück, so daß sie „schwarze Trauerkleider anlegte und unverheiratet blieb“. Treffliche Symbolik! Wer kennt ihn nicht, den deprimierten Körper, ohne das Licht der Vernunft, so daß auch der Verstand tot und dunkel ist? So wurde diese Körperburg am Fluß des Lebens von der Vernunft verlassen, die eine feindliche Atmosphäre der Gegensätze, Trennung und Drohung zurückließ und diese Aufgabe offenbar noch nicht im Sinne eines Siegfrieds bzw. „Sieg-Friedens“ erfüllt hatte. Denn Dietrich gewann zwar die Rüstung und das Schwert eines Kaisers, aber noch nicht den Goldring der wahren Ganzheit.

Dietrichsage: Die Gesellen Wildeber, Ilsan und Dietleib

Als Dietrich in seine Burg eintrat, kam ihm zuerst Heime grüßend entgegen, nahm Falke am Zügel und rief voranschreitend: „Heil dem großen Sieger, der Ecke schlug und die Unholde vertilgte! Heil dem unüberwindlichen König!“ - „Dank dir, wackerer Geselle“, sagte Dietrich, „und hier eine Gabe für deinen Gruß!“ Mit diesen Worten überreichte er ihm das gute Schwert Nagelring. Der Recke empfing es mit Freuden und küßte es zweimal und dreimal, indem er versetzte: „Diese Gabe will ich zum Ruhm meines Königs führen, und ich will sie erst mit meinem Leben von mir lassen.“ - „Du bist des Schwertes unwert, schnöder Geselle!“, rief Wittich, der mit anderen Recken herzugetreten war: „Du hast unlöblich deine Klinge in der Scheide rosten lassen, als mich das Raubvolk bestürmte.“ Heime griff nach dem Schwert und erwiderte: „Mich verdroß dein Selbstlob, wie jetzt deine Lästerzunge, die ich dir ausschneiden will.“ Schon griff auch Wittich nach Mimung, aber der König trat zwischen die hadernden Männer und ermahnte sie, den Burgfrieden aufrechtzuerhalten. Als er darauf von dem Vorgang Kenntnis erhielt, hieß er Heime seines Weges fahren, weil es nicht der Helden Art sei, den Wehrgenossen in der Gefahr zu verlassen. Er solle nun, fügte der König hinzu, durch tapfere Taten zeigen, daß er ein tüchtiger Held sei, und dann möge er wiederkommen. „Wohlan, Herr, mit Nagelring gedenke ich mir größeres Gut zu erwerben, als die Burgen, die du mir jetzt wieder entziehst.“ So sprach der kühne Recke, sprang auf seinen Hengst und ritt von dannen, ohne Abschied und Gruß.

So lesen wir nun, wie Dietrich als wachsende Vernunft offenbar immer noch in einem Reich der Trennung zwischen Gewinn und Verlust lebt: Denn wie er sich am Ende der letzten Geschichte von Seeburgs Goldring trennen mußte, so gibt er nun auch sein Schwert Nagelring ab. Anders als Siegfried in der Nibelungensage, dessen Schwert der Weisheit mit jedem neugewonnenen Schwert immer vollkommener und ganzheitlicher wurde, ohne daß er sich vom alten trennen mußte, denn das ist die Welt der Ganzheit, in der Dietrich wohl noch nicht lebte. So gibt er sein Schwert Nagelring an Heime in der Rolle der egoischen Körperlichkeit, der sich darüber sehr freut, denn gern beschützt sich dieser Körper vor den leidvollen Nägeln bzw. Dornen im Leben, ohne weiter nach ihrem Sinn zu fragen. Doch das Ergebnis ist innerlicher Streit und ein Körper, der die Vernunft verloren hat und nun mit dem Schwert der Weisheit am Fluß der Weisheit zum blind-gierigen Raubritter wird:

Er ritt weit fort bis an die Wisera, wo er einen Haufen von Raubgesellen um sich sammelte und großen Unfug trieb. Er plünderte das wehrlose Landvolk und manchen Wanderer. Selbst mutige Recken mußten ihm Zoll zahlen oder ihr Gut und Leben lassen. So erwarb er sich durch Wegelagerung einen großen Schatz und wurde nimmer müde, sein Gut zu vermehren.

