Die geistige Botschaft unserer alten Märchen

Hugdietrichsage: Kaiser Dietwart als Hugdietrich

Sagentext nach Wilhelm Wägner und anderen Quellen
Interpretation von Undine & Jens in Grün [2025]

Über Hugdietrich, den Sohn von Wolfdietrich, haben wir keine eindeutige Sage gefunden. Aus geistiger Sicht scheint uns die Sage von Kaiser Dietwart am besten ins Bild zu passen, weil sie uns auch eine schöne und tiefgründige Zusammenfassung über das Wesen von Geist und Natur als Vernunft und Seele gibt. Wir haben sie daher nach dem Text von Wilhelm Wägner an dieser Stelle eingebaut:

So lebte und herrschte Hugdietrich in der Weltstadt Romaburg als Kaiser, der vom Volk und seinen Freunden auch Dietwart (der „Diener des Volkes“) genannt wurde. Er war schon in früher Jugend durch kühne Heldentaten berühmt geworden, so daß man in allen Landen seinen Namen kannte und ehrte. Er sandte nun Botschaft an König Ladmer in Westenmer und ließ um dessen Tochter, die vielgepriesene Minne, werben. Die Recken, die den Auftrag bekamen, fuhren fort über das Meer und traten nach glücklicher Fahrt vor den Herrscher, den seine Hofleute umgaben. Als sie geziemend ihren Antrag vorgebracht hatten, sagte der König, das Begehren des Kaisers von Romaburg gereiche ihm zu großer Freude und Ehre, doch möge der edle Freier selbst nach Westenmer fahren, um zu erkennen, ob die Jungfrau der Ehre wert sei und ob sie die Werbung annehme, da er nicht willens sei, der Jungfrau Zwang anzutun. Mit diesem Bescheid kehrten die Boten zu ihrem Herrn zurück. Dietwart ließ sogleich ein Schiff ausrüsten und trat in Begleitung von hundert seiner kühnsten und getreuesten Helden die Fahrt an. Er hatte viel Not durch Sturmwetter zu erdulden, doch gelangte er endlich an das Ziel seiner Wünsche.

Hier können wir aus geistiger Sicht wieder an die Seele der Natur denken, und wie man diese Minne bzw. Liebe der Natur in der großen Hochzeit zwischen Geist und Natur gewinnt. Wie der Großvater Hugdietrich seine Hildburg aus dem Abendland des Westens als Reich der Natur gewann, und Wolfdietrich durch Ortnit seine Liebgart bzw. Sidrat aus dem Morgenland des Ostens, das symbolisch mehr ein geistiges Reich ist, so sucht nun Dietwart seine Minne wieder im Abendland im Westenmer, das uns wieder an das Meer der Ursachen im Reich der Natur erinnert, von wo auch die Seele als Prinzip der Verursachung kommt. Der Name Ladmer ihres Vaters erinnert entsprechend an die „Lade“ oder „Ladung“ in diesem Meer, sozusagen an das geistige Karma angesammelter Taten als Ursachen für künftige Wirkungen. Dieser „Geist des Meeres“ gibt seine Tochter als Seele der Natur natürlich gern zur großen Hochzeit, wenn sie durch wahre Liebe gewonnen wird. Und dafür hat ein Kaiser als ganzheitliche Vernunft sicherlich die besten Voraussetzungen.

König Ladmer empfing den hohen Gast seinem Rang gemäß. Er ließ ihn neben sich den Thron einnehmen und ihn wie seine Recken mit Speisen und edlem Wein erquicken. Er wiederholte ihm aber auch, was er schon den Boten gesagt hatte, daß er sich die Liebe der Jungfrau erwerben müsse, sofern er Wohlgefallen an ihr finde, und daß er ihr deshalb noch nichts von der Werbung mitgeteilt habe. Am folgenden Tag war ein großes Festmahl. Da saß Dietwart in unscheinbarem Gewand unter seinen Recken, und die königliche Jungfrau schenkte nach alter Sitte den Wein. Als sie zu den fremden Gästen kam, wußte sie nicht, wem sie zuerst den Becher bieten sollte. Doch ihre Wahl war bald getroffen, denn sie trat vor Dietwart, den seine hohe Gestalt, seine blonden Locken und die fürstliche Haltung auszeichneten. Er leerte den Becher auf ihr Wohl. Sie aber dankte züchtig und kehrte zum Vater zurück, der das alles mit Freuden wahrgenommen hatte. Am Abend, als sich die Gäste verabschiedet hatten, sagte er ihr, der Fremdling, den sie zuerst geehrt hatte, sei der mächtige Kaiser von Romaburg, und derselbe begehre sie zur Ehegemahlin. „Ja“, sagte sie, „er scheint wohl ein großer Herrscher, aber ich weiß nicht, was er für Sitten hat, und es könnte mir im fremden Land übelergehen. Ich will lieber in der Heimat, im Vaterhaus bleiben.“ Der gütige Vater sagte darauf nichts, er küßte die Tochter auf die Stirn und entließ sie.