Hier kann man nun darüber nachdenken, ob das gut oder schlecht ist, was die Körperlichkeit am Fluß der Weisheit macht, den wir als Wisera in der Geschichte von Wittich schon kennengelernt haben, als er ihn übersprungen hatte, anstatt darin zu baden. Klar, wer in diesem Fluß baden will, muß sicherlich bereit sein, persönlichen Besitz und Eigentum hinzugeben. Welche Rolle spielt hier unser Körper, der nun das Schwert „Nagelring“ in die berühmte „Dornenkrone“ als Ring des Leidens verwandelt? Ja, der Körper spielt uns oft übel mit und scheint auch am Ende alles Gut und Leben zu nehmen, so daß sogar der gefräßige Ego-Drachen sterben muß. Und dieser Tod ist eine Lösung, die sich der Verstand gewöhnlich als die sicherste vorstellt, obwohl es in Wirklichkeit die unsicherste und unbefriedigendste ist. Das mag wohl auch ein Grund sein, warum der Hildebrand-Verstand im Folgenden so viele körperliche Kampfgesellen wünscht und die Dietrich-Vernunft von deren Nützlichkeit überzeugt.

Das war ein schlimmer Empfang für den siegreich heimkehrenden Helden Dietrich. Desto freudiger begrüßten ihn die anderen Gesellen, und vornehmlich die Königin Virginal. Bald saß er inmitten seiner Getreuen, und es war, wie der Dichter sagt:

Die Helden spülten den Plunder
Der Sorgen trinkend hinunter.

Nachdem nun Heime als egoische Körperlichkeit gegangen war, um mit Nagelring in der Welt sein tapferes Heldentum zu beweisen, weil er vom egoischen Wittich-Verstand als unwürdig und untüchtig angeklagt wurde, kommt nun auch Virginal als Seele der Natur wieder an Dietrichs Seite und weitere Formen der Körperlichkeit erscheinen, die sich als tüchtige Kampfgesellen anbieten:

Dietrich mußte immer wieder von dem schrecklichen Kampf mit dem Helden Ecke erzählen und wie er dadurch die strahlende Rüstung und das gute Schwert Eckesachs gewonnen habe. Während die Recken so redeten, trat ein Mönch in den Saal und blieb demütig an der Tür stehen. Er war groß und stämmig und hatte die Kapuze über den Kopf gezogen, daß man nur wenig von seinem Gesicht sehen konnte. Die Diener trieben mit ihm viel Kurzweil und rupften und zupften ihn bald an der langen Kutte, bald am Bart. Als das lose Spiel eine Weile gewährt hatte, wurde der Mann ungeduldig, ergriff einen der Spötter an den Ohren und ließ ihn zappelnd und schreiend in der Luft schweben. Als sich der König nach der Ursache des Geschreis erkundigte, trat der Mönch vor und bat um ein Stücklein Brot für einen halb verhungerten Klosterbruder, der für begangene Sünden Buße tue. Dietrich war selbst herzugetreten und befahl, dem jammervollen Bruder reichlich Speise und Trank vorzusetzen. Er wunderte sich aber, als der Mönch die Kapuze zurückschob und dessen breite Backen zum Vorschein kamen, die gar nicht von Hunger zeugten. Er wunderte sich noch mehr, als derselbe mit seinen Kinnladen zu arbeiten begann. Ein Schinkenstück nach dem anderen, ja eine Kalbskeule verschwanden unter seinen zermalmenden Zähnen und dazu goß er Ströme edlen Weines in seinen unersättlichen Schlund.

„Der heilige Mann hat einen Wolfshunger“, murmelten die Umstehenden, erstaunt über die unermüdliche Arbeit des Mönches. „Habe fünf Jahre Pönitenz (Buße) getan mit Beten, Fasten und Wassertrinken.“, versetzte er: „Nun habe ich die Erlaubnis vom hochwürdigen Prior, mich in der Welt umzusehen und Sünder zur Buße zu bekehren.“ Er setzte seine Mahlzeit fort und fügte dann hinzu: „Ihr aber seid alle arme Sünder mit Fressen und Saufen! Darum tut Buße und bekehrt euch, daß eure Sünden vertilgt werden.“ Darauf intonierte er mit schallender Stimme: „Oh sanctissima! (Oh Heiligkeit!)“ Es hatten sich immer mehr Gäste um den heiligen Mann gedrängt. Dann kam auch Meister Hildebrand und rief: „Hei, das ist ja mein lieber, leiblicher Bruder, der Mönch Ilsan!“ - „Culpa mea, culpa mea! (Meine Schuld!)“, rief ihm dieser abwehrend entgegen: „Rühre mich nicht an, unheiliger Bruder! Beichte zuvor und tue Buße, daß du nicht zur Hölle fährst, gleich den anderen.“ - „Aber“, sagte der Meister, „wir haben uns doch hier zusammengeschart, um Unholde, Riesen und Zwerge zu bekehren, wenn nicht mit Güte, dann mit Gewalt. Da darf der gottselige Bruder nicht fehlen. So lege denn die Kutte ab und sei wie ehemals unser Geselle.“ - „Ja, ich habe Erlaubnis zu bekehren und will nun im frommen Werk euer Helfer sein.“ Mit diesen Worten warf er Kutte und Kapuze weg und stand da in glänzender Brünne und ganz gerüstet. „Hier“, rief er, an sein breites Schlachtschwert schlagend, „mein Predigerstab, und hier“, auf die Rüstung deutend, „mein Brevier (Gebetsbuch). Heiliger Kilian, bitte für mich, für uns alle! Ora pro nobis. (Bitte für uns!)“ Er nahm Platz unter den Recken, die den starken Mönch Ilsan von alter Zeit her kannten. Er trank und sang bald lateinische Psalmen, bald Schelmenlieder und erzählte Geschichten aus seinem Klosterleben, wie er oftmals die feisten Mönche an den Bärten gerauft oder in ihre Zellen eingesperrt habe, wenn sie ihn hätten fasten lassen.

Als erster körperlicher Ersatz für Heime erscheint ein frommer Mönch, der seinen Körper am Fluß der Weisheit im Kloster durch Buße gereinigt, gestärkt und gestählt hatte. Es ist der „leibliche Bruder“ vom Hildebrand-Verstand, der offenbar die Ganzheit bzw. Göttlichkeit noch nicht erreicht hatte und nun Dietrich als wachsende Vernunft im heiligen Kampf um die Bekehrung der Welt zum Christentum dienen will. Daran ist im Grunde nichts auszusetzen, denn auch das Christusbewußtsein ist ein ganzheitliches Bewußtsein und damit reine Vernunft. Die Frage ist nur, welche Mittel und Wege führen zum großen Ziel? So sind wir gespannt, welche Rolle Ilsan noch spielen wird…

Schon brach der Abend an und Wachskerzen erleuchteten die weite Halle. Draußen auf den Gängen und im Hof brannten Kienfackeln. Da tappte ein seltsames, abenteuerliches Geschöpf durch die offene Pforte, vor welchem Knechte und Mägde erschrocken zurückwichen. Es war wie ein Zottelbär anzusehen, aber das Haupt glich einem Eberkopf, während Hände und Füße menschlich gestaltet waren. Das Wunder stand wie angewurzelt an der Pforte und schien sich zu bedenken, auf wen es sich zuerst stürzen wolle. „Ein unreiner Geist, eine Seele aus dem Fegefeuer!“, rief der Mönch: „Ich will sie beschwören. Conjuro te…“ Da stockte er, denn der Unhold wandte ihm den Rüssel entgegen. Nun rief der kühne Wolfhart: „Ich will ihn mit meinen Fäusten hinaus und in sein Fegefeuer fegen!“ Sogleich sprang er über den Tisch und ergriff das Tier am Pelz. Soviel er aber auch raufte und zerrte, es bewegte sich nicht von der Stelle. Dagegen gab es unversehens dem Recken einen so kräftigen Stoß, daß er kopfüber rücklings in den Saal purzelte. Nun sprangen Hornboge, Wittich und andere Recken hinzu und versuchten, das Ungetüm aus der Halle zu schaffen, aber es stand unbeweglich, gleich einer Säule von Erz.

So kommt nun nach der geistig gestählten Körperlichkeit auch die natürlich gestählte in die Halle der wachsenden Vernunft. Die Reaktion des Mönches wundert uns nicht. Erstaunlicherweise sahen christliche Gelehrte oft den Teufel in der äußerlichen Natur und anderen Menschen und nur selten in sich selbst. Mit dieser Vorstellung als Feindbild wurden schon so viele schreckliche Kriege geführt, um andere zur Gottesliebe zu bekehren. Ja, so absurd kann der unvernünftige Verstand wirken. Und im Grunde ist das auch immer noch das Problem von König Dietrich, der mit Wittich den egoischen Verstand an seine Seite erhoben hat:

„Gebt Raum, tüchtige Gesellen!“, sagte der König voll Zorn: „Ich will sehen, ob der Unhold auch gegen Eckesachs fest ist.“ Schon hatte er das Schwert gezogen, da fiel ihm Meister Hildebrand in die Arme und sprach: „Herr, beseht es recht, da blitzt unter dem Bärenpelz an der Hand ein goldener Armring mit Edelgestein. Es ist ein Mensch, vielleicht ein kühner Recke.“ - „Wohlan“, sagte der König, zu dem seltsamen Gast gewandt, „bist du ein tüchtiger Held, dann lasse die Vermummung fallen, und du sollst uns ein treuer Geselle sein.“ Auf diese Zusage legte der Gast Eberkopf und Bärenhaut ab und stand in glänzender Rüstung vor dem König und seinen Wehrgenossen. „Ich kenne dich wohl“, sagte Hildebrand, „du bist der streitbare Held Wildeber, der Starke, und der Goldreif ist die Gabe einer Schwanjungfrau und verdoppelt deine Kraft. Aber wozu die Verkleidung? Bei unserem König ist jeder tüchtige Mann ein willkommener Gast.“

Wildeber setzte sich an des Meisters Seite, leerte einen schäumenden Pokal und erzählte: „Einst war ich nach einem schweren Kampf gegen Raubvolk am einsamen Ufer eines Sees eingeschlafen, da weckte mich ein Plätschern in den Wellen. Als ich die Augen dahin wandte, sah ich eine schöne Jungfrau, die schwimmend mit dem Wellenschlag auf- und niedertrieb. Unfern von der Stelle gewahrte ich ihr Schwanengewand, kroch vorsichtig im Gras dahin, nahm und verbarg es. Die Jungfrau suchte es nach dem Bad, und als sie es nicht fand, fing sie an, laut zu klagen. Ich ging zu ihr und bat, sie möge mir in meine Behausung folgen und dort als meine Ehefrau über mein Fürstentum herrschen. Sie weinte aber immerfort und sagte, sie müsse sterben, wenn sie ihr Flughemd nicht wiederfinde. Das erbarmte mich, und ich gab ihr das Gewand. „Wohl“, sagte sie, „edler Held, für deine Gabe schenke ich dir diesen kostbaren Goldreif, der die Kraft des Besitzers so vermehrt, daß ihn kaum ein Kämpfer bezwingt. Du mußt aber, wenn du ihn sicher behalten willst, als Bär und Eber umherwandeln, bis dich der ruhmvollste König auf Erden zu seinem Gesellen erwählt. Tust du es nicht, dann schwindet die Kraft des Kleinods, und du wirst früh im Kampf erschlagen.“ Als sie diese Worte gesprochen hatte, schlang sie das Gewand um und schwebte auf Schwanenschwingen zu den Wolken empor. Darum bin ich im Bärenpelz zu dir gekommen, kühner Held von Bern. Und weil du mich freiwillig zu deinem Gesellen erwählt hast, so vertraue ich, daß die Kraft des Goldreifs nicht eher schwinden wird, als mit meinem Leben.“ - „Pax vobiscum! (Friede sei mit dir!)“, lallte Mönch Ilsan und schwankte unsicheren Schrittes nach seinem Lager. Die anderen Recken folgten bald seinem Beispiel. Etliche fanden ihre Schlafstätte, andere lagerten sich auf den mit Kissen belegten Bänken der Halle.

Hier können wir aus geistiger Sicht wieder eine Meerjungfrau als reine Seele der Natur finden. Ja, manchmal geschieht es, wenn wir vom Kampf in der äußerlichen Natur ausruhen, daß wir die unverhüllte Seele der Natur erblicken und in diese unvergleichliche Schönheit augenblicklich verliebt sind. Dann wollen wir sie festhalten, in unsere häusliche Körperlichkeit binden und versuchen, ihr das äußerliche Kleid wegzunehmen, damit sie nicht wieder entschwindet. Doch die reine Seele wird traurig und weint, wenn sie persönlich festgehalten und von der äußerlichen Natur getrennt wird, denn sie ist eine freie und ganzheitliche Seele. Und wenn wir ihr dann das äußerliche Kleid wiedergeben, dann gibt sie uns als Geschenk einen Goldreif als Zeichen ihrer wahren Ganzheitlichkeit, den wir nun am Arm tragen können, so daß alle Handlungen viel wirksamer und ganzheitlicher werden. Natürlich mit der Bedingung, daß auch wir unsere äußerliche Natur geduldig tragen, bis wir zur reinen Vernunft finden, die dann als reiner Geist auch die reine Seele der Natur heiraten und sich mit ihr wieder vereinen kann. Ohja, das kann uns alles bewußt werden, wenn wir mit vernünftigem Verstand auf die körperlichen Wesen der Natur schauen, den Goldreif an ihnen erblicken, und vielleicht sogar unser menschliches Wesen als reines Bewußtsein in ihnen wiedererkennen.