Das Wesen der Seele ist natürlich auch ein geistiges, denn sie wird vom väterlichen Geist gezeugt und von der mütterlichen Natur geboren. Hier kann man nun lesen, wie sie ihre Aufgabe im Leben sucht, sich vor dem Fremden fürchtet und lieber als geistiges Wesen im Vaterhaus bleiben möchte, als dem abenteuerlichen Weg der Liebe zu folgen, auf den sie jedoch vom Schicksal bereits geführt wird, was auch ihr Vater erkannt hat.

Die Hörner klangen, die munteren Hunde zerrten an den Leinen, die Jäger standen mit ihren Waffen und Fangeisen in Bereitschaft. Eine große Jagd sollte abgehalten werden, denn das Wild tat viel Schaden in den Feldern, und etliche Bauern hatten sogar ihr Leben eingebüßt. Man erzählte auch, es sei ein greuliches Ungetüm aus dem Meer hervorgestiegen, das sei unten wie ein Mensch gestaltet, habe aber oben Hals, Kopf und Rachen wie ein Lindwurm und an den Händen lange Krallen. Der König hielt den Bericht für ein Märchen furchtsamer Leute, doch wollte er den Wald durchstreifen, weil sich selbst in der Nähe der Burg Spuren von Wölfen gezeigt hatten. Als indessen auch seine Tochter, mit Speer, Bogen und Weidmesser bewaffnet, im Gefolge mehrerer Gefährtinnen dem Jagdzug sich anschließen wollte, hieß er sie davon abstehen, weil sie in Gefahr geraten könne. Sie bat indessen dringend, er möge ihr die Jagdlust nicht verweigern, und versicherte, sie könne so gut wie die Jagdgesellen den Bogen spannen. Da gab er, wie gewöhnlich, ihren Bitten nach. Dem Kaiser Dietwart gefiel das Gebaren der kühnen Jungfrau wenig. Er sagte zu seinen Recken, dem Weibe stehe besser an, wenn es die Spindel, anstatt Bogen und Wurfspeer führe, und er wolle sich doch lieber eine Genossin unter den Fürstentöchtern der Heimat erwählen, die an friedliches Gewerbe gewöhnt und nicht minder lieblich seien als die kühne Jägerin. Indessen sei es doch seine und der tapferen Recken Pflicht, wohl achtzuhaben, daß der Königstochter kein Leid geschehe. Er folgte demnach ihren Schritten während der Jagd und bewunderte die Jungfrau, wie sie gewandt und flüchtig bald zu Roß, bald zu Fuß das scheue Wild verfolgte, wie sie geschickt den Bogen spannte und die tödlichen Pfeile versandte.

Die Jagd erinnert uns wieder an das Wesen des Geistes, wie er mit seinen Waffen und den Jagdhunden der Gedanken nach den Wirkungen jagt, sowohl dafür als auch dagegen, um das Leben zu erhalten. Diese Wirkungen kommen natürlich aus dem Meer der Ursachen, wie auch das Ungetüm des Lindwurms als Ego-Drachen, halb Mensch, halb Tier mit den Greif-Krallen der Begierde. Dann wird schön beschrieben, wie auch die Seele als geistiges Wesen an dieser Jagd teilnehmen will und ähnliche Fähigkeiten zeigt, wie der Geist selbst. Daraufhin fragte sich Kaiser Dietwart natürlich zurecht, wofür er so eine Jungfrau bräuchte, die nur das kann, was er selbst beherrscht. Die Spindel erinnert entsprechend an die Aufgabe der Seele als Prinzip der Verursachung, um die Lebensfäden zu spinnen.