Wohl ein Jahr ist hingegangen
In den Schoß der Mutter Zeit,
Sieh, da lehnt in blanker Rüstung
Dietrich auf des Söllers Brüstung,
Knappen sind im Hof bereit.

Neben ihm stand Virginal, die hohe Königin, heiteren Angesichts, denn der Held war nicht zu einem gefährlichen Abenteuer gerüstet, sondern wollte infolge einer Einladung von Kaiser Ermenrich, dem Bruder seines Vaters, nach Romaburg zu einem Festgelage fahren. Da trabte auf stolzem Rosse ein Recke in den Hof. Der König erkannte ihn sogleich: Es war Heime auf seinem Hengst Rispe. Derselbe stand bald vor dem Berner, der ihn nicht eben freundlich empfing. Der Recke berichtete, wie er viele Kämpfe mit Räubern und Riesen bestanden habe, was auch eine tiefe Schramme im Gesicht und manch zerhauener Rüstungsring bezeugten. Er bat um Wiederaufnahme in die Gesellenschaft und verhieß auf Treue seinen Beistand in allen Gefahren und Nöten. Als auch die Königin für den alten Gesellen ein begütigendes Wort sprach, reichte ihm Dietrich die Hand und forderte ihn zugleich auf, mit ihm und anderen seiner Gesellen nach Romaburg zu Kaiser Ermenrich zu fahren.

Die Reise währte manchen Tag, denn der König wollte auch in Fritilaburg Herberge nehmen, wo er zu schaffen hatte. Als die Helden von dort weiterreiten wollten, hielt sie ein junger Recke in starker Eisenrüstung an und fragte nach dem weltberühmten Dietrich von Bern, weil er bei ihm Dienst nehmen wollte. Er nannte sich Ilmenrik, Sohn des Bonden (Freibauern) Soti aus Danland. Als er an den König gewiesen wurde, sprach er: „Heil, Herr! Willst du mein König sein und meinen Dienst annehmen, so möchte ich wohl deine und deiner Gesellen Gewänder, Waffen und Rosse in guter Pflege bewahren.“ Der Berner fand Wohlgefallen an dem jungen Gesellen und wies ihn zu seinem Gefolge, das außer Wittich und Heime aus zwanzig edlen Dienstmannen und noch mehreren Knechten bestand. Man kam zu Romaburg an, wo der reiche Kaiser die geladenen Gäste mit großen Ehren empfing und alsbald in die festliche Halle führte. Dagegen kümmerte sich niemand um die Dienstleute, die doch auch ein Unterkommen begehrten. Sobald aber Ilmenrik die Gewänder, Waffen und Rosse des Königs, Wittichs und Heimes wohlversorgt hatte, ging er zu den Dienstleuten, die ratlos im Burghof standen. Er hieß sie guten Mutes sein, weil er für sie Sorge tragen werde.

Er nahm sie darauf mit sich in die beste Herberge, die man ihm anzeigte, ließ die Halle daselbst zum Gastmahl herrichten und kaufte für zwanzig Goldmark, die er im Säckel mit sich führte, gute Speisen und Getränke. Bald saßen die Männer an den vollen Tischen, schmausten und zechten und waren guter Dinge bis spät in der Nacht. Ehe sie schieden, lud sie der freigebige Gefährte für den folgenden Tag wiederum zur Freudentafel. Er ging dann, als der Morgen anbrach, abermals auf den Markt. Weil aber sein Bargeld erschöpft war, so verpfändete er Heimes Rüstung und Roß für zehn Mark und verwendete die ganze Summe auf die Bewirtung. Am dritten Tage verpfändete er Wittichs Habe um zwanzig, am vierten die Waffen und den Hengst seines Herrn um dreißig Mark. Er ließ bei dem Gelage Spielleute kommen und schenkte dem besten Spielmann, der Isung hieß und auch ein tüchtiger Kämpfer war, ein Purpurgewand seines Herrn. Die Leute ließen sich das wohl gefallen und meinten, ihr Genosse sei ein Kind reicher Eltern, dessen Säckel nie leer werde.

Am fünften Tag wollte der König aufbrechen, um nach Bern zu fahren. Er hieß seinen Dienstmann die Waffen herzuschaffen und die Hengste aufschirren. „Heil, Herr!“, sagte Ilmenrik, ich will es gern tun, aber du mußt das alles erst auslösen, denn ich habe es für Speise und Getränke um sechzig Mark verpfändet, nachdem ich meine eigenen zwanzig Mark verwendet hatte.“ - „Hei!“, rief Dietrich erstaunt und zornig: „Hast du einen Magen von hundert Wölfen? Da wirst du noch Bern verpfänden, und ich muß mein Brot heischen gehen.“ - „Du bist ein großer und sehr weiser König“, versetzte der Diener, „du wirst doch deine Dienstleute nicht hungrig und durstig lassen, wenn du selbst beim fröhlichen Gelage sitzt. Niemand bot uns auch nur Brot und Wein. Daher habe ich statt deiner die Dienstleute von ihren Sorgen befreit.“ Der Berner war über die gewaltige Zeche nicht eben erfreut, doch nahm den unberufenen Säckelmeister mit sich zu Kaiser Ermenrich und fragte denselben, ob er als Gastgeber nicht auch die Kosten für die Dienstmannen tragen wolle. Der reiche Herrscher war sogleich dazu bereit. Als ihm aber der Diener den Betrag angab, schalt er ihn einen falschen Knecht, der seines Herrn Güter in Unzucht und Unehre zugrunde richte. Dann rief ihm auch ein anderer König, der anwesend war, der waffenmächtige Walther von Wasgenstein, spottend zu, ob er noch andere lose Künste verstehe, als Fressen und Saufen, wie ein Werwolf? Ilmenrik meinte ganz bescheiden, er habe von seinem Vater manche Spiele gelernt, welche die Recken zu üben pflegten, und er getraue sich wohl, mit den edlen Herren einen Wettkampf einzugehen, Haupt um Haupt. Über diese Vermessenheit war man nicht wenig erstaunt. „Wohlan, es gilt“, rief der vom Wasgenstein, „versuchen wir uns im Steinstoßen und Speerwerfen.“ Er ergriff sogleich einen Stein, so schwer, daß ihn zwei Männer, wie sie jetzt sind, kaum lüften würden. Er warf ihn dreizehn Klafter weit, der andere vierzehn (ca. 25m). Zum zweiten Mal versuchten sich die Kämpfer, und Walther schoß den Stein sechzehn Klafter, sein Gegner brachte ihn zwei Klafter weiter. „Nun versuchen wir uns im Speerschießen!“, rief Walther. Er nahm aber statt des Speeres eine schwere Bannerstange und schleuderte sie mit großer Gewalt hoch über die ganze Dachwölbung der Halle, daß sie jenseits mit der goldenen Spitze tief in die Erde fuhr. Ilmenrik schritt durch den nach beiden Seiten offenen Saal, riß die Stange aus dem Boden und schwang sie noch höher zurück. Er sprang aber gleichzeitig wieder durch die Halle und fing das Geschoß in der Luft auf, ehe es den Boden berührte.

Solche Kunst war noch niemals gesehen worden. Die Helden umher verharrten schweigend und fürchteten um das Leben des tüchtigen Recken vom Wasgenstein. Da berief Ermenrich den jungen Sieger vor sich. „Höre meine Rede, kühner Held!“, sagte er: „Ich will das Haupt meines Lehnsmannes lösen, welchen Preis du auch begehrst. Gold für Blut, das ist altes Recht.“ - „Sei ohne Sorge, Herr“, versetzte Ilmenrik, „das Haupt des tüchtigen Helden ist wohlbehütet. Ich begehre seiner nicht. Willst du mir aber eine Bitte vergönnen, so verleihe mir so viel des Geldes, wie ich zur Pflege der Dienstmannen verwendet habe, damit ich die verpfändeten Waffen, Gewänder und Rosse wieder auslösen kann.“ - „Säckelmeister“, wandte sich der Kaiser an einen Mann aus seinem Gefolge, „wäge dem Gesellen sechzig Mark roten Goldes dar zur Lösung der Pfänder und andere sechzig Mark, damit er seinen eigenen Säckel fülle.“ - „Habe Dank, Herr“, antwortete der Recke, „ich selbst bedarf der Gabe nicht, da ich Dienstmann des reichen Königs von Bern bin, der meiner wohl pflegen wird. Vergönnst du aber, daß wir noch einen Tag zu Romaburg herbergen, dann will ich das Gesinde für diese sechzig Mark reichlicher als zuvor bewirten und auch meinen Herrn samt seinen Recken und dich selbst, wenn du eintreten magst, sollte ich auch Rosse und Rüstungen nochmals zum Pfand geben.“ Die Recken lachten über den fröhlichen Helden. Nur Heime lachte nicht und drohte, wenn er seinen Hengst nochmals verpfände, dann solle es ihm ans Leben gehen.