In einem engen Felsental hatte Jungfrau Minne einen stattlichen Hirsch mit sicherem Pfeil getroffen. Die Hunde verfolgten das Tier, auch die Gefährtinnen der Königstochter eilten nach, während diese den Köcher ordnete und einen weiteren Pfeil herausnahm. Da heulten plötzlich die Jagdhunde und stürzten, wie von Schrecken ergriffen, aus dem jenseitigen Dickicht hervor und an der Jägerin vorbei. Ihnen nach kamen eiligen Laufes die Mädchen, um Hilfe schreiend und ihre Herrin zur Flucht mahnend. „Der Wurm!“, riefen sie, „Der Linddrache! Das höllische Ungeheuer!“ Sie flohen über den Wiesengrund einem steilen Hügel zu, der sich im Hintergrund erhob. Jetzt rauschten die Büsche, Sträucher und Bäume stürzten krachend, und hervor brach der Unhold von scheußlichem Ansehen. Ein Zischen und Stöhnen drang aus dem weit geöffneten Rachen hervor, das selbst kühne Helden mit Schrecken erfüllen konnte. Jungfrau Minne schoß drei Pfeile wohlgezielt auf das Untier, aber sie sprangen von der Hornhaut wie von einer Felswand zurück. Als sie sich daraufhin zur Flucht wandte, strauchelte ihr Fuß und sie stürzte zu Boden. Sie schien verloren, eine Beute des Drachen, der grimmig auf sie zukam. Doch Dietwart war mit seinen Recken in der Nähe, und diese drangen auf den Wurm los, während er sich selbst vor die Jungfrau stellte. Ein entsetzlicher Kampf begann. Die Recken griffen den Feind von allen Seiten an, aber die Speere, Lanzen und Schwerter prallten von der Hornhaut zurück oder zersprangen in Stücke. Dagegen schlug das Untier mit den Tatzen manchen tapferen Helden und zerbiß andere mit den Zähnen, die fast wie Schiffsanker gebogen und geformt waren. Da stürmte Dietwart seinen Getreuen zu Hilfe. Er zielte mit der Lanze nach dem Hals des Wurmes, aber der Stoß glitt ab, und der Drache zerriß ihm mit der Tatze die Brust. Dann wollte ihn der Drache mit den Zähnen fassen und sperrte den Rachen weit auf. Diesen Augenblick erspähte der Held, stieß ihm den Speer in den gähnenden Schlund und drängte mit aller Kraft nach, daß die Spitze auf der anderen Seite wieder hervordrang. Ein Strom von Gift und lodernder Glut quoll dem Sieger entgegen. Er stürzte ohnmächtig zu Boden, und das Ungetüm unter Todeszuckungen über ihn her.

Hier kann man nun darüber nachdenken, ob es der Ego-Drache der Jungfrau war, der sie zur stolzen Jägerin machte, die den Drachen selber töten wollte? Oder der Ego-Drache des Kaisers, der als trennendes Bewußtsein noch zwischen Geist und Natur als Mann und Frau steht? Zumindest wurde sie von den Mädchen ihres weiblichen Naturwesens vor diesem Kampf gewarnt, und auch die Jagdhunde der Gedanken suchten die Flucht. Doch sie versuchte es trotzdem mit den berühmten drei Pfeilen, den drei Wirkkräften, die überall in der Natur als Prinzip der Bewegung zu finden sind und über die wir schon viel gesprochen haben. Sie können dem Ego-Drachen natürlich nichts anhaben, denn er lebt von diesen Kräften. Im Gegenteil, mit diesem Angriff droht sie selbst zur Beute des Lindwurms zu werden und kann nicht mehr fliehen.

Nun übernimmt der Geist seine Rolle, zuerst als Schutz und dann im Angriff, aber nicht auf den äußerlichen Körper des Drachens, sondern auf das innere Wesen mit der Spitze seines Speeres. Diese Symbolik ist sehr tiefgründig: Zuerst die Wunde im Herzen, wo gewöhnlich der Eigenwille sitzt, aber die Liebe einziehen sollte. Dann dem Drachen in den Rachen als sein inneres Feuerwesen schauen und den Augenblick nutzen, wenn er zubeißen will. Denn wann sonst ist der Sieg zu gewinnen, als im Augenblick des gegenwärtigen Bewußtseins? Diese achtsame Gegenwärtigkeit im Augenblick von Hier und Jetzt ist natürlich der Schlüssel zum Sieg, und nicht das Träumen in Vergangenheit und Zukunft. Damit wird wieder die entscheidende Rolle des Bewußtseins in diesem Kampf angedeutet und auch die große Frage: Wie wach und bewußt muß man sein, um den Ego-Drachen zu besiegen?

Heftiges Rütteln und Schütteln erweckte den Helden aus seiner Betäubung. Er sah, als er die Augen aufschlug, wie Jungfrau Minne bemüht war, den Riesenleib von ihm abzuwälzen. Die Recken und Weidleute kamen zu Hilfe, so daß er endlich frei wurde. Er fühlte sich aber völlig entkräftet und mußte auf einer aus Zweigen geflochtenen Trage zum Königshof getragen werden. Hier wurde die Brustwunde sorgfältig verbunden. Sie schien ungefährlich, denn nur das Fleisch war von der Kralle zerrissen, aber sie eiterte fort und die Ränder wurden schwarz, wie von innerem Brand. Die Ärzte erklärten, es sei das Gift von dem Hauch des Drachen hineingedrungen und fürchteten um das Leben des Helden. Der König, die Hofleute, ja Stadt und Land waren in tiefer Trauer, da der tapfere Mann sie alle von großer Bedrängnis befreit hatte.