Bei dem Gastmahl, das der Dienstmann herrichtete, war kaiserliche Pracht aufgewendet. Da saßen oben an den Tischen die Herren und unten das Gesinde. Aber die leckere Kost und die edlen Weine wurden den Knechten wie den Herren gereicht. Alle waren fröhlich, nur Heime blickte manchmal hämisch und ergrimmt auf den jungen Gesellen, der, wie er fürchtete, wiederum über sein Eigentum verfügte. Ilmenrik setzte sich, als Raum war, an Heimes Seite und fragte ihn heimlich, ob er den Mann kenne, der ihm die Schramme auf der Stirn geschlagen habe? Heime versetzte, es war Dietleib, der Sohn des Fürsten Biterolf. Er werde ihn wohl wiedererkennen, wenn er ihm zu Gesicht komme, und dann solle es ihm das Haupt kosten. „Nun, tapferer Held“, sagte der junge Recke, „dein Gedächtnis ist dir abhanden gekommen. Ich will es dir zurückrufen. Sieh mir nur recht ins Angesicht, denn ich selbst bin jener Dietleib, den du mit deinen Raubgesellen überfielst, als er mit seinem Vater Biterolf durch den Falsterwald ritt. Der Räuber Ingram und seine Gesellen wurden von uns beiden gefällt, du aber entrannst mit der blutigen Wunde auf der Stirn durch deinen guten Hengst Rispe. Wenn du die Begebenheit nicht glaubst, dann trage ich hier an der Seite einen Zeugen, der es dir auf offenem Feld beweisen soll. Vertraust du dagegen meiner Rede, dann bleibt die Sache unter uns eine Heimlichkeit.“ Der Recke war verzagt geworden und recht wohl damit zufrieden, daß jenes Abenteuer geheimgehalten werde.

Der Name Ilmenrik läßt sich von „Ilme“ für Ulme und „rik“ für reich ableiten und erinnert damit an den Baum des Lebens, der allen Reichtum gibt und alle Wesen ernährt. Diese Freigebigkeit finden wir hier wieder und auch, daß Körper, Rüstung und Waffen dafür eingesetzt werden sollten, um dieses ganzheitliche Geben im Sinne von „leben und leben lassen“ zu erreichen. Denn das ist auch das Wesen der reinen Vernunft, nach der Dietrich strebt und die im Kaiser Ermenrich bereits angedeutet wird. Im Gegensatz zur egoischen Körperlichkeit von Heime, der Angst um sein Eigentum hat, sich vor allem selber ernähren will und auf diese Weise zum Räuber wird, doch aus ganzheitlicher Sicht nur sich selbst verletzt und schadet, weil er nicht für ein ganzheitliches Wesen der Natur sorgt. Durch dieses vernünftige Geben im Sinne von „leben und leben lassen“ bekam Ilmenrik solche ungewöhnlich großen Kräfte und offenbart sich dann als Dietleib und Sohn von Biterolf und Dietlinde als „bissiger Wolf“ und „menschlicher Lebensbaum“ bzw. wirkender Geist und wachsende Natur. Er trägt den Namen Dietleib im Sinne einer „menschlichen Körperlichkeit“, die sich durch ganzheitliche Vernunft und Freigebigkeit auszeichnet.

So gilt auch die Vergebung als höchste Tugend der Vernunft, die Dietleib zu seinen Eltern und dann auch zu Heime als egoische bzw. eigene Körperlichkeit übte, und zeigt sich als eine unüberwindliche Kraft, die kein Walther und keine Gewalt überwältigen kann. Ja, damit ließe sich der Ego-Drachen tief an der Wurzel besiegen, denn wahre Vergebung als Voraussetzung für reine Liebe hält kein persönliches Eigentum zurück, und so kann man auch nichts verlieren. Dann bleibt sozusagen nur reines Bewußtsein übrig, das in sich selbst ewig und unvergänglich ist.