Jungfrau Minne beginnt nun, ihre eigentliche Rolle zu übernehmen, und versucht, den Geist vom erdrückenden Drachenleib zu befreien, der ihn zu betäuben droht. Vorzügliche Symbolik! Dann kommt ein weiterer Aspekt des Kampfes hinzu, nämlich das tödliche Drachengift, das bereits im letzten Drachenkampf von Wolfdietrich angedeutet wurde und auch in der Drachengeschichte von Sankt Georg eine bedeutende Rolle spielte. Das deutsche Wort Gift ist ein seltsames Spiel. Ursprünglich bedeutete es „Gabe oder Geschenk“, wie es heute noch im Englischen zu finden ist. Doch wenn man eine Gabe festhalten will, dann wird sie zum Gift, weil man etwas Vergängliches festhalten will. Und wenn man die Gabe des Lebens festhalten will, dann wird daraus sogar ein tödliches Gift. Hier können wir wieder an das Ego-Bewußtsein der Trennung denken, denn dies ist das Bewußtsein von „mein Leben“ und „dein Leben“, von Anhaftung und Ablehnung. Wie auch der teuflische Lindwurm am biblischen Baum der Erkenntnis von Gut und Böse wie ein tödliches Gift beschrieben wird, und Gott gewarnt hat: „Wer davon ißt, muß des Todes sterben.“ Das bedeutet dann auch die eiternde Wunde im Herzen, die uns droht, das Lebendige zu etwas Totem zu verbrennen.

Eines Morgens lag Dietwart in Schmerzen und angstvollen Fieberträumen auf seinem Bett, da fühlte er eine Hand an seiner Wunde beschäftigt, die ihm weicher und sanfter erschien, als die des Arztes. Er schlug die Augen auf und erkannte die Königstochter, wie sie die Binden vorsichtig löste und aus einem Fläschchen eine Flüssigkeit in die Wunde tropfte. Der brennende Schmerz ließ sogleich nach. Er wollte reden, seinen Dank aussprechen, aber sie legte die Hand auf den Mund. Nachdem sie den Verband wieder angelegt und den Wärtern gleichfalls durch Zeichen Stillschweigen geboten hatte, entfernte sie sich leisen Schrittes, wie sie gekommen war. Es war dem wunden Mann so wohl, als habe ihm ein Engel vom Himmel den Kelch der Genesung gereicht. Er fiel in einen ruhigen Schlummer, und erst in der Nacht fühlte er wieder Schmerzen. Doch des Morgens stand die Engelserscheinung abermals an seinem Lager und träufelte Balsam in die Wunde, und so kam die Jungfrau auch am dritten Morgen. Da fühlte er sich wunderbar gekräftigt. Er ergriff ihre Hand und führte sie an seine Lippen. Sie aber entzog ihm dieselbe und wiederholte, sich entfernend, das Zeichen des Schweigens. Der Arzt freute sich über die rasch fortschreitende Genesung. Als er aber erfuhr, was sich zugetragen hatte, sagte er, die königliche Jungfrau habe den wundertätigen Balsam von ihrer Mutter auf dem Sterbebett erhalten, aber sie dürfte ihn nur im äußersten Fall bei Menschen anwenden, die sie von Herzen liebe, und sie müsse dabei das tiefste Schweigen bewahren.

Der Arzt erinnert uns hier an den gedanklichen Verstand, mit dem wir gewöhnlich Körper und Geist heilen wollen. Doch es gibt noch eine ganz andere Ebene der Heilung, die im Grunde auch der Begriff „Heilung“ meint, nämlich ein Ganzwerden, um die Wunde der Trennung an ihrer Ursache zu heilen. Das ist natürlich die reine Liebe, die All-Liebe der Vollkommenheit, und dazu muß der gedankliche Verstand schweigen, der nur in Gegensätzen denken kann, und schließlich auch sagt, daß die Jungfrau diesen Balsam von ihrer Mutter bekommen hat. Klar, die Seele empfängt ihre Macht von Mutter Natur. Doch der Verstand kann nicht verstehen, daß dieser Balsam der Liebe das wahre Wesen der Seele als Essenz der Natur ist, die hier nicht umsonst Minne heißt, wie auch der Frieden das wahre Wesen der Vernunft als Essenz des Geistes ist. Ja, das ist der „Sieg der Liebe“:

„Bei Menschen, die sie liebt!“, wiederholte der Held und fühlte sich recht glücklich durch diese Worte. Als er ihr darauf nach völliger Genesung lustwandelnd im Garten begegnete, da sprach er von seiner Liebe, die Hände und die Herzen fanden sich zusammen, und der gute König Ladmer trat hinzu und segnete seine Kinder. Bald wurde das Hochzeitsfest gefeiert. Da stand auf der geschmückten und reich besetzten Tafel in Silber gefaßt ein Zähnchen des Linddrachen, und das wog nicht weniger als einen halben Zentner.

Damit kommen wir zum großen Happy-Ende der ganzen Hugdietrichsage. Geist und Natur vereinen sich als Vernunft und Seele in der großen Hochzeit, so daß nun ein ganzheitliches Bewußtsein als Kaiserpaar zum Wohlergehen aller Wesen herrscht und regiert. Und die Hochzeitstafel ist mit einem Zähnchen des Lindwurms geschmückt, in Silber als Symbol des begrifflichen Verstandes gefaßt, der nun in diesem Raffzahn des Ego-Drachens die Ursache für den Sieg über das Ego-Bewußtsein erkennen kann, und damit auch für den Sieg der Liebe und den Sieg-Frieden im Menschenreich:

Die beiden Ehegatten traten bald die Fahrt nach Romaburg an. Wind und Wellen waren günstig, so daß sie ohne weitere Gefahren und Abenteuer das Vaterland Dietwarts erreichten. Sie lebten in glücklicher Ehe, ihre Herrschaft war tugendhaft und friedlich, und so regierte Dietwart über dreißig Jahre als römischer Kaiser. Mit Gottes Hilfe war es ihm möglich, reichen Besitz, Ehre und die Macht eines Siegers zu erhalten. Dietwarts Tugendhaftigkeit, Reinheit und höfische Sittlichkeit wurden zum Ideal für die höfische Gesellschaft. Solange diese befolgt wurden, lebte auch das ganze Volk glücklich und zufrieden. Dietwart und Minne erfreuten sich als Kaiserpaar eines langen Lebens auf Erden und bekamen viele Kinder. Ihr ältester Sohn hieß Siegher, und der setzte auch ihr Erbe fort. Man sagt, er heiratete Amelgart aus der Normandie, und sie hinterließen zwei Kinder, einen Sohn, den sie wieder Ortnit (oder auch Amelung?) nannten, und eine Tochter namens Sieglinde. Sie heiratete König Siegmund, der sie in die Niederlande führte. Ihr gemeinsamer Sohn war dann der berühmte Siegfried, der Drachentöter und Held der Nibelungen. Und damit endet die Sage von Hugdietrich.

Nach diesem Bericht würde nun folgender Stammbaum für die Hugdietrichsage entstehen:

Dazu gibt es allerdings in den verschiedenen überlieferten Sagen auch unterschiedliche Beschreibungen, die im Laufe der Zeit entstanden sind und alle ihre Widersprüche haben. Was wohl auch gut ist, damit unser begrifflicher Verstand nicht glaubt, darin irgendeine Wahrheit festhalten zu können. So erkennt man bereits an dem kurzen Stammbaum von Berchtung bis Hildebrand, der später zum Lehrer von Dietrich wurde und noch lange Zeit an seiner Seite kämpfte, daß der Dietrich-Stammbaum etwas kürzer ausfallen sollte. Diesbezüglich könnten wir uns vorstellen, daß Minne als Kaiserin später Amelgart hieß, und ihr Sohn Siegher als „Heer des Sieges“ zum Stammvater oder ersten großen König der Amelungen wurde. Das würde auch den Namen Amelgart als „Garten der Amelungen“ erklären, um die sich dann die nachfolgende Dietrichsage dreht. Damit könnten wir uns zumindest einen möglichen Übergang zur Dietrichsage vorstellen, so daß dann schließlich der Stammbaum aus geistiger Sicht so erscheint:


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Hugdietrichsage: Wolfdietrich und der Messermann
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Hugdietrichsage: Die Geschichte von Kaiser Ortnit
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Dietrichsage: Samson als erster großer König der Amelungen
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Sagentext und Sepia-Bilder: Die Sagenwelt der Nibelungen nach Wilhelm Wägner und anderen Quellen
[Bibel] Luther Bibel, 1912 / Revision 2017
[2025] Text von Undine & Jens / www.pushpak.de
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