»Ich bin das Licht der Welt, denn ich habe der Welt vergeben.«
(Ein Kurs in Wundern, Lektion 81)

Der Wein, den der junge Held reichlich schenken ließ, mundete den Gästen und insonderheit dem Berner König. Derselbe erhob sich und rief laut, daß alle Zecher sein Wort vernahmen: „Heil und Dank dir, tüchtiger Dienstmann! Du sollst hinfort nicht mehr Rosse und Gewänder behüten oder zum Pfand austun, sondern in Ehren einer unserer Gesellen sein!“ - „Heil, Herr“, versetzte der junge Recke, „du übst solche Guttat nicht an einem unwerten Mann. Denn ich bin Dietleib, der Sohn des Fürsten Biterolf, dessen Kriegsfahrten unter den Hunnen und Reußen auch im Südland bekannt sind. Er und meine Mutter Dietlinde achteten meiner nicht, weil sie mich für schwach und zaghaft hielten, und ich mußte viel im Kochhaus auf der Asche liegen. Aber ich sah oft die Waffenspiele seiner Mannen und ahmte sie heimlich nach. So wurde ich kraftvoll und wehrhaft. Als aber der Vater dessen innewurde, gab er mir diese Eisenrüstung, ein gutes Schwert und ein Roß. Auf der Rückreise von einer Hochzeit wurden wir im Falsterwald von Ingram und seinem Raubvolk angegriffen. Wir schlugen die üblen Raufbolde alle tot, bis auf einen, der mit blutigem Haupt auf seinem guten Hengst entrann.“ Dietrichs Gesellen nahmen den tüchtigen Helden gern in ihre Mitte, nur Heime blieb trotz des Weines finster und üblen Mutes.

Der junge Held zog mit dem König zurück nach Bern, wo er sich in manchem Abenteuer als treuer Geselle bewies. Er hatte indessen nicht lange Ruhe, sondern wollte die Sitten vieler Völker sehen und fuhr deswegen zu König Etzel ins Hünenland. Dort fand er seinen Vater Biterolf wieder, doch sie töteten sich in einem Zweikampf beinahe gegenseitig. Rüdiger von Bechelaren schritt ein und erklärte, daß sie Vater und Sohn seien. Da erkannten sich die Helden und vollbrachten gemeinsam noch mächtige Taten in großen Kämpfen. König Etzel bot ihnen, um sie bei sich zu behalten, das schöne und reiche Land Steiermark zum Lehen an. Biterolf überließ das Lehen seinem Sohn, welcher deshalb der „Stiräre“ genannt wurde, oft aber auch als Dietleib, der Däne, in der Sage erscheint.

So konnte wohl Dietrich die „menschliche Körperlichkeit“ noch nicht lange bewahren, und Dietleib begab sich zu König Etzel, den wir im Nibelungenlied bereits kennengelernt haben. Damit wurden bisher zehn Gesellen näher beschrieben, die der wachsenden Vernunft helfen sollen, und wir möchten das bisherige Rollenspiel kurz zusammenfassen:

Dietrich: wachsende Vernunft als reiner Geist / König
Virginal: reine Seele der Natur / Königin

Fünf geistorientierte Kräfte:

Hildebrand: vernünftiger Verstand / Gedächtnis
Hornboge: ehrenhafter Kampfeswille
Wittich: egoischer Verstand / Eigenwille
Helfrich: Intuition / Erinnerung
Ruotwin: Phantasie

Fünf körperliche Kräfte:

Wolfhart: angeborene tierhafte Körperlichkeit
Heime: egoisch-sinnliche Körperlichkeit / Eigentum
Wildeber: natürliche Körperlichkeit
Ilsan: verstandesmäßig-fromme Körperlichkeit
Ilmenrik/Dietleib: vernünftig-menschliche Körperlichkeit / Vergebung

Diese zehn Kräfte sind natürlich nur eine grobe Einteilung, und sicherlich kann man auf ähnliche Weise auch weibliche Wesen finden, deren Trennungen doch nur vom begrifflichen Verstand erschaffen wird. Im Grunde sind es immer vielfältige Schichten oder Nuancen unseres Bewußtseins, die miteinander agieren, viele Grautöne sozusagen, weit mehr als die hier angenommenen zehn. Mal wirken sie deutlich an der Oberfläche, mal eher unbewußt, mal zum Heilsameren, mal eher nicht, wie die Wellen auf einem Meer. Wer länger in sich „hineinhorcht“, kann dieses scheinbare Auf und Ab, Vor und Zurück wahrnehmen, wie es auch in dieser alten Geschichte in äußerlichen Handlungen symbolisiert wird. Und doch ergibt es ein großes Ganzes, und auch eine langfristige Entwicklung in einer langen Geschichte…


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Sagentext und Sepia-Bilder: Die Sagenwelt der Nibelungen nach Wilhelm Wägner und anderen Quellen
[Bibel] Luther Bibel, 1912 / Revision 2017
[2025] Text von Undine & Jens / www.pushpak.de
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